Donnerstag, 4. Oktober 2018

Das Kreuz mit der Kritik



Innenminister Kickl möchte unbotmäßige Zeitungen an die Leine legen. Der Wirbel war groß. Und natürlich ist alleine die Absicht zu verurteilen. Und angesichts des Selbstverständnisses eines Politikers vom Schlage Kickls und einer Partei wie der FPÖ sind die Sorgen um die Pressefreiheit und die Warnungen davor, dass Österreich "in Richtung Ungarn" gehe, wie der Chef der Industriellenvereinigung stellvertretend für viele in diesem Land formulierte, durchaus berechtigt.

Bei allem erscheint manche Empörung aber doch allzu aufgeregt, ist doch, was Kickls Bürochef in einem E-Mail formulierte, alles andere als neu und durchaus nicht so unüblich, wie manche es darstellen. Kenner der Bräuche auf dem politisch-medialen Parkett schüttelten eher den Kopf, weil es noch niemand so dumm, dreist und einfältig anstellte, Zeitungen an die Leine legen zu wollen. Das geht, in Kreisen der Politik und der Medien weiß man es, weitaus subtiler und erfolgreicher. Fast alle wüssten über aller Empörung über Kickl Beispiele zu nennen, wie man in diesem Land missliebige Zeitungen und Journalisten sich vom Leib zu halten pflegt. Da bestraft man nicht nur mit Nicht-Einladungen zu Terminen oder gar Reisen, sondern auch mit selektiver Handhabung von Informationen oder mehr oder weniger versteckter Gesprächsverweigerung, und wenn noch so oft um einen Termin angefragt wird. Und die sind keinem fremd, welcher Couleur man immer auch ist. Der Bogen der Beispiele, die in den vergangenen Tagen genannt wurden, reicht von Bruno Kreisky über Wolfgang Schüssel und Werner Faymann bis hin zu Christian Kern.

All das zeigt im Wesentlichen nichts anderes, als dass man in Österreich Probleme hat, mit Kritik umzugehen. So wie in diesem Land die Gesprächs-und Diskussionskultur unterentwickelt ist, ist auch die die Kritik-Kultur unterentwickelt. Kritik ist meist kaum erwünscht. Und wenn es sie denn doch gibt, ist das Aussitzen die beliebteste Strategie. Und Abschotten. Dass man sich damit oft auch der Chance begibt, Fehlentwicklungen zu korrigieren und neue Aspekte aufzunehmen und weiterzutragen, nimmt man billigend in Kauf, weil man glaubt, sich Schwierigkeiten zu ersparen. Das gilt ganz besonders auch für die Politik und die Politiker, die sich gerne mit Lakaien und Jasagern umgeben.

Dieser Mangel, mit Kritik umgehen zu können, ist aber bei Gott nicht nur auf Politiker beschränkt, sondern zieht sich durch alle gesellschaftlichen Kreise. Am augenscheinlichsten ist er oft dort, wo man sich damit brüstet, besonders gut mit Kritik umgehen zu können, weil man "ja nur so etwas lernen kann". Ganz oben stehen ausgerechnet die Branchen, die gerne ihre Kundenfreundlichkeit hervorkehren und gar den Eindruck erwecken, sie seien an der Meinung ihrer Klientel interessiert. Haben Sie jemals in einem Restaurant versucht, auf die vom Kellner freundlich vorgetragene Frage, ob denn alles gepasst habe, eine ehrliche Antwort zu geben? Lassen Sie es. Das gibt meist nur Verdruss. Nicht anders ist es, wenn man im Baumarkt etwas sagt, oder in irgendeinem anderen Geschäft, auf einem Amt oder sonst wo. Es geht meist daneben. Und dieser Mangel mit Kritik umzugehen, geht bis tief hinein ins Private. Bei anderen hat man schnell etwas auszusetzen, wehe aber, andere finden an einem selbst etwas auszusetzen.

Die allermeisten fühlen sich sofort auf den Schlips getreten, vermuten dahinter meist nichts denn eine unbotmäßig Bosheit, gezielte Beleidigung und Herabwürdigung und verschließen sich prompt wie Austern, statt zuzuhören.

Freilich, auch mit dem Anbringen von Kritik hat man hierzulande durchaus Probleme. Oft ist es nicht mehr als ein loses Maulen, ein undifferenziertes Dahinschimpfen und eine Rechthaberei oder Besserwisserei um jeden Preis. Und oft ist Kritik auch wirklich nichts als Bosheit. Vor allem in der Politik. Viel zu oft fehlt es an der nötigen Sachlichkeit und an Argumenten. Den Politikern und oft auch den Medien.

Und weil das so ist, sind die Versuche von Politikern, Medien, die ihnen das Leben schwer machen, in den Griff zu kriegen, nicht ganz unverständlich. Wenn dabei allerdings wirklich die staatliche Macht ins Spiel käme, um sich durchzusetzen, würde fraglos eine Grenze überschritten. Denn dann könnten sich die Zeitungen nicht mehr wehren, was ihnen derzeit im Fall von Obstruktionen ja immer freisteht.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Oktober 2018

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