Nach langem Zögern will die Europäische Union die Abhängigkeit von Sojaimporten aus Nord- und Südamerika verringern. Das kleine Agrarland Österreich spielt dabei schon jetzt eine zentrale Rolle.
Hans Gmeiner
Wien. Die Bauern in der Europäischen Union produzieren zwar in vielen Bereichen Überschüsse, aber sie müssen jährlich rund 33 Millionen Tonnen Soja und Sojaschrot, hochwertige Eiweißfuttermittel, aus Nord- und Südamerika importieren, um ihre Schweine und Hühner zu füttern. Nach langem Zögern will nun die Europäische Union die Eiweißlücke, wie sie im Fachjargon genannt wird, und damit die Importabhängigkeit deutlich verringern – auch wenn man sie nicht völlig beseitigen kann. Zudem will man der Abholzung des Regenwalds in Südamerika nicht länger Vorschub leisten.
Ausgerechnet das kleine Österreich spielt dabei eine bedeutende Rolle. Das Land ist in den vergangenen Jahren zur Triebfeder beim Ausbau der europäischen Sojaproduktion geworden. Der Verein Donausoja, den Unternehmen aus der österreichischen Agrarbranche 2012 gründeten, treibt von Wien aus den Anbau von GVO-freiem Soja in den an die Donau grenzenden Ländern bis zum Schwarzen Meer voran. Zudem initiierte der Verein eine Reihe von Vermarktungs- und Verarbeitungsprojekten.
Die Zahlen können sich sehen lassen. Allein in den EU-Ländern wurde die Anbaufläche für Sojabohnen zwischen 2013 und 2017 auf mehr als 528.000 Hektar verdoppelt. Neben Österreich bauten vor allem Ungarn und Rumänien die Produktion aus. Ähnlich verlief auch die Entwicklung in den Balkanstaaten, die ebenfalls zum Einzugsgebiet des Vereins gehören. In Serbien, Bosnien und Mazedonien verdoppelte sich die Anbaufläche für Soja im gleichen Zeitraum um 600.000 auf 1,243 Mill. Hektar. Größter europäischer Erzeuger ist die Ukraine. Dort wurde die Anbaufläche in den vergangenen fünf Jahren um knapp 50 Prozent auf 1,99 Mill. Hektar ausgeweitet.
In Österreich selbst hat sich die Anbaufläche in den vergangenen Jahren ebenfalls verdoppelt. Mit knapp 65.000 Hektar und einer Jahreserzeugung von 190.000 Tonnen ist Österreich fünftgrößter Erzeuger in Europa. Fast ein Drittel davon stammt aus biologischem Anbau. Bei einem Anteil von nur zwei Prozent an der gesamten EU-Ackerfläche kommen von Österreichs Bauern acht Prozent der europäischen Sojamenge und sogar 25 Prozent des in Europa verwendeten Saatguts. Der Plafond ist damit noch nicht erreicht. Eine weitere Ausweitung der Sojafläche auf 100.000 Hektar wird für möglich gehalten.
Verarbeitet wird das heimische Soja in Ölmühlen in der Steiermark und im bayerischen Straubing, aber auch von Futtermittelherstellern, die die Körner nur thermisch behandeln, um die Nährstoffe besser aufzuschließen, die aber kein Öl aus den Körnern pressen.
Weit wie kein anderes europäisches Land ist Österreich bei der Umstellung auf GVO-freies Soja in der Fütterung. In der Geflügel-und Eierproduktion werden die Tiere bereits seit Jahren ausschließlich mit GVO-freiem Soja gefüttert. Auch in der Milcherzeugung darf, wenn Soja überhaupt eingesetzt wird, nur GVO-freie Ware verwendet werden. Und selbst in der Schweineproduktion findet sich immer öfter GVO-freies Soja in den Futtertrögen. „Die Verfügbarkeit von GVO-freiem Soja ist kein Thema mehr“, heißt es vonseiten der Produzentenverbände.
Und in noch einer Sparte ist Österreich Spitzenreiter beim Sojaeinsatz. 50 Prozent der heimischen Produktion, so viel wie nirgendwo auf der Welt, gehen in die Erzeugung von Lebensmitteln wie Tofu und Tofuprodukten und Sojagetränken, aber auch in die Produktion von Mehlen für die Brot- und Backwarenerzeugung.
Die Möglichkeiten von Soja in Europa sind längst noch nicht ausgereizt, ist Matthias Krön, Obmann und seinerzeit Gründer des Vereins Donausoja, überzeugt. „Was in Österreich in den vergangenen Jahren gelungen ist, muss auch europaweit gelingen“, sagt er. „Im Norden Europas ist Soja noch nicht angekommen“, sagt der Donausoja-Chef und hat schon die nächsten Ziele im Visier. Dank enormer Züchtungsfortschritte kann Soja heute auch in gemäßigten und raueren Klimaregionen erzeugt werden und liefert deutlich bessere Erträge als noch vor wenigen Jahren. Das macht die Pflanze auch für die Landwirte in Ländern wie Deutschland, Frankreich und in den Niederlanden zunehmend interessant.
„Die Sojaproduktion ist keine Nische mehr“, ist Krön überzeugt. „Was wir in Österreich erleben, ist in ganz Europa möglich.“ Seine Vision: „Wenn es gelingt, in ganz Europa den Flächenanteil von Soja auf 5,6 Prozent, so viel wie derzeit in Österreich, zu erhöhen, dann könnten wir die Sojaimporte zumindest halbieren.“
Salzburger Nachrichten- Wirtschaft, 11. Juli 2018
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