In der Agrarpolitik herrscht so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm, ehe es in den kommenden Monaten
mit den Agrarreform-Verhandlungen wohl ernst wird. Auch wenn da und dort die Aufregung bereits groß war, als zunächst der EU-Haushaltskommissar seine Einsparungspläne bei der Landwirtschaft und dann der Agrarkommissar seine Eckpunkte zur Agrarreform vorstellte, ist kaum abzuschätzen, wohin es wirklich gehen wird.
Misstrauen und Skepsis sind freilich angebracht. Dass die heimischen Spitzenagrarier von der Landwirtschaftsministerin abwärts mit Empörung auf fast alles reagierten, was bisher vorgetragen wurde, ist nichts anderes als der Versuch, sich in eine Verhandlungsposition zu bringen. Interessant wird es erst, wenn es ernst wird. Und besonders interessant wird, wie Kanzler Kurz und sein System wirklich mit der Landwirtschaft umgehen – ob die Aussagen, dass man zur heimischen Landwirtschaft steht, mehr sind als Lippenbekenntnisse, oder ob am Ende des Tages nicht doch mehr zählt, dass man in Brüssel als Hardliner auf Budgeteinsparungen drängt, die wohl auch die Landwirtschaft treffen würden.
Manche in der Agrarpolitik scheint längst das Gefühl beschlichen zu haben, dass es auch in der Landwirtschaft kommen könnte, wie man es derzeit in anderen Bereichen, von der Mindestsicherung bis hin zur Reform der Sozialversicherungen, erlebt – dass eine vorgefasste Linie durchgezogen wird, ohne viel Wenn und Aber, ohne große Rücksichtnahmen und ohne große Diskussionen.
Dass diese Methoden auch in der Agrarpolitik der Regierung Kurz nicht fremd sind, haben die Bauernvertreter schon bei einigen Themen zur Kenntnis nehmen müssen, bei denen nicht lange herumgefackelt wurde und man Kompromisse erst gar nicht suchte. Der Einfluss der Vertreter, aber auch der Agrarpolitiker in den Ländern, scheint zunehmend geringer zu werden, ihre Mitsprache weniger gefragt. „In den bevorstehenden Verhandlungen sind jetzt der Bundeskanzler gefordert und der Finanzminister, da gibt es die klare Erwartung, alles daran zu setzen, die Bauernfamilien in Österreich nicht zu enttäuschen“, sah sich Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger in einem seiner Antrittsinterviews in einer Zeitung genötigt zu sagen.
Blindes Vertrauen schaut anders aus.
Überraschungen und auch Enttäuschungen sind wohl nicht auszuschließen, gibt es doch nicht nur auf EU-Ebene viele offene Themen. Auch in Österreich selbst sind viele oft sehr unterschiedliche Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Der Bogen reicht von der Verteilung der Mittel zwischen den einzelnen Betriebszweigen und Regionen über die zahllosen Themen des Umweltprogrammes bis hin zum Umgang mit der Biolandwirtschaft. Das alles spielt sich vor dem Hintergrund einer Gesellschaft ab, die die Landwirtschaft zunehmend kritisch beobachtet und in der sich längst die Neider positioniert haben.
Die Landwirtschaftsministerin will eine „offensive Debatte, wie in Zukunft Lebensmittel produziert werden sollen“ führen. Man darf auf ihre Argumente gespannt sein und wie sie ankommen.
Und darauf, ob dabei nicht doch viele von denen, die ihre Hoffnungen auf sie setzen, unter die Räder kommen.
Gmeiner meint - Blick ins Land, August 2018
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