Donnerstag, 26. Juni 2025

Aber ansonsten geht's uns gut

Wien ist nicht mehr die lebenswertste Stadt der Welt. Nach drei Jahren an der Spitze wurde unsere Bundeshauptstadt von Kopenhagen abgelöst und muss sich mit Zürich nun den zweiten Rang teilen. Auch unsere Badegewässer sind, wiewohl immer noch sehr sauber, nicht mehr die allersaubersten. Aber es ist ja schon auch beim Skifahren im Winter nicht ganz so toll gelaufen und unsere Fußball-Nationalmannschaft hat schon geschwächelt, wenn es nicht gerade gegen San Marino ging.

Das alles sind Petitessen und freilich nicht überzubewerten. Aber sie fügen sich in die Entwicklung des Landes, das sich über Jahrzehnte für eine vom damaligen Papst höchstpersönlich ernannte "Insel der Seligen" hielt, das nun seit geraumer Zeit in vielen internationalen Rankings und Vergleichen stetig abrutscht, ohne dieser Entwicklung viel entgegenzusetzen zu haben und entgegenzusetzen zu wollen. Wir zählen inzwischen beim Wirtschaftswachstum, so man das überhaupt so nennen darf, zu den Schlusslichtern in Europa. Wir haben ein riesiges Budget-Defizit und ein EU-Verfahren am Hals. Bei der Produktivität hinken wir nach. Was nicht verwundert, sind doch kaum sonst wo in Europa und auf der Welt die Arbeitskosten so hoch und die Löhne dazu, während die österreichische Industrie, einst Stolz des Landes, mitunter nur mehr ein Schatten ihrer selbst ist und deutlich hinter Ländern wie Polen, Spanien, Frankreich, Slowakei und selbst dem maroden Deutschland hinterherhinkt.

Aber wen kümmert's, stehen wir doch bei den Sozialausgaben überhaupt an der Spitze. Und jetzt heißt es nun auch noch "Österreich -Hotspot der Erderhitzung", weil es kaum wo auf der Welt und schon gar nicht in Europa in den vergangenen Jahren wärmer geworden ist als bei uns. "Im Schnitt ist es 3,1 Grad Celsius wärmer im Vergleich zum vorindustriellen Schnitt -Tendenz steigend", schreiben die Zeitungen, echauffiert nicht nur der Wärme wegen, sondern auch vom Ergebnis des jüngst präsentierten Klimaberichtes.

Und da ist dann noch Graz. Aber ansonsten geht's uns gut. Irgendwie halt. Das Linzer Market-Institut erhob jüngst für den "Standard", dass gut ein Drittel der Bevölkerung die Lebenschancen in Österreich für besser hält als in anderen EU-Staaten und weitere 44 Prozent für zumindest gleich gut. Immerhin und trotz der schrägen Lage. Freilich -"2012 sagten noch 61 Prozent, also etwa doppelt so viele wie heute, dass man in Österreich bessere Lebenschancen hätte als anderswo in der EU", schreibt der "Standard".

Aber was soll's? Gut, nach dem Amoklauf von Graz hat man in der Vorwoche mit einer Verschärfung des Waffengesetzes und anderen Maßnahmen für österreichische Verhältnisse sehr rasch reagiert. Aber sonst? Aufs Tempo drückt man nicht wirklich, um aus der Malaise zu kommen. Auch nicht die neue Regierung, die ja gar nicht mehr so neu ist. Dabei drängt die Zeit eigentlich, sich endlich am Riemen zu reißen, aus der Lethargie herauszukommen, die Bequemlichkeit abzuschütteln und so etwas wie eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, die sich über Gewohntes und Eingefahrenes hinwegsetzt, Schwung und Druck erzeugt und Zuversicht -Ärmel aufkrempeln, statt Kopf in den Sand stecken und sich in den Bunkern überkommener Argumentations-Arsenale zu verbarrikadieren und sich bräsiger Behäbigkeit und starrköpfiger Beharrlichkeit hinzugeben.

Doch wie schafft man das? Wie zieht man die Menschen mit? Möglichst die gesamte Gesellschaft oder zumindest einen Großteil davon? Wie erzeugt man Verständnis dafür und für Maßnahmen, die nötig sind? Wie kann erreicht werden, dass sich die Leute am Riemen reißen und sich nicht nur in Selbstmitleid ergehen und in den alten Eigenschaften, die das Land in den letzten Jahren zu dem gemacht haben, zu dem es geworden ist?

Vielleicht könnte ein Anfang sein, sich nicht gegenseitig bei allem und jedem, das nicht läuft, wie es laufen sollte, die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe zu schieben. Und vielleicht könnte ein Anfang sein, sich nicht hauptsächlich auf die Außenwirkung des eigenen Tuns zu konzentrieren, sondern darauf, Lösungen auf den Weg und dorthin weiterzubringen. Gemeinsam mit den anderen und nicht gegen sie.

Das freilich gilt nicht nur für die Politik, auf die man die Verantwortung dafür gerne abschiebt. Das gilt auch für jeden und jede.

Zu befürchten steht freilich - in beiderlei Hinsicht handelt es sich nicht um mehr als um einen frommen Wunsch.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Juni 2025

Mittwoch, 18. Juni 2025

Nicht nur der Amokläufer lief Amok

"Na und? Bei mir ist jeden Tag Amoklauf?" stand da auf Twitter. Oder "Im russischen Kernland knallt es auch öfter mal, dann ist der ganze Wohnblock weg oder die Familie ausgelöscht - und?" Oder "Das Blut aller 11 Opfer klebt, unabhängig vom Tatmotiv, im gleichen Maß auch an den Händen der Pro-EU-Politiker." Oder "Hier hört man die Schüsse in der Grazer Schule. Das Video wurde in einem Klassenzimmer gefilmt." Oder "Ist das wieder so ein Transgender?" Oder "Warum wird beim Gottesdienst nur den islamischen Opfern Anteilnahme erwiesen? Sind die anderen nichts wert? Dieser salbungsvolle Gottesdienst ist unerträglich".

Was ist in den Köpfen solcher Menschen los? Was da in der vergangenen Woche nach dem Amoklauf in Graz auf Twitter und in anderen Sozialen Medien, aber auch in den Foren von Zeitungen zu lesen war, war nicht nur in der Quantität unerträglich, sondern vor allem auch inhaltlich bestürzend. Man mag sich nicht vorstellen, dass Leute, die so etwas von sich geben, die so denken, so urteilen und solche Schlüsse ziehen, vielleicht in der Umgebung wohnen. Dass sie im Supermarkt vor einem an der Kassa stehen oder im Wartezimmer beim Arzt neben einem sitzen. Freundlich vielleicht und nett sogar, unscheinbar und durch nichts zu erkennen, was in ihren Köpfen los ist. Man mag es nicht fassen. Man ist erschrocken und man ist verwundert. Vor allem aber mag man es nicht glauben.

Aber es ist wohl so. Im Schutz der Anonymität haben immer öfter Menschen keinerlei Hemmungen mehr, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Offen zu sagen, was sich in ihren Köpfen wirklich abspielt, was sie denken, und dass sie fordern und was ihrer Meinung nach getan werden müsste.

Als Österreicherin respektive Österreicher ist man einiges gewohnt und man hat gelernt, dass viele der Landsleute auf doppeltem Boden leben und sich in der Öffentlichkeit ganz anders darstellen, als sie wirklich sind. Aber Graz hat wohl auch in dieser Hinsicht eine neue Dimension aufgezeigt. So viel unverhohlener und ungenierter Hass, und so viel unverhohlene Dummheit auch, hat sich bisher noch nie in der Öffentlichkeit dargestellt. Auch nicht in schlimmsten Corona-Zeiten.

Das kann einem Angst machen. Immer mehr Menschen, die selbst in extremen Situationen zu keiner Empathie mehr fähig sind, sondern nur zu Hass, Bosheit, Rechthaberei und Verachtung. Die jede Auseinandersetzung verweigern und keinerlei Argumente mehr akzeptieren. Die immer öfter für nichts und niemanden mehr erreichbar sind und in ihrer eigenen Welt leben. In einer Welt, zu der auch die Möglichkeit gehört, für andere zur Bedrohung zu werden. So wie der Amokschütze von Graz.

Aber längst ist das nicht mehr das Problem Einzelner, sondern der Gesellschaft. In einem Interview mit den Salzburger Nachrichten spricht die Psychotherapeutin Martin Leibovici-Mühlberger von der "individualistischsten" Welt aller Zeiten und bezeichnet diese Gesellschaft als "von großer Verwirrung geprägt". Die Krisen und Gefahren rundherum drückten die Stimmung in der Gesellschaft, führten zu Instabilität, Angst und Rachegelüsten. "Zudem demontieren wir mit der Hyperindividualisierung, in der das Ich dominiert, die Gemeinschaft." Für sie ist das eine "vielfältig fatale Entwicklung".

Dass es so weit kommen konnte, hat auch mit einer zunehmend Verantwortungslosigkeit in der Politik zu tun, die sich von billigem Populismus treiben ließ und den Menschen oft nicht mehr bieten kann als leere Versprechungen. Sie hat aber auch mit oft verantwortungslosen Medien zu tun, denen um der Quoten und Verkaufszahlen willen nichts zu billig und auch nichts zu blöd ist. Und das hat auch damit zu tun, dass der Gesellschaft der Kompass abhanden gekommen ist, zu dem früher die Kirchen gehört haben, aber auch Universitäten, Schulen, Unternehmen und viele andere Einrichtungen. Ihr Einfluss ist verschwunden, untergegangen oft im billigen Zeitgeist und kaum mehr verteidigt, schon gar nicht mit Erfolg.

Nach dem, was das Land in der Vorwoche erleben musste, kann man die Zuversicht verlieren. Man muss aber nicht. Denn die vergangene Woche zeigte auch bei allem Leid sehr viel Positives. "Wir sind stärker", hieß es bei der Gedenkfeier in Graz. Es wurde auch sehr viel richtig gemacht. Von den Sicherheitskräften angefangen, über die Hilfsorganisationen, den Bundespräsidenten, bis hin zum Schuladministrator -und den vielen, vielen Menschen, die ihre Betroffenheit und ihre Empathie zeigten. Auch in den Sozialen Medien.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juni 2025

Samstag, 14. Juni 2025

Deutscher Verband angelt nach Österreichs Biobauern

Der deutsche Bioverband Naturland, in der Szene ein internationaler „Multi“, greift nach Österreichs Biolandbau. Bio Austria wehrt sich nach Kräften.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Nachdem sich der Markt nach den Rückgängen der vergangenen Jahre wieder gefangen hat und die Absatzzahlen zulegen, herrscht neuerlich Aufregung in der heimischen Bioszene. Seit vergangenem Herbst wirbt der deutsche Biobauernverband Naturland, erst jüngst im Zusammenhang mit einem Verdacht auf einen Bioetikettenschwindel in die Schlagzeilen geraten, unter Österreichs Biobauern um Mitglieder. Nach den Milchlieferanten geht es jetzt vor allem um Erzeuger von Biogetreide.

Es gebe zahlreiche Anfragen, sagt der für Österreich zuständige Josef Brunnbauer von Naturland. Zwei Versprechen stehen dabei im Zentrum: Man biete als Partner von Rewe und Aldi Zutritt zu einem nicht unbedeutenden Teil des deutschen Markts. Und: Naturland sei ein Verband „in dem noch Bäuerinnen und Bauern selbst Richtlinien machen und bestimmen, was hochwertiges Bio ist, und nicht der Handel“. Damit nicht genug, will man die Biobauern auch politisch vertreten. „Wir wollen uns politisch einbringen“, bestätigt Brunnbauer und verweist auf einen „Austausch mit allen relevanten Akteuren“ vom Agrarministerium über die Landwirtschaftskammern bis hin zum Bauernbund, mit dem man sich „schon jetzt“ abstimme. Ob die Bemühungen Erfolg haben, ist offen. Es gibt auch heftigen Gegenwind.

So warnt Franz Waldenberger, Bauernkammerpräsident in Oberösterreich, davor, dass Biorichtlinien für Österreich künftig in Deutschland gemacht werden. „Bei Naturland dürften primär Geschäftsinteressen und nicht jene der heimischen Bauern im Mittelpunkt stehen“, mutmaßt er. Immerhin gilt Naturland, das nach eigenen Angaben weltweit mit 128.000 Bauern und 1500 Handelsunternehmen und Verarbeitern zusammenarbeitet, international als einer der größten Biozertifizierer.

Die heimischen Bauern zeigen sich zurückhaltend. Seit ein Gutteil der Lieferanten der SalzburgMilch und von Woerle und im Vorjahr einige Lieferanten der Berglandmilch zu Naturland wechselten, weil die Molkereien das verlangten, um deutsche Kunden nicht zu verlieren, ist die Zahl der Naturland-Mitglieder in Österreich stabil bei rund 2300. Gut die Hälfte entfällt auf Salzburg. Dass diese Zahl derzeit nicht mehr wächst, hat auch damit zu tun, dass in Deutschland der Biomarkt wieder boomt und der Handel auf spezifische Verbandszertifizierungen wie von Naturland weniger Wert legt, wenn man Bioware denn nur bekommt. Das bestätigen auch Barbara Riegler und Susanne Maier, Obfrau von Bio Austria, dem größten heimischen Biobauernverband, die eine und Geschäftsführerin die andere. „Das hat Druck rausgenommen.“

Riegler und Maier üben sich daher in Gelassenheit, obwohl nicht wenige die Naturland-Aktivitäten in Österreich als Angriff auf Bio Austria sehen. Dem Verband gehören mehr als die Hälfte der 25.000 Biobauern an. „Wir sind ja kein Bio-Entwicklungsland, das auf die Deutschen gewartet hat“, sagen Riegler und Maier. Vielmehr komme Naturland aus einem Land, in dem es „viel mehr Handlungsbedarf als bei uns“ gäbe. Denn während in Österreich 25 Prozent der Höfe und 30 Prozent der Flächen biologisch bewirtschaftet würden, seien es in Deutschland keine zehn Prozent. Zudem habe Bio Austria in Österreich 13.000 bäuerliche Mitgliedsbetriebe und Naturland in Deutschland keine 5000, deutlich weniger als Bioland, der größte deutsche Biobauernverband. Man biete zudem umfassende, auch fachliche Beratung und arbeite zu deutlich niedrigeren Kosten. „Und da kommt jetzt ein Neuer daher, der glaubt, er müsse alles revolutionieren.“ Sie fürchten vor allem um die österreichische Bioqualität, denn die Naturland-Zertifizierung gelte international und mache damit Bioware austauschbar. „Herkunft und Regionalität spielen da keine Rolle.“

Bei Bio Austria spricht man von einer „Konkurrenzsituation“. In Salzburg ist sie am augenscheinlichsten. Dort steht der Landesverband von Bio Austria längst auch unter wirtschaftlichem Druck. Als Bedrohung wollen Riegler und Maier die Naturland-Pläne dennoch nicht sehen. Auch nicht, dass zwischen Hofer und der Naturland Zeichen GmbH Gespräche wegen einer Naturland-Zertifizierung laufen. Sie verweisen darauf, dass die Kosten für die Bauern bei Naturland deutlich höher sind als bei Bio Austria und zitieren nicht ohne Häme aus einem Naturland-Papier den Satz „Die Naturland-zertifizierten Molkereien in Österreich zahlen ihren Lieferanten spezielle Zuschläge, um die Mehrkosten der Naturland-Zertifizierung auszugleichen“, was im Klartext nichts anderes heiße, als dass der höhere Preis nicht in den Taschen der Bauern, sondern in jenen von Naturland lande. Abgesehen davon, dass ein Großteil der Naturland-Milch auf dem heimischen Markt bleibe und dafür oft weniger gezahlt werde.

Trotz der angespannten Situation ist die Gesprächsbasis zwischen Bio Austria und Naturland noch intakt. Man wolle „konstruktiv“ zusammenarbeiten, sagt Brunnbauer. Mit dem Wunsch nach gegenseitiger Anerkennung der Richtlinien, die Bürokratie und Kosten ersparen würde, beißt Bio Austria aber trotz gegensätzlicher Absichtserklärungen von Naturland auf Granit. Einigung gibt es keine. Auf mehr als Doppelmitgliedschaften konnte man sich bisher nicht verständigen. „Naturland gibt mit einer Zertifizierung ein Qualitätsversprechen, das auch viele zusätzliche Tierwohlkontrollen, Sozialstandards und ein starkes System der Qualitätssicherung umfasst“, sagt Brunnbauer.

Bei Bio Austria hält man das für überheblich. „So geht man nicht miteinander um“, sagt Riegler. „Im Prinzip haben wir bis auf wenige Ausnahmen komplett ähnliche Richtlinien.“ Genau das versucht Bio Austria nun deutlicher darzustellen. Gemeinsam mit den großen deutschen Verbänden wie Bioland, Biokreis oder Demeter arbeitet man an einer Allianz zur gegenseitigen Anerkennung der Richtlinien.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Juni 2025

Donnerstag, 12. Juni 2025

Pflichterfüllung in einem ermatteten Land

Am Dienstag dieser Woche war die Regierung 100 Tage im Amt. Aber auch nicht viel mehr. Man scheint immer noch froh zu sein, dass man sich hat. Und auch dass man sie hat und dass das Land Kickl entkommen ist. Das genügt, so scheint es, wohl fürs Erste. Über allen scheint eine Müdigkeit zu liegen und man will jetzt allerorten einmal einfach Großzügigkeit und Ruhe walten lassen. Die spitzen Federn scheinen verräumt zu sein. Die Daueraufgeregtheit hat Pause. Keine Kritik, keine Diskussion, kein Streit gar. "Gepflegte Langeweile", wie eine Beobachterin empfindet. Man habe fast vergessen, wie angenehm normales Regieren sein könne.

Das alles hat etwas für sich. Man kann finden, dass das gut tut. Durchaus. Es tun sich sogar die Freiheitlichen schwer damit, für Wirbel zu sorgen. Und die Grünen auch, die jetzt wieder in alten Mustern und unter neuer Führung ihr Heil zu finden suchen. Sie werden gehört. Das ja. Aber sie regen nicht mehr auf. Derzeit jedenfalls nicht.

Das Land will, so scheint es, offenbar jetzt einmal Ruhe. Man ist erschöpft von den vergangenen Jahren und ihren Zumutungen, Aufregungen und Aufgeregtheiten. Man ist müde, über Politik zu streiten, man lässt geschehen. Aber langsam ist doch zu fragen, ob man damit zufrieden sein kann? Ob das wirklich gut ist? Oder ob es nicht doch ein schlechtes Zeichen ist? Und -ob es uns, ob es dem Land etwas nutzen wird?

Über die Performance der Dreierkoalition wird, gleichsam passend zur Befindenslage, wenig geredet. Und wenn geredet wird, ist man doch milde gestimmt und um Unaufgeregtheit bemüht. Auf allen Seiten. Von einem "überraschend harmonischen Zweckbündnis" schreiben Zeitungen. "Man hat zumindest einmal die Pflicht hinbekommen in den ersten 100 Tagen", sagt der Analyst im Fernsehen, der Wirtschaftsprofessor fügt mit Blick auf den Budgetpfad, auf den man sich einigte, an: "Was bis jetzt gemacht wurde, ist wertzuschätzen", und eine Zeitung fasst zusammen, was Stimmung und Lage wohl am besten trifft - "Die ersten 100 Tage überstanden". Das ist nicht nichts.

Man schläft nicht. Das nicht. Man ist damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften der Politik der vergangenen Jahre auszuräumen und in den Griff zu bekommen (Stichwort: Sparpaket) und zumindest das eine oder andere Wahlversprechen umzusetzen -vom Mietpreisdeckel, dem Aus für die Bildungskarenz, Handyverbot in Schulen bis hin zu den dichteren Grenzen und Beschränkung des Familiennachzugs bei Migranten.

Das mag man für gut und richtig finden, aber das sind nicht mehr als Fingerübungen gegenüber dem, was wirklich notwendig ist. Etwas, was allenfalls repariert, aber sicher nicht das, was dem Land eine neue Richtung gibt und ein Ziel, oder gar etwas, was für den nötigen Schub für die kommenden Jahre sorgt.

Bewegung schaut anders aus. Jedenfalls nicht wie ein Aufbruch, auf den man nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in vielen anderen Bereichen wartet. Danach ist die Stimmung jedenfalls nicht. Warum auch, mag man fragen, wo doch jetzt erst einmal alle mit der Ruhe zufrieden sind.

Das Dösen im Land spiegelt sich auch in den Umfragen wider. Keine Ausreißer nach oben oder unten. Keine Veränderungen. Stillstand. Alles wie gehabt. Immerhin, kann man dazu sagen. Die Meinungsforschung verortet angesichts der jüngsten Umfragedaten die Zustimmung zur Regierungsarbeit als "mäßig". Die politischen Verhältnisse scheinen eingefroren. In der Sonntagsfrage ermittelten die Meinungsforscher von OGM für den Kurier die Freiheitlichen mit 32 Prozent weiterhin unangefochten an der Spitze, gefolgt von der ÖVP mit 22, der SPÖ mit 21 und den NEOS mit 12 Prozent. Und wohl auch bezeichnend - Christian Stocker kommt über die Werte seiner Partei nicht hinaus, hat also mithin bisher keinen Kanzlerbonus.

Das wird sich vielleicht jetzt doch ändern, wurde doch bei der Landeshauptleutekonferenz Ende der Vorwoche in Salzburg eine neue Phase im Zusammenleben der Koalition gestartet. Nach den Sparplänen soll es nun um Reformen gehen.

Man darf neugierig sein und kämpft damit, die Skepsis im Zaum zu halten. Schließlich ist man ja in Österreich. Und da kann man nur inständig hoffen, dass man nach der Ruhe-und Besinnungsphase der vergangenen Wochen nun wirklich zu neuen Ufern aufbricht -und nicht in alte Muster zurückfällt. Und Österreich Österreich bleibt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Juni 2025


Samstag, 7. Juni 2025

Bauern wehren sich gegen neue Auflagen

Man pocht auf die Anerkennung bisheriger Leistungen für die Umwelt:80 Prozent nehmen freiwillig am Umweltprogramm teil.

Hans Gmeiner

Linz. In der europäischen Agrarpolitik laufen die Vorarbeiten für die nächste Agrarreform ab 2028 längst auf Hochtouren. Ende Juni will der neue Agrarkommissar ein erstes Konzept präsentieren. Überall werden Positionen abgesteckt, um nicht unter die Räder zu kommen. Budgetnöte auf EU-Ebene, aber auch auf nationaler Ebene spielen einstweilen keine Rolle. „Die Situation ist herausfordernd“, sagt Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer. Dabei geht es ihm nicht nur um die „Beibehaltung einer starken gemeinsamen Agrarpolitik samt ausreichend ausgestattetem Budget“, sondern vor allem auch um eine Absicherung des österreichischen Agrarumweltprogramms ÖPUL. Er verlangt, dass dieses Programm als Vorleistung für die Renaturierungspläne der EU, die bei den Bauern für Aufregung sorgen, anerkannt wird. Klar ist für Moosbrugger schon jetzt: „Ohne zusätzliches Geld einfach von den Bauern mehr zu verlangen, das wird nicht funktionieren.“

Das ÖPUL ist mit einem Anteil von rund 25 Prozent an den gesamten Agrarförderungen in Österreich ein wichtiger Bestandteil der bäuerlichen Einkommen. Etwas mehr als 600 Millionen Euro fließen derzeit jährlich über das von EU, Bund und Ländern gemeinsam finanzierte Programm auf Österreichs Bauernhöfe und in landwirtschaftliche Einrichtungen. Rund 16 Mrd. Euro waren es insgesamt bisher seit dem EU-Beitritt Mitte der 1990er-Jahre. Mit dem Geld sollen in erster Linie der Mehraufwand und Ertragsminderungen abgegolten werden.

Die Bauern beschränken sich im Rahmen dieses Programms im Gegenzug bei Düngung und Pflanzenschutz, legen Winterbegrünungen, Blühflächen und Brachen an, kümmern sich um den Erhalt seltener Tierrassen oder wirtschaften überhaupt biologisch. Insgesamt 26 Maßnahmen werden im Rahmen dieses Programms angeboten. Das Konzept, für das Österreich in ganz Europa als Vorbild gilt, funktioniert. Es hilft nicht nur den Bauern, sondern auch der Umwelt. „Wir Bauern sind die mit Abstand größten Umweltschützer Österreichs“, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger selbstbewusst. „Da könnten sich manche, die immer vom Umweltschutz reden, eine Scheibe abschneiden.“

Die Landwirtschaft, die sich angesichts des beständigen wirtschaftlichen Drucks schwertut, die immer neuen Forderungen nach noch mehr Auflagen zu verstehen, kann ihre Position mit Zahlen unterlegen. Insgesamt nehmen rund 80 Prozent der Bauern freiwillig am Umweltprogramm teil. Tendenziell mehr die im Westen des Landes, tendenziell weniger die in den östlichen Bundesländern. Spitzenreiter mit einem Anteil von 86 Prozent ist Oberösterreich.

Immer wieder werden Untersuchungen veröffentlicht, in denen Fortschritte in die richtige Richtung nachgewiesen werden, die mit dem Umweltprogramm in Zusammenhang stehen. Der Bogen reicht dabei von Verbesserungen in der Biodiversität und in der Artenvielfalt bis hin zur Verbesserung der Böden und zur Erosionsverringerung. Das Landwirtschaftsministerium verweist darauf, dass sich der Farmland Bird Index, der als Indikator für die Vogelvielfalt im Kulturland gilt, nach Jahren des Rückgangs wieder stabilisiert hat. Nicht zuletzt steht damit auch in Zusammenhang, dass die Emissionen im Sektor Land- und Forstwirtschaft seit 1990 um rund 16 Prozent zurückgegangen sind. Insgesamt werden derzeit rund 240.000 Hektar als Biodiversitäts- und Naturschutzflächen und als Ackerbrachen ausgewiesen. Das sind rund fünf Prozent der gesamten Acker- und Grünlandfläche.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Juni 2025
 
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