"Wir sind Nobelpreis" hat keine Zeitung geschrieben. Auch sonst blieb es rund um den Physik-Nobelpreis für Anton Zeilinger verhältnismäßig unaufgeregt im Land. Die Versuche, den strahlenden Glanz des Nobelpreises für den österreichischen Paradewissenschafter für sich zu nutzen, blieben beschränkt und im Rahmen. Was Zeilinger wirklich macht und wofür er den Nobelpreis erhielt, verstehen in diesem Land wohl die wenigsten. Am ehesten kann man sein Tun noch begreifen, wenn man hört, dass man ihn "Mr. Beam" nennt.
Zeilinger ist erfrischend unkonventionell und fällt damit im österreichischen Umfeld auf. Nicht abgehoben, offen und nicht zurückgezogen im elfenbeinernen Turm der Wissenschaften, sondern unter den Leuten, auf Bällen gar und im Wissenschaftsbetrieb neben seiner Forschertätigkeit in verantwortungsvollen Positionen wie etwa als Präsident der Akademie der Wissenschaften. Dazu passt, dass er sich in der ersten Stellungnahme nicht nur, wie das wohl jeder täte, bei seiner Familie bedankte, die ihn immer unterstützt habe, sondern auch, und das täte wohl kaum jemand anderer, bei den österreichischen Steuerzahlern -denn, "na es ist einfach so", ohne diese wäre sein Erfolg nicht möglich gewesen.Von Zeilinger kann man lernen. Und man sollte es auch. Er sagte viel, was schon lange nicht mehr gesagt wurde in der Öffentlichkeit, zumal von einem Mann seines Zuschnitts. Er hob hervor, dass sein Studium kaum verschult war, dass er die Fächer frei wählen durfte und als Jungforscher großzügige Förderungen bekam, um seine Ideen zu erproben. Das kann nicht genug hervorgehoben werden in einer Zeit der Zugangsbeschränkungen zu den Unis, der Verschulungen des Lehrbetriebs an den Universitäten, der viel zu oft zugeschnitten ist auf Karrierechancen der Studierenden und die Bedürfnisse von Geldgebern. "Wichtig ist, dass Forschung nicht allein aus dem Nutzen definiert werden kann", sagte Zeilinger in einem der zahllosen Interviews der vergangenen Tage. Ihm sei von früh an möglich gewesen, Dinge zu machen, die ihn interessierten.
In der Aufgeregtheit der heutigen Zeit nimmt sich das wie aus ebendieser gefallen. Solche Töne waren schon lange nicht mehr zu hören in der Öffentlichkeit. Nicht in dieser Klarheit und nicht von jemand dieses Kalibers. Darein fügt sich nahtlos sein Rat, den er, gefragt ebenfalls in einem Interview, den jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mitgeben möchte. "Wenn du an etwas dran bist, das du spannend findest, dann mach das und pfeif drauf, was andere sagen, das ist das Allerwichtigste", sagte er darauf. Eine Anleitung fürs Leben in einer immer schnelleren Zeit, die man gar hoch genug wertschätzen kann.
Zeilingers Nobelpreis kommt für Österreichs Wissenschaft in einer schwierigen Zeit. Und doch ist es vielleicht gerade deswegen die rechte Zeit. Nicht nur, dass es an allen Ecken und Enden an Geld zu mangeln scheint, dass die steigenden Kosten Milliardenlöcher in die Budgets der heimischen Forschungsstätten reißen. Man hat auch damit zu kämpfen, dass das Vertrauen in die Wissenschaft und auch die Glaubwürdigkeit in den vergangenen Jahren regelrecht abmontiert wurden. Das Verständnis für wissenschaftliches Tun, gar für Grundlagenforschung ohne genaue Ziele und Vorgaben, ist in diesem Land endlich geworden. Da fuhr die Politik drüber und der Covid-Pöbel. In kaum einem anderen Land ist die Wissenschaftsskepsis so groß. Die Wissenschaft ist damit überfordert und ging in der Diskussion, so sie sich denn überhaupt darauf einließ, unter. Da scheint allzu vielen der elfenbeinerne Turm als die sicherere Position, in der man trachtet, das Ungemach über sich ergehen zu lassen.
Österreich spielt trotz Zeilinger und einiger anderer herausragender Namen auf der internationalen Wissenschafts-Bühne nicht in der Top-Liga. Man darf sich allenfalls freuen drüber, dass wir Europameister bei den Patentanmeldungen sind. Ernster zu nehmen ist wohl, dass im letzten weltweiten Uni-Ranking nur zwei heimische Universitäten unter den Top 200 zu finden sind. "Vergleichbare Länder wie die Schweiz oder die Niederlande können da ganz andere Zahlen vorweisen", merken Zeitungskommentatoren spitz an.
Heinz Faßmann, als Präsident der Akademie der Wissenschaften Nachfolger Zeilingers, sagte, er hoffe, dass sich all die Gratulanten von heute auch morgen an ihr Bekenntnis zur Grundlagenforschung erinnern. Bleibt wohl nichts, als mit ihm zu hoffen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Oktober 2022
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen