Donnerstag, 28. August 2025

Freiheitliches Treiben

Die Rating-Agentur Moody 's hat Österreich heruntergestuft. Von "stabil" auf "negativ". Als Gründe wurden die anhaltende und erhebliche Schwächung der Finanzkraft Österreichs genannt. Es sei von einer steigenden Staatsverschuldung auszugehen, zudem könnten die alterungsbedingten Ausgaben und Zinskosten höher ausfallen als erwartet.

Das Echo im Land war bescheiden, die Meldungen in den Medien klein. Und von der Politik war gleich gar nichts zu hören. Man hatte anderes zu tun. Wie immer möchte man sagen. Die Anwendung der Scharia bei einem Vertrag regte auf, obwohl das in der Rechtswelt immer eine Möglichkeit war, die ganz normal war. Aufgeregtheit allerorten von den Freiheitlichen bis zur Kanzleramtsministerin. Reflexartig und ohne sich lange um Sachlichkeit zu kümmern. Man glaubte, was man immer glaubt -Empörung zu zeigen zieht.

Man hält das für Politik. Genauso wie man für Politik hält, wenn man eine Umfrage hinausposaunt, der zufolge angeblich 59 Prozent der Österreicher für ein "ausländerfreies Schwimmbad" sind, oder zum Skandal macht, wenn der Vizekanzler zum Abschied seines Vorgängers im Amt zu einem Buffet lädt, das angeblich 2.000 Euro gekostet hat. Oder wenn man versucht, mit dem Slogan "Unsere Kinder geben wir nicht" Panik zu schüren, dass österreichische Soldaten in der Ukraine zum Einsatz kommen könnten. Das passt zu einem Verständnis, dass 827 parlamentarische Anfragen zur Covid-Zeit oder tausende Fragen zu Geldflüssen an Ministerien als Politik gelten.

All solche Themen, auch, dass ÖVP-Klubobmann Wöginger nun doch vor den Richter muss, mögen wichtig sein, aber warum können sie so viel Platz einnehmen und warum wird ihnen so viel Platz gegeben in einer Zeit, wo das Land viel größere Probleme plagen? Warum können sie nicht geordnet, wie es vorgesehen ist, abgearbeitet werden, um frei zu sein für die wirklichen Themen, bei denen es ums Fortkommen geht, um die Zukunft? Bei der Teuerung, bei den Energiekosten, bei Wirtschaft und Industrie, im Gesundheitswesen, bei den Pensionen oder bei staatspolitischen Themen wie der Neutralität.

Ein "Kraut-und Rüben-Untersuchungsausschuss", wie die FPÖ einen wollte, um mit Pilnacek und Covid ein Dauerthema zu schaffen, hilft da nicht. Und auch kein Badeverbot für Ausländer, kein Kopftuchverbot und auch kein loses Gerede von einer Festung Europa. Das alles frisst nur unnötig politische Energie und Kapazitäten, blockiert und bindet politische Lösungskraft, die angesichts der Probleme, die das Land hat, dringend gefordert ist. Abbeißen kann man sich davon nichts, kaufen auch nicht und billiger wird schon gar nichts davon.

Österreichs Politik bewegt sich vornehmlich auf Nebengleisen. Dass das so ist, daran hat die Freiheitliche Partei einen großen Anteil. Sie hat sich darauf verlegt, Empörung zu erzeugen und zu kanalisieren, um davon zu leben. Und das, ohne irgendwelche Lösungen zu bieten, ohne Kompromissbereitschaft zu zeigen und ohne Willen zu irgendeiner Zusammenarbeit. Was mit Jörg Haider begann, hat Kickl in den vergangenen Jahren perfektioniert. Eines der Probleme Österreichs ist, dass sich die anderen Parteien davon anstecken und sich in einen ziel-wie erfolglosen Populismus verstricken haben lassen. Und man fragt sich, warum das geschehen konnte.

"Kinder, wir haben zu tun!", möchte man hie und da den Akteuren zurufen. Die Inflation plagt und die Energiekosten auch, Wirtschaft und Industrie klagen und das Gesundheitswesen zerbröselt, ganz abgesehen davon, dass wir in Europa zu den Hinterbänklern gehören. Wir, die einstige Insel der Seligen.

Schmerzlich vermisst man Macher in der Politik. Leute, die ihren Weg gehen und Leute, die sich nicht rausbringen und die sich nicht treiben lassen. Sie sind selten geworden in der Politik, für die sich kaum mehr wer hergeben will. Und gibt es einmal dennoch welche, die man für Macher hält und denen man zutraut, sich durchzusetzen, kommen sie schnell in Gefahr und straucheln wie etwa Sepp Schellhorn.

Es fehlt an einer klaren Politik im Land und auch an Machern, die ihren Weg gehen -freilich auch die nötige Unterstützung von der Öffentlichkeit und von den Medien. Die ist viel zu selten zu finden, lechzen doch alle viel zu sehr nach Sensationen.

Das ist Kultur geworden im Land. Leider. Über die wirklichen Probleme will man lieber nicht reden. Nirgends. Weil man Konflikte vermeiden will. Weil man zu feig ist. Aber auch, das muss auch gesagt sein, weil man keine wirklichen Ideen hat oder nicht das nötige Rückgrat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. August 2025

Donnerstag, 14. August 2025

Trugbilder allerorten

Es ist Sommer. Es ist Urlaubszeit. Es ist Österreichs Zeit. Eigentlich. Aber das Glück hält sich in Grenzen. Das Wetter im Juli vergällte vielen die Freude über die Zeit, die vielen als die schönste im Jahr gilt. Den Urlaubern vor allem, aber auch denen, die davon leben. "Wechselhaft" fällt die Bilanz der ersten Halbzeit dieses Sommers auch für den Tourismus aus. Man hoffe nun auf einen Goldenen Herbst, heißt es und würde es großes Glück nennen, wenn man das Vorjahresergebnis halten könnte.

Das alles verwundert nicht nur wegen des Wetters nicht. Die Preise in der Hotellerie und Gastronomie sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen. Man kennt die Diskussion - die Kosten sind es, die davonlaufen. Für die Löhne, für die Lebensmittel, für die Energie.

Wiewohl - ist das immer die passende Erklärung? Wer aus Italien heimkommt, wird nicht müde die Geschichten von den Cappuccini und Espressi zu erzählen, die nur einen Bruchteil von dem kosten, was man hierzulande auf den Tisch legen muss dafür. Man schwärmt von den günstigen Mahlzeiten und den leistbaren Hotelzimmern. Und man wundert sich. Die sind doch auch bei der EU, warum geht dort, was bei uns nicht geht, fragt man sich, zunehmend mit mürrischem Unterton.

Es ist aber nicht alleine das. Auch hierzulande sind die Preisunterschiede oft extrem groß. So groß, dass den potenziellen Gästen oft die Lust vergeht. Zum einen, weil sie nicht nachvollziehen können, warum das so ist. Und zum anderen, weil sie sich nicht selten über den Tisch gezogen fühlen. Neulich machte im Freundeskreis das Foto einer Speisekarte aus dem Mühlviertel die Runde. "Wiener Schnitzel vom Schwein mit Pommes oder Reis und Kartoffeln - € 8,90" und viele ähnlich günstige Angebote waren da aufgeführt. Wirtshauspreise wie früher. "Sachen gibts" stand unter dem Bild und "Sehr gut war's".

Wie geht das und warum geht das? Es soll hier nicht um die gehen, die Tolles anbieten und großartige Arbeit leisten. Es soll vielmehr um die Trittbrettfahrer gehen, die, die es sich einfach machen und die wenig Skrupel haben, den Gästen einfach das Geld aus den Taschen zu ziehen. Von denen mag keiner reden, obwohl es immer noch viel zu viele davon gibt und die auch dem Ruf des Urlaubslandes Österreich schaden.

Der Groll und die Unzufriedenheit verwundern dann nicht, wenn man ein teures Schnitzel auf dem Teller liegen hat, dessen Panier in der Marinade des Salats schwimmt, der am selben Teller von einem mürrischen Kellner auf den Tisch geklatscht wurde - und für das man weit mehr als das Doppelte des Preises für das Schnitzel im Mühlviertel bezahlen soll.

Denn die Gastronomie -und auch die Hotellerie -haben nicht nur ein Problem mit den Kosten und den Preisen. Sie haben oft auch eines mit der Qualität und mit der Freundlichkeit, die entweder nicht vorhanden oder oft nur picksüß und gespielt ist. Was man hierzulande aufgetischt bekommt, entspricht viel zu oft immer noch nicht den heutigen Standards. Und schon gar nicht dem, was man verspricht. Nicht beim Essen. Und auch nicht bei den Zimmern. "Ostblockcharme" bescheinigte kürzlich der Chefredakteur eines Wochenmagazins einer Hotel-Unterkunft am Attersee und befand es, gnädiger als von ihm gewohnt, als "fast schon wieder cool um 220 Euro das Doppelzimmer". Es ist, jeder weiß es, wohl nur eines von ganz vielen Zimmer, die es in dieser Art, dieser Zumutung und dieser Anmaßung immer noch gibt in Österreich.

Gastronomie und Hotellerie sind freilich nicht die einzigen Bereiche, wo Österreich aufpassen muss, nicht Fehleinschätzungen und Selbstbetrug aufzusitzen. Der Bogen reicht von mauen Freizeitangeboten in den Urlaubsregionen bis zur schlechten Ausschilderung von Wander-und Radwegen.

Und dann ist da noch das Thema, das man oft schon gar nicht wahrhaben will. "Warum ist Österreich so schiach?" fragte kürzlich sogar die noble "Presse" ganz derb und traf damit einen Punkt, den viele in diesem Land gar nicht sehen wollen. Österreich hat fraglos wunderbare Landschaften und schöne Orte und Städte. Aber die Hässlichkeiten, die man diesen Landschaften und Orten antut, sind immer öfter kaum mehr zu übersehen. Da bleibt oft nur mehr wenig zu erkennen von den Bilderbuchbildern aus den Hochglanzmagazinen und Instagrampostings, wenn man vor Ort ist. Viele zu oft sind da nur geschundene Landschaften, Ortschaften und Städte, die ihr Herz und ihre Herzlichkeit längst verloren haben - und zum Trugbild geworden sind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. August 2025

Mittwoch, 13. August 2025

Ungleicher Kampf um Platz im Gemüseregal

Strenge Auflagen beim Pflanzenschutz, hohe Lohnkosten und Ware aus Billiglohnländern machen Gemüse- und Obstbauern zu schaffen.

Hans Gmeiner

Fraham, Linz. Die Ackerbauern klagen schon lange über fehlende Pflanzenschutzmittel. Bei vielen Mitteln ist die Zulassung ausgelaufen, Neuzulassungen von Wirkstoffen gibt es praktisch kaum mehr. Der Anbau von Zuckerrüben und von Raps leidet besonders darunter. Die Anbauflächen haben sich halbiert, weil man mit den Schädlingen nicht mehr zurande kommt.

Den Gemüsebauern geht es mit dem Pflanzenschutz nicht anders. Es gibt mittlerweile keinen Bierrettich mehr in Österreich, und auch bei den Radieschen gibt es wegen der zerfressenen Blätter Probleme. Der Kartoffelbau steht unter Druck. Und wegen der hohen Lohnkosten in Österreich und Auflagen leidet der Anbau von Gurken und Gurkerln, Kraut und anderen handarbeitsintensiven Gemüsearten.

Diese Probleme brennen Bauern schon länger unter den Nägeln. Vor allem die jungen Bäuerinnen und Bauern hadern damit, fürchten sie doch um ihre Zukunftschancen. „Es fehlen uns zunehmend die Möglichkeiten, die Produktion aufrechtzuerhalten“, sagt Mathias Ecker, Gemüsebauer im Eferdinger Becken und oberster Bauernvertreter bei Efko, dem größten heimischen Sauergemüseerzeuger. „Das ist keine Jammerei, sondern mittlerweile bittere Realität“, viele Bauern seien verunsichert. Ins gleiche Horn stößt die Jungbauern-Vertreterin Viktoria Hutter aus Niederösterreich: „In Österreich werden immer mehr Pflanzenschutzmittel verboten, ohne dass praxistaugliche Alternativen bereitgestellt werden.“

Sie sind es leid, zusehen zu müssen, wie in anderen EU-Ländern die Gesetze weniger streng ausgelegt werden als in Österreich, gar nicht zu reden von den Produktions- und Sozialstandards in Ländern wie der Türkei oder in Indien, gegen deren Produkte sich heimische Ware in den Regalen behaupten muss. Typisch dafür ist die Geschichte des heimischen Essiggurkerls. Sind früher 80 bis 90 Prozent der Gurkerl aus Österreich gekommen, so sind es nach Angaben von Efko-Chef Thomas Krahofer heute gerade einmal 45 bis 50 Prozent. „Vor allem bei den Eigenmarken des Handels wird zunehmend auf Importware aus Indien und der Türkei zurückgegriffen.“ Aber der Gemüseverarbeiter hat auch mit den hierzulande höheren Lohnkosten zu kämpfen. „Wenn ein Erntehelfer 2000 Euro brutto bekommt, dann kostet das in Deutschland einen Betrieb 2400 Euro, bei uns aber 2700 Euro.“ Das führe dazu, dass die Produktion in manchen Bereichen stetig zurückgehe, beklagen Ecker und Hutter. So ging in den vergangenen 15 Jahren der Selbstversorgungsgrad bei Getreide von 92 auf 88 Prozent zurück. Bei Obst sank er von 52 auf 45 Prozent, und bei Gemüse von 61 auf 58 Prozent.

„Noch sind wir daran gewöhnt, dass die Regale unserer Lebensmittelgeschäfte gut gefüllt sind mit österreichischen Lebensmitteln“, sagt Robert Pichler von „Wirtschaften am Land“, einem Verein aus dem Umfeld des ÖVP-Bauernbunds. Gerade die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher auf die Bauern verlassen können. Aber das könnte sich ändern. Noch sei die Versorgungssicherheit hoch, die Covid-Krise und der Ukraine-Krieg hätten aber bewusst gemacht, dass das nicht selbstverständlich sei.

Bei der Politik finden die Bauern offenbar wenig Gehör. Und das, obwohl im Landwirtschaftsministerium seit den 1990er-Jahren durchgehend ein vom ÖVP-Bauernbund gestellter Minister die Hebel in der Hand hatte und auch die Agrarressorts in den Bundesländern bis auf wenige Ausnahmen durchwegs in Händen der Bauern waren. Die Erklärungen dafür wirken eher dünn. Man verweist auf Brüssel und die EU sowie darauf, dass bei Themen wie Tierschutz das Gesundheitsministerium und für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaftsminister zuständig sind. Und dass andere EU-Länder mit den Vorschriften salopper umgehen, während man in Österreich der Bravste der Braven sein wolle.

Salzburger Nachrichten, 13. August - Seite 1/Wirtschaft
 
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