Donnerstag, 16. Mai 2024

Die Gemüsebauern setzen einen Notruf ab

Die österreichischen Gemüsebauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie klagen vor allem über unfaire Bedingungen im Wettbewerb.

Hans Gmeiner

Eferding. Die Anbaubedingungen heuer waren optimal, die Ernteaussichten sind gut. Das ist aber auch schon das Einzige, was bei den heimischen Gemüsebauern passt. Ihre Stimmung ist im Keller. Wettbewerbsnachteile bei den Lohnkosten und beim Pflanzenschutz, der wachsende Anteil an Aktionsware im Handel, fehlende Herkunftskennzeichnungen und Billigimporte sorgen für wachsenden Unmut. „Wir verlieren Marktanteile“, sagte Ewald Mayr, Chef der Gemüsebauern in Oberösterreich, in Hinzenbach bei der Eröffnung der neuen Gemüsesaison. „Der Druck steigt.“ Dass die Konsumenten auch beim Gemüse sparen und billig kaufen und der Pro-Kopf-Verbrauch eher zurückgeht als ansteigt, hebt die Stimmung auch nicht unbedingt.

Vor allem die hohen Lohnnebenkosten liegen den Bauern schwer im Magen. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Arbeitskosten in Österreich deutlich höher sind als im benachbarten Bayern und anderen Ländern in Europa, wo es für Saisonarbeitskräfte Sonderregelungen gibt. Das macht es immer schwieriger, Arbeitskräfte zu finden. „Bei uns kostet die Stunde brutto 4,80 Euro mehr und die Arbeiter bekommen um vier Euro weniger als anderswo“, sagt Mayr. Bitterer Nachsatz: „Bei uns verdient vor allem die Sozialversicherung.“

Wachsende Sorgen macht auch der Pflanzenschutz. Die Zahl der zugelassenen Mittel wird immer kleiner, Zulassungen werden oft nicht erneuert, neue Mittel kommen kaum mehr auf den Markt. Vor allem hadert man mit der EU-Bürokratie, die für jedes Mittel von jedem Land trotz allgemeiner Zulassung eine landesspezifische Zulassung verlangt. Heuer wird in Österreich erstmals kein „Bierradi“ mehr erzeugt, weil die Zulassung für ein wichtiges Pflanzenschutzmittel ausgelaufen ist, das aber in Bayern weiter eingesetzt werden darf. In zwei Jahren laufen für Gemüsearten wie Kraut und Salat wichtige Zulassungen aus. Bis dahin müssten Lösungen gefunden werden.

Immer größer wird der Ärger auch über die fehlende Pflicht zur Herkunftskennzeichnung. „Im Lebensmittelhandel kommen unter Eigenmarken Gemüseprodukte etwa aus der Türkei zu Preisen in die Regale, wo man nur mehr den Kopf schüttelt und staunt“, sagt Klaus Hraby, Chef von Efko, dem größten heimischen Hersteller von Sauergemüse. „Dabei wird in der Türkei zu Bedingungen produziert, da ist der Ausdruck Wettbewerbsverzerrung ein Hilfsausdruck.“ Das gelte für die Produktionsbedingungen genauso wie für die sozialen Standards. Im EU-Land Spanien sei es nicht viel anders. Was solche Länder machten, sei nichts anderes als der Import von Sozialmissbrauch. „Und zu uns sagt man, ihr müsst euch schon bemühen und billiger werden.“ Man verlange, dass man in Österreich „supersauber“ sei, aber das Gemüse aus der Türkei kaufe man gerne. „Das ist zynisch“, befindet Hraby, der auch die Konsumenten in die Pflicht nimmt. „Wenn die Kunden nicht bereit sind, für etwas zu zahlen, oder nicht zahlen können, was sie in Umfragen immer fordern, dann wird es für Bauern und Verarbeiter schwierig.“

Einig sind sich der Gemüsebauernvertreter Mayr und Efko-Chef Hraby darin, dass die Politik „die entsprechenden Bedingungen“ schaffen müsse. Es gehe um die Herstellung von Chancengleichheit. „Wir brauchen keine Besserstellung, aber es kann nicht sein, dass es die anderen leichter haben.“ Die Themen seien ja nicht neu. „In Deutschland etwa geht man damit wesentlich schneller und hemdsärmeliger um“, sagt Hraby. Österreich könnte viel mehr Gemüse erzeugen, sind die Bauern überzeugt. Für viele wäre das eine Zukunftschance.

Derzeit geht der Trend in die Gegenrichtung. Nach Zuwächsen in den Coronajahren sank die Gemüseanbaufläche etwa in Oberösterreich, der nach Niederösterreich und Wien wichtigsten Produktionsregion, wieder von mehr als 2150 auf rund 1950 Hektar. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Gemüse erreichte im Vorjahr 120,7 Kilogramm nach 124,4 im Jahr davor, die Gesamtproduktion 651.000 Tonnen.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 16. Mai 2024

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1