Das Land schüttelt den Kopf. Ob der Dreistigkeit, ob der Chuzpe
und ob der der Unfähigkeit der Sozialdemokraten und ihrer Führung. Was in den
vergangenen Tagen rund um die Fake-Seiten auf Facebook zu Tage kam, rund um den
einstigen Kern-Berater Tal Silberstein und seine Rolle im Wahlkampf und rund um
die Zustände, die in der SPÖ herrschen müssen, mag viele diebisch freuen und
für viele Bestätigung ihrer Meinung sein. In erster Linie aber ist es eine
Katastrophe für die Demokratie und für die Politik in diesem Land. "Die
haben es geschafft, in wenigen Wochen die wichtigste politische Bewegung
seit dem 19. Jahrhundert zur Lachnummer zu machen" war auf Twitter zu
lesen. Auch wenn man die Einschätzung von der "wichtigsten politischen
Bewegung" vielleicht nicht teilen mag, trifft sie doch sehr genau.
Der Schaden ist beträchtlich. Man muss gar nicht von den
vielen von der Politik ohnehin Frustrierten reden, man denke sich nur in junge
Leute hinein, die diese Wahlen und den Wahlkampf zum ersten Mal bewusst
wahrnehmen, für die er vielleicht die erste Begegnung mit Politik ist, die zum
ersten Mal wählen gehen dürfen. Wie sich für sie Politik darstellt, wie sie den
Wahlkampf erleben, wie sie Politik, Politikerinnen und Politiker kennenlernen
und welche Seiten von ihnen. Man stelle sich vor, was in diesem Umfeld und
angesichts dessen, was sie sie erleben, ihr Politikbewusstsein beeinflusst, wie
sie in Zukunft und in ihrem späteren Leben zur Politik stehen werden.
Es kann kaum anderes, als eine schwere Hypothek sein, die
ihr politisches Bewusstsein prägt. Es nähme nicht Wunder, wenn die
Politikverdrossenheit unter den jungen, die schon in der Vergangenheit heftig
beklagt wurde, noch deutlich größer würde, sie sich mit Grauen abwenden und dem
politischen Geschehen mit noch mehr Desinteresse begegnen würden.
Dafür freilich ist nicht allein der jüngste Skandal der
Sozialdemokraten verantwortlich. Da sind auch viele andere, die sich in der
Politik und im aktuellen Wahlkampf umtun, in die Verantwortung zu nehmen. Denn
Wahlkampf ist nicht nur die Zeit "fokussierter Unintelligenz", wie der
Wiener Bürgermeister das zu nennen pflegt. Wahlkampf ist, wir erleben es
zuweilen schmerzhaft und hautnah, auch die Zeit fokussierter Lächerlichkeit und
fokussierter Zumutungen. All diese Streiterien, all die lächerlichen Posen, all
diese Künstlichkeit und diese Aufgedrehtheit. Wie sollen sie junge Leute
gewinnen, sich für Politik, ihre Aufgaben und ihre Möglichkeiten und ihre
Grenzen zu interessieren? Die sie meist sehr viel eher als Dauerstreit erleben,
denn als gestaltende Kraft, die das beste fürs Land und seine Bürgerinnen und
Bürger will, die getragen ist vom gegenseitigen Respekt und vom Willen
gemeinsam etwas voranzubringen. Wie sollen da Verständnis entwickelt werden und
Verantwortungsbewusstsein?
Was den jungen Leuten geboten wird, ist durch die Bank
erbärmlich. Kanzlerbilder im Sportdress und mit Kindern am Arm und ein Kanzler
in Lederhose, wo doch alle im Land wissen, dass das für den ehemaligen Manager
nichts ist, denn Pose. Was sollen junge von dröhnenden und schunkelnden
Wahlkampfveranstaltungen halten, mit Einpeitschern und geifernden Rednern an
den Pulten? Was von untergriffigen Fernsehdiskussionen? Was müssen sie sich von
der Politik denken, wenn mit einem Mal gestandene Leute und Politiker mit
türkisen Sonnenbrillen herumlaufen, türkisfarbene Trachtenanzüge tragen und
Wahlveranstaltungen zuweilen an Faschingssitzungen gemahnen? Oder wenn sie zu
einer Strache-Homestory wenige Woche vor der Wahl den Titel "Im Bett bin
ich der Linke" samt Schmusefoto des rechten Reckens aufgetischt bekommen? Oder
einen bitzelnden Strolz oder eine sekkant-süffisante Lunacek?
Will man wirklich, dass sie "Alle durchgeknallt oder
was?" denken. Zu verdenken wäre es wäre ihnen nicht. Haben es die jungen
wirklich verdient, die Politik so kennenlernen zu müssen, wie es ihnen in den
vergangenen Tagen, Wochen und Monaten zugemutet worden ist. Die
Verantwortlichen sollten sich diese Frage stellen. Ernsthaft.
Denn so einen Wahlkampf, wie vor diesen Nationalratswahlen,
sollte es nicht mehr geben. So einer ist nichts denn ein Nährboden für die
Politikverdrossenheit, zumal jener der jungen Generation, die auf eine Art und
Weise Politik kennen lernen muss, die ganz sicher nicht geeignet ist, Interesse
zu erwecken.
Und das nicht nur wegen der Kabalen der Sozialdemokraten.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Oktober 2017
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