Freitag, 5. September 2025

Der ewige Kampf der Bauern mit der EU

Die Aufregung bei den Bauern über die Pläne zur EU-Agrarpolitik hat sich noch nicht gelegt. Nun droht mit dem Mercosur-Abkommen der nächste Schlag.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Das Verhältnis von Österreichs Landwirtschaft zur Europäischen Union war immer wieder von starken Spannungen geprägt. Derzeit kommt es aus Sicht der Bauern besonders dick. Wenige Wochen nachdem die EU-Kommission ihre Pläne für das neue Budget und die künftige Agrarpolitik vorstellte, kommt mit der Nachricht, das Mercosur-Handelsabkommen abschließen zu wollen, die nächste Hiobsbotschaft für Österreichs Agrarier.

Die Ablehnung folgte prompt. Der Mercosur-Vertrag laufe den Bestrebungen zur Absicherung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft völlig entgegen, machte der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, seinem Ärger Luft. Am Parlamentsbeschluss, gegen das Abkommen zu stimmen, dürfe nicht gerüttelt werden.

Klar abgelehnt werden auch die Pläne für die nächste Budgetperiode. Dass die EU-Kommission behauptet, ihre Pläne für die gemeinsame Agrarpolitik in der Zeit nach 2027 würden Landwirten ein faires Einkommen und für die Verbraucher sichere und erschwingliche Lebensmittel sowie den Schutz der Umwelt bringen, sehen die Bauern völlig anders. Sie zweifeln auch die Ankündigung von einfacheren Vorschriften und Garantien für die Ernährungssicherheit und „lebendige“ ländliche Gebiete an.

Bauernvertreter und auch der zuständige Minister fahren schwere Geschütze auf. Moosbrugger nennt die EU-Kommission den „Totengräber der Landwirtschaft“, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig spricht davon, dass der Vorschlag das „österreichische Erfolgsmodell in der Landwirtschaft“ gefährde.

Verantwortlich für die Aufregung sind vor allem die geplante Kürzung der Mittel aus Brüssel und das Abgehen von der Zwei-Säulen-Struktur der Agrarpolitik, von der Österreich wie kaum ein anderes EU-Mitgliedsland profitierte, waren damit doch die Gelder für das Umweltprogramm, die Bergbauernförderung und viele andere Programme, die fast die Hälfte der Bauernförderungen ausmachen, abgesichert.

Die geplanten Änderungen haben es in der Tat in sich. Die bisher eigenständige Agrarpolitik wurde zusammen mit den Bereichen Regionalpolitik, Migration und Sicherheit in einen neuen Fonds gepackt. Für die Agrarpolitik sind dort für die Jahre 2028 bis 2034 insgesamt 302 Mrd. Euro für Direktzahlungen an die Landwirtschaft vorgesehen. Das sind rund 90 Milliarden Euro weniger als bisher. Die für Österreich so wichtige Förderung für die Umweltprogramme und die Bergbauern soll in dem Fonds aufgehen. Die Kommission will dafür künftig nur ein Minimum an Auflagen vorgeben. Alles, was darüber hinausgeht, sollen die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen können. Deswegen schrillen nicht nur in Österreich die Alarmglocken, fürchtet man doch damit das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik und eine Verzerrung des Wettbewerbs.

In Österreich rechnet man damit, dass für die Bauern in Zukunft rund 20 Prozent weniger an Geldern aus Brüssel zur Verfügung stehen könnten. Den Landwirten könnten damit bis zu 260 Mill. Euro fehlen, die wohl kaum aus dem ohnehin zum Zerreißen angespannten Budget ausgeglichen werden können.

Was sich für die Bauern konkret ändern soll, ist noch schwer abzusehen. Fix scheint vorerst nur, dass es eine Förderobergrenze von 100.000 Euro pro landwirtschaftlichem Betrieb und darunter eine deutliche Staffelung der Gelder nach Betriebsgröße geben soll. Vieles ist aber noch unklar und wenig konkret. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Es gibt aber auch zuversichtliche Stimmen. Sie gehen davon aus, dass die Kürzungen vor allem nicht bäuerliche Einrichtungen und Projekte treffen werden, die Bauern hingegen kaum.

Die Verhandlungen über die Kommissionsvorschläge, für die die Politik jetzt zwei Jahre Zeit hat, werden es wohl in sich haben. Nicht nur in Österreich, auch in anderen EU-Staaten und im EU-Parlament formiert sich Widerstand. Der Bauern- und Genossenschaftsverband Copa/Cogeca wirbt europaweit für die Unterzeichnung einer Petition gegen den Vorschlag. Da und dort gibt es warnende Stimmen vor neuen Bauernaufmärschen.

Die Aufregung ist nachvollziehbar. Die Situation der Bauern ist seit Jahren angespannt. Viele sehen für ihre Zukunft schwarz, fühlen sich überfordert. Auch in Österreich. Während es für die Rindfleisch- und Milcherzeuger seit geraumer Zeit einigermaßen passabel läuft, leiden die Schweinebauern und vor allem die Ackerbauern unter den niedrigen Preisen und hohen Kosten. Zudem kämpft man mit der Umstellung auf tierfreundliche Stallungen, mit Preisdruck, ständig neuen Auflagen, Billigimporten und mit mangelnder Wertschätzung. Nun kommen die Sorgen um die Folgen des Mercosur-Abkommens und der Zollpolitik der USA dazu. In der Branche hofft man auf Verständnis dafür, dass „Nachhaltigkeit und Eigenständigkeit in der Lebensmittelversorgung ein Auftrag für die Landwirtschaft sind“. Nachsatz: „Aber der muss auch abgegolten werden.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. September 2025

Donnerstag, 4. September 2025

Von "Deckeln" - und von Pharisäern

Was wurde nicht alles angekündigt, was bei der Regierungsklausur in dieser Woche Thema sein sollte. Allerhand "Bremsen" und allerhand "Deckel", um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Manche zeigten kaum Scheu Pläne zu ventilieren, um in Märkte und Eigentum einzugreifen. Es kam viel vor, das manchen verwunderte, es kam aber eins nicht vor: es war keine Rede von einer Bremse oder gar Deckelung bei den öffentlichen Gebühren, keine Rede davon, dass die öffentliche Hand bei sich selbst spart und damit zur Dämpfung der Inflation beiträgt. Dabei lieferte just die Stadt Wien dafür einen Tag vor Beginn der Klausur ein eindrückliches Beispiel mit der Ankündigung, die Preise für Öffi-Tickets und fürs Parken um bis zu 30 Prozent und zum Drüberstreuen auch die Tourismusabgabe kräftig anzuheben. Just das rote Wien. Dort, wo die regieren, die sonst am liebsten sofort eingreifen würden, wenn ihnen irgendwo etwas zu teuer ist.

Aber das passt zum arglosen Umgang der öffentlichen Hand mit der Teuerung. Auch der Strom wurde um mehr als dreißig Prozent teurer. Dabei lernte man doch seinerzeit, dass die Energieversorgung in der öffentlichen Hand bleiben müsse, um nicht schutzlos den doch oft ach so bösen Märkten ausgeliefert zu sein. Nun, man weiß inzwischen, dass der Hase anders läuft, dass die Gesellschaften, die zumeist im Eigentum der Länder und auch des Bundes stehen, das anders sehen und dass die Landeshauptleute gerne die Hände in Unschuld waschen. Dabei ist der Anteil der nach dem Wegfall der Strompreisbremse gestiegenen Strompreise an der Inflation ungefähr genauso hoch wie der, der der viel gescholtenen Hotellerie und Gastronomie zugeschrieben wird.

Anders als beim Strom mag es beim Einfluss der öffentlichen Gebühren auf die Teuerung insgesamt um deutlich weniger gehen. Allein, aber nicht nur der Symbolik wegen, wäre es angebracht gewesen, auch dieses Thema auf die Tagesordnung der Regierungsklausur zu nehmen.

Denn was die öffentlichen Stellen den Bürgerinnen und Bürgern gerade in den vergangenen Monaten abverlangt haben, war nicht nur in Wien und nicht nur wegen der aktuellen Ankündigungen nicht nichts. Alleine im Juli betrug der Preisanstieg der Gebühren, die von den Verwaltungseinrichtungen eingehoben wurden, nicht weniger als 74 Prozent, ermittelte die Statistik Austria.

Da verwundern Schlagzeilen wie "Staat heizt Teuerung zusätzlich an" nicht, die in den vergangenen Wochen immer öfter zu sehen waren. Die Gebühren für Reisepässe, Personalausweise und für den Führerschein wurden kräftig angehoben. Und wer dem entkommen ist, hat in diesen Wochen und Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit kräftigen Erhöhungen der Wasser-, Abwasseroder Müllgebühren zu kämpfen.

Vielen Kommunen mag man zugutehalten, dass sie rund um und nach Corona lange zuwarteten mit Erhöhungen. Dass aber nichts davon zu hören ist, dass man einsparen will, ist dennoch auffällig. Laut Agenda Austria legten die Einnahmen seit 2019 um 31,3 Prozent zu, um knapp sechs Prozent über der Inflationsrate in diesem Zeitraum. Die Ausgaben wuchsen gar um 38,6 Prozent und damit um 13 Prozent mehr als die Inflationsrate. Und tief blicken lässt auch ein Satz aus einer Analyse des Wirtschafts-Think-Tanks: "Seit 2008 sind fast 22.000 Vollzeitposten hinzugekommen, das ist ein Anstieg um fast ein Fünftel." Vor allem beim Wiener Rathaus, wo der Anstieg kein Ende zu nehmen scheint, spart man nicht mit Häme: "Haben sie denn heute mehr Aufgaben zu erfüllen als vor 15 Jahren?"

Am Potenzial kann es kaum liegen, dass man nichts zur Verringerung der Teuerung beitragen kann. Das alleine zeigt schon ein Vergleich der Müllgebühren, den die Stadt Wien anstellte. Warum kommt Salzburg mit einem Drittel der Gebühren für den Restmüll aus und Wien mit knapp der Hälfte dessen, was den Einwohnern St. Pöltens abgeknüpft wird. Und warum machen die Kanalgebühren in Bregenz für einen 2-Personen-Haushalt nur 157 Euro aus, in Wien 236 Euro, in Klagenfurt aber 418 Euro?

Und wenn von der öffentlichen Hand die Rede ist, sollte man auch von den Sozialpartnern reden. Gerade von jenem, bei dem gerne "Deckel" gefordert werden und bei dem man sich besonders laut Sorgen um Preise macht. Die Arbeiterkammer lukrierte im Vorjahr aus der Arbeiterkammer-Umlage mit insgesamt 653 Millionen um 7,4 Prozent oder 45 Mio. Euro mehr als im Jahr zuvor. Ach ja -und die Personalkosten legten um zehn Prozent zu.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2025
 
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