Es hat sie immer schon gegeben diese Alles- und Besserwisser. Aber - sie werden immer mehr. Und sie haben immer weniger Respekt. Und Zurückhaltung schon gar nicht. Heute glaubt schier jeder mitreden zu können. Bei allem. Beim Fußball sowieso und in der Politik, aber auch vor wirtschaftlichen Fragen kennt man kein Halten, nicht vor Umweltthemen und schon gar nicht, wenn es um soziale Fragen geht. Immer hat man schnell eine Lösung parat und man hat keine Scheu mehr, das auch hinauszuposaunen.
Fragen?
Aber wo! Was die anderen glauben zu wissen, weiß man selbst auch. Und das viel
besser, ist man doch geborener „Experte für eh alles“, wie der Kabarettist
Gunkl das einmal nannte. Man meint überall mitreden zu können und nimmt sich
ohne langes Wenn und Aber auch das Recht dazu heraus. Jetzt, mit Facebook und
Twitter und mit den zahllosen Internetforen, hat man ja die Möglichkeiten. Das
stärkt das Selbstbewusstein, da ist man doch wer. Ich bin, daher kann ich mir
auch das Recht heraus nehmen, zu allem und jedem etwas zu sagen. Wissen hält
man da nicht für erforderlich, respektvollen Umgang damit schon gar nicht. Ein
paar Wortfetzen, die man irgendwo aufgeschnappt hat, ein paar Zahlen dazu, das
reicht ja dann doch wohl. Was da nicht in den Kram passt, ist halt dann
Fake-News. Ist doch klar.
In
einem deutschen Politikmagazin stand einmal der Satz „Nichts gelernt und auch
noch stolz drauf“. Es trifft die Kultur, die sich in den vergangenen Jahren
breit gemacht hat und die mittlerweile längst mehr weh tut, als dass man die
neue Meinungsfreiheit, die da in Anspruch genommen wird und das neue
Selbstbewusstsein, das viele Menschen aus den neuen Medien beziehen, als
Fortschritt schätzen würde.
Das
Gegenteil ist der Fall. Bildung zählt allenfalls noch formal als Qualifikation.
Wissen aber, richtiges Wissen, zählt wenig. Vor allem scheint das Wissen ums
Wissen in den vergangenen Jahren vollends unter die Räder gekommen zu sein. Für
Wissen wird heute in der Gesellschaft, die auf Mulitple Choice-Fragen
konditioniert ist, gehalten, wenn man das Kreuz möglichst oft an der richtigen
Stelle macht und man ein paar gut klingende Zahlen und Zitathappen unter die
Leute werfen kann. Man kennt nichts mehr anderes. Und es zählt auch nichts mehr
anderes, will man zu Anerkennung und Erfolg kommen. Alles anderes ist zu
kompliziert und zu langsam. Und hat damit kaum mehr eine Chance.
Es
gibt diese Kultur auch dort, wo sie wirklich gefährlich wird und haarsträubend,
und wo sie längst dabei ist, die Grundfesten des gesellschaftlichen
Zusammenlebens zu zerfressen. In der Politik ist diese Haltung weit verbreitet
wie nie, in den Medien auch und oft auch in der Kunst, respektive dem, was sich
dafür hält. In Bereichen also, die eigentlich eine ganz besondere Verantwortung
hätten. Aber auch dort, und gerade dort, zählt Wissen, zumal fundiertes Wissen
und der Respekt davor, immer weniger.
Ergo
ist auch zuzuhören heute keine Kategorie mehr. Man hat es verlernt, es geht nur
mehr darum, seinen Standpunkt durchzusetzen, als gäbe es keine andere Seite,
schon gar eine, auf die man Rücksicht nehmen sollte.
Diese
Kultur, die sich in den vergangenen Jahren, beschleunigt von den neuen Medien
und befeuert von populistischen Poltikern und Marketing-Gurus aus der
Wirtschaft breit gemacht hat, macht uns alle zu Spielbällen, mit denen man
schier tun und lassen kann, was man will. Die Politik nutzt das, die Wirtschaft
auch und viele andere. Und niemand sagt „Stopp“.
Dabei
ist immer öfter erkennbar, wie verheerend die Folgen sein können, wenn statt
auf Wissen und Verstand auf Halbwissen und Emotionen gesetzt wird. Dann werden
Amateure und Blender wie ein Donald Trumpo ins US-Präsidentenamt gespült und
bestimmen Krakeler jedweder Couleur die gesellschaftliche Diskussion und geben
die politische Richtung vor und werden Entscheidungen getroffen, die verheerend
sein können.
Für
die Gesellschaft wird es zur Überlebensfrage, dem Wissen und dem Respekt davor
wieder zum Durchbruch zu verhelfen und ihm den Platz einzuräumen, den es auch
verdient. Sich zurückzuziehen und das Feld den Schreiern zu überlassen, ist die
falsche Strategie.
Und
auch falsch ist, Häme über die auszuschütten, denen Wissen nichts gilt.
Hochnäsigkeit ist kein guter Ratgeber. Viel wichtiger ist es, den richtigen
Umgang mit dieser Kultur und mit den Leuten, die sie leben und für richtig
halten, zu finden.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. August 2018
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