Mittwoch, 28. Mai 2025

Hilflosigkeit auf der Dauerbaustelle

Es könnte auch anderswo sein. Vorige Woche wurde bekannt, dass die ÖBB prüfen wollen, ob sie nicht doch drei Lokalbahnen in Oberösterreich einstellen werden, weil die Passagierzahlen weit unter dem liegen, was als gerade noch wirtschaftlich gilt.

Auf einer dieser Bahnstrecken, der Mühlkreisbahn, die von Aigen-Schlägl hoch oben im oberen Mühlviertel hinunter nach Linz-Urfahr bis fast vor die Tore von Linz führt, zählt man im nördlichen Abschnitt nicht mehr als 375 Passagiere. 375 Passagiere nicht pro Strecke und für jede der gut 20 täglichen Verbindungen, sondern insgesamt.

Da zeigen selbst Bürgermeister aus Anrainer-Orten Verständnis. "Es wird aufgeräumt, was in den letzten Jahren konsequent verschlafen wurde", signalisiert einer davon Verständnis, sogar einer mit SP-Parteibuch. Denn das sei "weder ökologisch vertretbar noch wirtschaftlich tragbar".

Gerade das aktuelle Beispiel aus dem Oberösterreichischen führt wieder einmal vor, wie sehr der öffentliche Verkehr und seine Ausgestaltung im Argen liegen. Und es sind nicht immer nur die störrischen Bürgerinnen und Bürger, die für die leeren Öffis und verstopften Straßen verantwortlich sind.

Der öffentliche Verkehr ist und bleibt wohl eine der großen Dauerbaustellen der Alpenrepublik. Wo es nicht gelingt, das Angebot zu verbessern, bleiben die Züge und Busse leer. Und wo Verbesserungen tatsächlich gelingen, sind die Öffis meist so voll, dass einem die Lust drauf schnell wieder vergeht, es sei denn, man ist mit dem nötigen Phlegma und der zugehörigen Leidensfähigkeit ausgestattet, sich in Zügen mit Stehplätzen zufriedenzugeben, und kann damit leben, in Bim und U-Bahn einer Sardine in der Dose gleich von A nach B transportiert zu werden.

Dabei gibt es freilich immer wieder gelungene Beispiele, wie den Ausbau der Westbahnstrecke zwischen Linz und Wien, der es zumindest, was die Fahrzeit betrifft, für viele weitaus attraktiver macht, auf die Bahn umzusteigen als sich ins Auto zu setzen. Freilich nur, wenn man bereit ist, dann dort Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, die offenbar nicht in den Griff zu kriegen sind -von der notorischen Unpünktlichkeit und verpassten Anschlüssen, über überfüllte Züge, die einem die Fahrt verleiden, bis hin zu verschmutzten, wenn nicht überhaupt versperrten Toiletten. Und diese Bereitschaft ist auch bei Gutwilligen zuweilen rasch erschöpft. Denn man muss immer noch einiges in Kauf nehmen, um überhaupt öffentlich zu fahren.

Selbst in Zentralräumen ist es außerhalb der unmittelbaren Stadtgebiete selten anders. Selbst in so dicht besiedelten Gebieten wie der Region zwischen Linz und Wels etwa -und woanders ist es wohl kaum anders -bleibt an den Haltestellen der Orte dazwischen nur einmal pro Stunde ein Zug stehen, um Fahrgäste aufzunehmen. Und nicht selten muss man erleben, dass man als Regionalpassagier so etwas wie ein Passagier zweiter Klasse ist, für den die Bemühungen um Pünktlichkeit, mit denen sich die Bahn zuweilen rühmt, nicht gelten, weil die internationalen Verbindungen auf den Schienen offenbar Vorrang haben. Verspätungen, die weit über der eigentlichen Fahrzeit liegen, sind da nicht selten und stellen an die Vorsätze auch bestwilliger Passagiere hohe Anforderungen. Ganz abgesehen, dass sie oft zehn und mehr Kilometer bis zum nächsten Öffi-Anschluss ohnehin mit dem Auto fahren müssen.

Das alles hat nicht nur mit Themen wie Unterstützung und Förderung und Ähnlichem zu tun, wie sie immer öffentliche Diskussionen traditionell beherrschen. Das hat auch sehr viel mit der ÖBB zu tun und der Trägheit ihres Apparates. Auch dafür gibt es aus dem Oberösterreichischen ein bezeichnendes Beispiel. Dort dauert es nunmehr schon fast 30 Jahre, um den viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Linz und Wels auf Schiene zu bringen. Auch wenn man inzwischen die Bauarbeiten in Angriff genommen hat, ist das Projekt wegen Rechtsstreitigkeiten noch nicht in trockenen Tüchern. Gar nicht zu reden davon, dass die tatsächlichen Projektkosten überhaupt nichts mehr mit den ursprünglich geplanten Kosten zu tun haben, weil die Kosten in diesen drei Jahrzehnen explodiert sind - so sehr, dass man dem Vernehmen nach inzwischen sogar Gutachten, die man selbst in Auftrag gegeben hat, beeinsprucht, mithin man als gegen sich selbst vor Gericht steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Mai 2025

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