Donnerstag, 27. Juni 2013

Neue Regeln für die Bauern




Die EU-Landwirtschaft wird grüner. Österreichs Bauern, Vorbild dafür, hätten fast draufgezahlt.

Die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP) kämpfte in den vergangenen Tagen um ihre Gelassenheit. „Demokratie ist ganz schön anstrengend“, sagt die Kärntnerin, die als Berichterstatterin im Agrarausschuss des EU-Parlaments das Ringen um die EU-Agrarreform hautnah miterlebte. Erstmals durften die Parlamentarier bei einem großen Thema wie der Gestaltung der europäischen Landwirtschaftspolitik für die Jahre 2014 bis 2020 mitreden. Und entsprechend schwierig gestaltete sich die Entscheidungsfindung. Seit Mittwoch scheint aber alles unter Dach und Fach zu sein. Nach Dutzenden Abstimmungsrunden einigte man sich auf eine Reform der europäischen Agrarpolitik. Informell freilich nur. Denn, ob gültig wird, was ausgemacht wurde, liegt in der Macht des Plenums des EU-Parlaments, das die endgültige Ausgestaltung des EU-Finanzrahmens abwarten will. Nicht alle Beobachter sehen daher die Agrarreform bereits in trockenen Tüchern. Im Frühjahr hat das Plenum schon einmal Vereinbarungen des Agrarausschusses gekippt.

Einstweilen freut man sich, ein Ergebnis vorweisen zu können. Die Bauern in ganz Europa warten seit Langem darauf. Sie wollen wissen, worauf sie sich einstellen müssen. Bisher wissen sie nur, dass es für die nächsten sieben Jahre aller Voraussicht nach um 50 Mrd. Euro weniger für die Landwirtschaft geben wird. Das legten die EU-Staats-und Regierungschefs im Februar fest.

Die nunmehr geplante Reform ist kein großer Schnitt, sondern die Weiterentwicklung der bisherigen Agrarpolitik. Mit weniger Geld soll die Landwirtschaft in Europa in Zukunft grüner werden. Die Ausgleichszahlungen werden EU-weit stärker an die Einhaltung von Umweltmaßnahmen gebunden. Geplant ist auch, die Hektarprämien der Bauern EU-weit sukzessive anzugleichen. Die Zahlungen für Großbetriebe sollen ab 150.000 Euro in Fünf-Prozent-Schritten reduziert werden. Die Einführung einer Obergrenze von 300.000 Euro scheiterte an Ländern wie Deutschland oder Großbritannien. Für bisherige Trittbrettfahrer des Fördersystems, wie Flughäfen oder Golfplätze, soll es künftig keine Agrargelder mehr geben.

Für die Märkte kommen von der Agrarreform unterschiedliche Signale. Während die Marktordnungen für Milch 2015 und jene für Zucker 2017 auslaufen sollen, will Brüssel auf Druck des EU-Parlaments in Zukunft vor allem in Krisensituationen verstärkt in die Lebensmittelmärkte eingreifen.

Grundsätzlich komme die Reform Österreich in vielen Punkten entgegen, meint Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich. Für ihn waren ausgerechnet die Pläne, die europäische Landwirtschaft insgesamt grüner zu machen, die größte Herausforderung. Er hatte alle Hände voll zu tun, dass es nicht just deswegen zu Verschlechterungen für Österreichs Bauern kommt. Denn die arbeiten traditionell seit Langem mit wesentlich höheren Standards als die meisten ihrer EU-Kollegen. Erst in den letzten Verhandlungswochen gelang es, ein Modell durchzusetzen, das die österreichische Landwirtschaft, die der EU als Vorbild diente, vor finanziellen Verlusten bewahren und die hohen Standards absichern soll.

Abgesichert werden konnten auch Extrazahlungen für die Bergbauern. Für die sogenannten benachteiligten Gebiete, in denen es Sonderzahlungen für die Bauern gibt, wird es erst 2018 neue Kriterien geben. Sonderzahlungen sollen Jungbauern künftig die Hofübernahme erleichtern. Und auch für die sogenannten ökologischen Vorrangflächen, die von den heimischen Agrariern als Stilllegungsflächen abgelehnt wurden, gibt es eine Lösung, die die Nutzung für den Anbau von Soja und ähnlichen Pflanzen ermöglicht.

Worauf man sich nun in Brüssel einigte, muss freilich erst in Form von Gesetzen und Verordnungen praxistauglich gemacht werden. Der Weg dahin ist lang. Themen wie die Gestaltung der Umweltprogramme, die Bioförderung oder die Kofinanzierung von Maßnahmen durch Bund und Länder bieten reichlich Zündstoff. Nägel mit Köpfen werden in Österreich wohl erst nach den Wahlen im September gemacht werden können, zumal der Nationalrat im Juli seine letzte reguläre Sitzung hat.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Juni 2013

Wider besseres Wissen



Den Beobachtern des Tuns der heimischen Politik wird schön langsam schwummrig vor den Augen. Auf bis zu 22 Milliarden Euro wird geschätzt, was die Parteien bisher dem Wahlvolk versprachen, auf dass sie gewählt werden. Hunderte Millionen schwere "Familienpakete“, Finanzhilfen für Pensionsanpassungen, Steuergeschenke und noch aus dem Stand 500 Millionen für die Bauwirtschaft. Und und und. Die Versprechen scheinen alle Rekorde zu brechen und alles Bisherige in den Schatten zu stellen. So locker und vollmundig hat man sich noch nie hinauflizitiert.

Die Schwarzen tun es und die Roten. Die Blauen fahren hinterdrein und auch die Grünen und die Stronach-Partie. Und auch der Gewerkschaftsbund versucht noch was hineinzudrücken. Völlig losgelöst geben sich die Damen und Herren, wenn es gilt, Wählerinnen und Wählern schöne Augen und viel Hoffnungen zu machen.

Je näher die Wahl kommt, desto weniger gilt, was man in den vergangenen Jahren an Besserung gelobte. Und desto weniger Rolle spielt der Staatshaushalt, der selbst ein Sanierungsfall ist und dessen Möglichkeiten entsprechend beschränkt sind. Dabei hat der Intensivwahlkampf noch gar nicht begonnen.

Alle Warnungen scheinen einstweilen fruchtlos. Mahnende Stimmen, wie die der Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller, verhallen ungehört. Vorschläge, wie der 599 Punkte umfassende Einsparkatalog, den vor gar nicht allzu langer Zeit der Rechnungshof präsentierte, sind nichts als Makulatur. Drei Monate vor der Wahl ist nirgendwo mehr vom Sparen die Rede. Da macht man sich keinerlei Gedanken mehr um Gegenfinanzierungen. Dabei reichen schon jetzt für das, was da bereits am Tisch liegt, keine noch so hohen Reichen-, Erbschafts- und Schenkungssteuern. Das ist auch mit keinem Sparprogramm hereinzubringen. Und selbst wenn es griechische Dimensionen hätte.

Es ist erstaunlich, wie die Dinge ihren Gang nehmen. Wie die Vorsätze bröseln, wie sich jede Vernunft auflöst und wie ein ganzes Land in einen Wünsch-dir-was-Taumel gerät. Denn es sind nicht alleine die um Stimmen heischenden Politiker, die die Stimmung erzeugen und anheizen. Da gehört immer auch die Bevölkerung dazu, die da mitmacht und die gerne glaubt, was ihr in Aussicht gestellt wird.

Und das tut die österreichische Bevölkerung. Freilich nicht in jederlei Hinsicht, dieser Illusion gibt man sich nicht hin. Aber den Versprechungen, die das eigene Umfeld betreffen, denen gibt man sich gerne hin. Was zählt ist das eigene Blickfeld. Und da ist das Versprechen, die Familien mehr zu fördern, natürlich bei den jungen Eltern Musik in den Ohren. Nicht anders verhält es sich, wenn man hört, dass es eine Steuerreform für die mittleren Einkommen geben soll oder Geld für die Bauwirtschaft. Und es macht Freude, wenn man vernimmt, dass dafür andere zahlen sollen. Zumal dann, wenn die als "Millionäre“ punziert sind.

Auch wenn man es aus der Erfahrung der vergangenen Jahre nicht mehr wirklich glauben mag, was einem da versprochen wird - dagegen haben will man doch nichts. Und dagegen sein auch nicht. "Blöd werden wir sein“. Die meisten Österreicherinnen und Österreicher denken so. Hartgesottene Parteigänger sowieso, aber immer noch auch viele, viele andere. "Irgendwas wird schon hängenbleiben“ hoffen sie und richten ihr Wahlverhalten danach. Nur wenige, viel zu wenige, denken anders.

Das freilich motiviert die Politik, sich immer neue Versprechungen einfallen zu lassen und sich damit immer weiter aus dem Fenster zu lehnen. Man weiß, das zieht. Zumindest bis zu den Wahlen. Und wenn vieles von dem, was man da jetzt mitunter sehr vollmundig verspricht, nicht kommt - sei’s drum, in fünf Jahren ist ohnehin wieder alles anders.

Man muss dem Kalkül der Politik recht geben. Auch wenn darob längst ihre Glaubwürdigkeit verloren gegangen ist. Es funktioniert und die Muster wiederholen sich immer wieder. Wahlgang für Wahlgang. Bei Kommunalwahlen, bei Landtagswahlen und demnächst bei den Nationalratswahlen. Man kann nur staunen. Was kümmern mich die Versprechungen von gestern, gilt nicht nur für die Politik und ihre Exponenten. Dieser Satz gilt auch für die Wählerinnen und Wähler. Sie wollen glauben, was man ihnen ankündigt, sie klammern sich mitunter dran. Und sie vertrauen drauf.

Man kann jetzt schon sicher sein, dass sie damit wieder nur benutzt werden. Nicht immer, das sei angefügt, aber viel zu oft. Und viel zu oft wider besseres Wissen.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Laut bellen, klein beigeben



Die ersten österreichischen UNO-Soldaten sind von der Golan-Mission zurück. Die anderen werden in den kommenden Wochen zurückkommen. Erleichtert von der Entscheidung mögen viele sein, glücklich ist damit niemand. International erntet Österreich Häme. Die überfallsartige Entscheidung ohne Vorankündigung kostete auf dem internationalen Parkett wohl viel Reputation. Die UNO reagierte verärgert. Das tat auch Israel. Österreich läuft große Gefahr international als Staat noch weniger ernst genommen zu werden als bisher. Ein Land, das seine Leute zurückzieht, wenn es ernst zu werden droht, gilt nicht mehr als Staat, auf den man sich verlassen und mit dem man planen kann. Diesen Ruf hatte bisher nur Italien. Jetzt hat ihn wohl auch Österreich.

Kritik und Unverständnis gibt es nicht nur im Ausland. Auch in Österreich werden die kritischen Stimmen immer lauter. Die Sorgen, dass sich Österreich mit Entscheidungen wie diesen ins internationale Abseits stellt, mehren sich. "Wir haben außenpolitisch abgedankt“, schoss der einstige VP-Parteiobmann Erhard Busek Giftpfeile auf seinen Nachfolger Michael Spindelegger. "Österreich hinterlässt verbrannte Erde“, formulieren ansonsten diskrete Diplomaten ihren Unmut. Selbst OECD-Botschafter Wolfgang Petritsch, als einstiger Kreisky-Sekretär in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat, zeigte sich von der Entscheidung von Bundeskanzler Faymann und seinem Außenminister wenig begeistert. "Unsere aktive Mitarbeit bei der UNO-Friedensmission hatte jahrzehntelang einen hohen Stellenwert“, sagt er im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil“. Das alles aber werde jetzt leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Von der Hand zu weisen sind diese kritischen Stimmen nicht. Auch wenn sie politisch eingefärbt sein mögen. In Sachen Rückgabe des UNO-Mandats am Golan ist Österreich über sich selbst gestolpert. Und das in einer Art und Weise, die nicht wirklich verwundert, zumal sie der politischen und gesellschaftlichen Kultur in diesem Land entspricht, deren wichtigste Merkmale laut bellen und klein beigeben sind.

Man wollte sich solidarisch, stark und zuverlässig zeigen und musste erkennen, dass das Land nicht die Kraft dazu hat. Zu mehr als Schönwetter-Politik auf dem internationalen Parkett reicht es offenbar nicht. Der Stolz, mit dem sich in den vergangenen Jahrzehnten die heimischen Politiker jedweder Couleur auf dem Golan präsentierten, wirkt nunmehr schal, ihre Äußerungen hohl. Und dass sich der Bundespräsident als Oberbefehlshaber des Heeres in dem ganzen Entscheidungsprozess als nichts als ein uninformierter Papiertiger erwies, fügt sich dabei bestens ins schräge Bild von Österreich, das man im Ausland immer öfter von der Alpenrepublik hat.

Österreich hat in den vergangenen Jahrzehnten das internationale Renommee genossen, aber die Folgen des Engagements nie bis in die letzte Konsequenz fertig gedacht. Denn dann hätte man das UN-Mandat wohl gar nicht annehmen dürfen.

Aber das passt zum Land. Man hat es allemal lieber unscharf, man lässt sich gerne loben und lässt die Dinge lieber treiben, als sie in den Griff zu nehmen. Nicht nur beim UN-Mandat auf dem Golan. Auch die heimische Neutralität ist so ein Thema, um das man seit Jahrzehnten herumdruckst. Eine tragfähige Position, die auch international ähnlich der Schweizer Neutralität geschätzt wird, ist daraus nie entstanden. Die österreichische Neutralität hat immer den Hautgout, dass es sich das Land je nach Lage für sich richten will. Verbindlichkeit ist nicht, was damit verbunden wird. Eher sind es ducken, wegschauen und aufschieben. Das vor allem.

Das tut man gerne in diesem Land. Ganz oben und ganz unten. Und dazwischen auch. Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen durchzutragen gehört in Österreich nicht zu den Tugenden, die sehr verbreitet sind. Da druckst man lieber herum und macht sich klein. Da zeigt man sich großartig im Erfinden von Erklärungen und Entschuldigungen die freilich zumeist nichts als Ausreden sind. Da vergisst man die Versprechungen von gestern. Da richtet man es sich allemal lieber nach den ureigensten Bedürfnissen. Und notfalls zieht man eben die Reißleine - so wie die Bundesregierung am Golan.

So gesehen ist das dann ja aus österreichischer Sicht und mit österreichischem Hintergrund nur logisch. Ob es akzeptabel ist, entscheiden freilich andere.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 20. Juni 2013

Sonntag, 16. Juni 2013

Die "sauberen Partner" der Bauern





In der Regel treten sie gerne wie Pfauen auf. In Prospekten, teuer, bunt und großspurig, geben sie sich mit Vorliebe als die, die alles wissen und für alles eine Lösung haben. "Wir machen reinen Tisch", heißt es dort gerne, "Mit Sicherheit wachsen" oder gar "Gemeinsam für Ihren Erfolg".

Wenn es freilich ernst wird, sind sie als die Ersten in den Büschen verschwunden. Als Landwirtschaftminister Berlakovich und mit ihm die Bauern als "Bienenkiller" durchs Land gejagt wurden, war es nicht anders. Von der Chemieindustrie war kein Mucks zu hören. Da gab es keinen Beistand in den schrillen Diskussionen und keine fachliche Expertise, die hätte zur Entlastung beitragen können. Da war gar nichts von "Gemeinsam für Ihren Erfolg" und von Partnerschaft.

Nicht viel anders verhielt sich die heimische Saatgutwirtschaft. Und wenig Beistand gab es auch von für die Zulassung verantwortlichen Stellen wie der AGES.

Es waren allein die Bauern und ihre Vertreter, denen, abgesehen vom unglückseligen Landwirtschaftsminister, in der Öffentlichkeit der Kopf gewaschen wurde. Sie mussten sich mit den Angriffen herumschlagen, versuchten zu argumentieren und kämpften um Verständnis für etwas, was genau betrachtet gar nicht in ihrer Verantwortung lag. Denn als Produzenten müssen sie eigentlich darauf vertrauen können, dass die Produkte, mit denen sie arbeiten, der Umwelt keine Schaden zufügen. Wozu sonst gibt es ausführliche und oft sündteure Zulassungsverfahren? Wozu sonst all die Bürokratie und all die Vorschriften, die damit verbunden sind? Statt freilich das zu thematisieren und zu sagen, wir haben uns auf Chemieindustrie, die Saatgutwirtschaft und die Zulassungsstellen verlassen, und sich dem Chor der Kritiker anzuschließen, stiegen sie selbst in den Ring -und holten sich die Ohrfeigen ab.

Wie es der Landwirtschaft in den vergangenen Wochen rund um die Bienen ging, geht es ihr immer wieder. Beim Pferdefleisch, bei Keimen in Gemüse, bei irgendwo falsch etikettierter Bioware und erst recht, wenn irgendwo Tieren etwas zugefügt wird, das als Leid gilt. Alles bleibt immer letztendlich an den Bauern hängen. Sie sind es, die ihre Produktionsweisen rechtfertigen müssen, sie sind es, die sich vorhalten lassen müssen, dass sie für all das auch noch Milliarden an Förderungen bekommen, und sie sind es, deren Glaubwürdigkeit unter die Räder gerät.

Die, die eigentlich dafür verantwortlich sind, sitzen dann längst, so wie bei den Neonics die Pflanzenschutzmittelindustrie, die Saatgutwirtschaft und die Zulassungsbürokraten, in den Büschen. Dort sitzen auch gerne die Handelsketten, die wegen ihrer Methoden zu einem guten Teil für Fehlentwicklungen der Landwirtschaft verantwortlich sind. Sie verstehen es immer wieder, sich aus allem herauszuhalten. Auch die Verarbeiter haben darin großes Geschick und die, die in der großen Politik die Weichen stellen.

Nur die Bauern und ihre Vertreter haben offensichtlich dieses Geschick nicht. Sie bleiben übrig. Jedes Mal und in jedem Fall. "Wir haben kein Problem mit dem Verzicht auf Neonicotinoide, dann wird es halt andere Lösungen geben", heißt es längst nonchalant aus Pflanzenschutzmittelindustrie und Saatgutwirtschaft, während sich die Bauern noch mit den Kritikern herumbalgen. Während man dort wohl neue Geschäfte wittert, bleibt ihnen vor allem eines -Angst vor höheren Kosten, die ihren ohnehin zumeist kargen Erlös noch weiter schmälern könnten.

Gmeiner meint - Blick ins Land Juni-Juli 2013, 15. Juni 2013

Donnerstag, 13. Juni 2013

Österreich verändert sein Agrar-Gesicht




Weizen wird zum Beispiel zu Stärke für die Papierindustrie verarbeitet, aus Mais wird Zitronensäure

HANS GMEINER Pischelsdorf (SN). Der Nahrungsmittelkonzern Agrana hat mit seinem Standort Pischelsdorf bei Tulln samt Bioethanolanlage bisher nicht nur Freude gehabt. „Das wird in Zukunft anders“, zeigt sich Agrana-Chef Johann Marihart zuversichtlich. „Mit der neuen Weizenstärkeanlage wird das ein sehr produktiver Standort.“ Die Anlage, die gestern, Mittwoch, eröffnet wurde, verarbeitet 250.000 Tonnen Weizen zu Weizenstärke für die Papier- und Chemieindustrie, zu Weizengluten für Backwaren und Tierfutter und zu Weizenkleie für Rinderfutter. Etwas mehr als ein Viertel der Verarbeitungsmenge fällt als Rohstoffersatz für Bioethanol an. „Durch die enge Integration der Weizenstärkeanlage und der Bioethanolfabrik wird das eingesetzte Getreide zu 100 Prozent verwertet“, sagt Marihart.

Anlagen wie jene der Agrana in Pischelsdorf oder der Jungbunzlauer AG an der Grenze zu Tschechien, in der Mais zu Zitronensäure verarbeitet wird, machten Österreich in den vergangenen Jahren zur mitteleuropäischen Drehscheibe für die Verarbeitung von Agrarprodukten und brachten viele neue Arbeitsplätze.

Aus Österreich allein können die Anlagen längst nicht mit Rohstoffen bedient werden. „Bei uns kommen 50 Prozent aus Österreich, der Rest aus Tschechien, der Slowakei und aus Ungarn“, sagt Marihart, dessen Agrana insgesamt rund eine Million Tonnen Mais und Getreide verarbeitet. „Wir verwerten einen Teil der Überschüsse dieser Regionen.“

Vom Exportland, das die Überschüsse auf dem Weltmarkt unterbringen musste, wurde Österreich dadurch zum Getreideimportland. Die Selbstversorgungsrate sank auf weniger als 90 Prozent.

Auch bei Fleisch spielt Österreich nach dem Aufbau riesiger Verarbeitungskapazitäten eine zentrale Rolle in Mitteleuropa. Auf der einen Seite vervielfachten sich deshalb die Importe von Lebendtieren, auf der anderen Seite explodierten die Fleischexporte.

Den heimischen Bauern bringt diese neue Rolle Österreichs eine gewisse Absatzsicherheit, nicht aber mehr Geld. Die Preise, die sie erhalten, orientieren sich an den internationalen Märkten.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Juni 2013

Picksüsse Gaukler



Man kennt die Schalmeientöne, die angeschlagen werden, wenn es darum geht einem die Brieftasche zu öffnen. Da wird versprochen, was man hören will, da wird einem zugesichert, was man wünscht, da wird alles getan, um den Eindruck zu erwecken, man sei auch dann bestens aufgehoben, wenn man Hilfe braucht. "Alles kein Problem, der Kunde ist bei uns König, Service wird bei uns groß geschrieben, darauf können Sie sich verlassen“.

Von wegen. Sehr oft ist dann bald nichts mehr von all dem, was einem versprochen wurde, ehe man die Brieftasche öffnete, oder den Vertrag unterschrieb. Da funktioniert die Wirtschaft ganz wie die so gerne und inbrünstig gescholtene Politik oder Verwaltung.

Die Leute, mit denen man geredet hat, sind mit einem Mal unerreichbar, man weiß nichts mehr von Terminen, es ist plötzlich diese und jene Leistung "leider nicht im Preis enthalten“. Dann ist man ganz alleine, wenn die Waschmaschine, der Computer, das Handy, das Auto nicht funktioniert, wie es sollte, wenn sich der Putz von der Wand löst oder das Schnitzel versalzen ist. Das ist in Handel und Gewerbe so, im Tourismus und in der Gastronomie, bei Ärzten und in Spitälern und im Geschäft zwischen Unternehmen so. Das ist überall so.

Dann ist nichts mehr mit "Bei uns wird Service groß geschrieben“. Dann heißt’s mitunter stundenlang in Hotlines oder Wartezimmern herumhängen, wochenlang warten auf Reparaturen. Dann heißt‘s extra zahlen schon für einen Kostenvoranschlag. Dann heißt‘s vor allem ärgern. Man muss sich viel gefallen lassen als Konsument und Kunde. Da nehmen sich die so oft gescholtenen Ämter und Behörden dagegen zuweilen als harmlos aus.

Dass das Meinungsforschungsinstitut Gfk Austria in einer Presseaussendung den Titel "Servicewüste Österreich“ verwendet, nimmt nicht wunder. "Rund 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem Kundenservice schon Anbieter gewechselt“, hat man in einer Umfrage herausgefunden.

Es ist bemerkenswert, was man sich zuweilen gefallen lässt. Nicht nur als Konsument und Kunde von Unternehmen. Auch als Patient bei Ärzten und in Spitälern muss man eine dicke Haut haben, wenn man etwas mit Behörden und Versicherungen zu tun hat oder wenn man auf Flughäfen warten muss. Oder wenn man es mit Notaren zu tun hat, die es über die Jahrzehnte der Liberalisierung geschafft haben, sich in Österreich immer noch ihr Gebietsschutz-Refugium zu verteidigen. Da kann man es sich leisten, die Bedürfnisse der oft älteren Kundschaft nonchalant zu ignorieren und in Bürohäusern ohne Lift in den - wohl billigeren - oberen Stockwerken zu residieren. Wie die "Kundschaft“ zu ihnen kommt, ist deren Problem, sie müssen ja kommen.

Die Servicekultur liegt darnieder im Österreich, das sich gerne für besonders freundlich und zuvorkommend hält. Vor allem fehlt es oft an Professionalität und Ehrlichkeit. Man lässt die Dinge schleifen, man baut Luftschlösser und man gibt sich zuckersüß, wo man eigentlich bitterböse ist. Fremdenverkehr, Gastronomie, Ämter und Handel und Gewerbe liefern Tag für Tag Beispiele dafür.

Dass Service, Kundenfreundlichkeit und Zuverlässigkeit zu immer wichtigeren Wettbewerbsfaktoren werden, ist nur wenigen bewusst. Dabei ist Österreich genau darauf angewiesen. Nicht nur im Fremdenverkehr. Auch in allen anderen Wirtschaftszweigen. Wenn man sich schon schwer tut, mit Preisen und Kosten international mitzuhalten, sind Nähe und Service die großen Atouts im Geschäft, das immer schneller und internationaler wird. Die Zahl der Alternativen der österreichischen Servicewüste zu entkommen, wächst dank Internet rapid. Und sie werden auch genutzt. Die Entwicklung des Internethandels ist ein beredtes Beispiel dafür.

Dieser Tage sorgte wieder für Aufmerksamkeit, dass Österreich in einem internationalen Ranking der wettbewerbsfähigsten Länder zurückgefallen ist. Wieder einmal. Von Rang elf innerhalb von nur sechs Jahren auf Rang 23. Man ist es schon gewohnt. Das hat mit vielem zu tun. Hohe Löhne und Sozialabgaben werden in diesem Zusammenhang gerne genannt, Defizite in Bildung und Ausbildung, die zuweilen überbordende Bürokratie und vieles andere mehr. Das hat auch damit zu tun, dass Österreich zur Service-Wüste wird. Misanthropen machen die Stimmung, picksüße Gaukler und hantige Scharfmacher. Sehr oft vorbei an den Erfordernissen der Zeit und abseits der Bedürfnisse der Menschen in diesem Land. Und immer ganz anders, als man es versprochen hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Juni 2013

Donnerstag, 6. Juni 2013

Selbst ist die Hilfe



Die großen Autos der Feuerwehren, die Pumpen und anderes schweres Gerät und die Männer mit ihren großen Helmen mitten im Wasser, auf den vermurten Straßen, in den Kellern. Männer und Frauen in dreckverschmierten Gummistiefeln, die mit Schaufeln, Besen und Schläuchen gegen den Dreck ankämpfen, den die Flut hinterlässt, die versuchen Möbel in Sicherheit zu bringen und die nötigsten Habseligkeiten. Österreich hilft sich selbst in diesen Tagen. Tausende sind dabei. Freiwillig. Organisiert in Feuerwehren, in Hilfsorganisationen oder ganz spontan. Sie zeigen, dass das Land funktioniert, dass es die oft vermisste Solidarität doch gibt und das Engagement.

Die Bedeutung der freiwilligen Hilfsorganisationen ist in Österreich im Katastrophenschutz und auch im Sozialbereich groß, wie kaum sonst wo. Und das ist gut so. Das gibt Sicherheit und verteilt die Verantwortung. Nicht ein anonymer, entrückter und zuweilen nachgerade fremder Staat kümmert sich um die Dinge, sondern Gruppen, die sich aus eigenen Antrieb zusammengefunden haben, weil sie sehen, wie notwendig es ist, Aufgaben in ihrem unmittelbaren Umfeld zu erfüllen. Direkt bei den Menschen.

Gerade mit einer topographischen Struktur, wie Österreich sie hat, ist das nicht hoch genug einzuschätzen.

Vor allem abseits von Zentralräumen ist die Arbeit der Freiwilligen-Organisationen besonders wichtig. Ohne sie würde dort kaum etwas funktionieren - weder die Hilfe bei Unglücken oder gar Katastrophen noch bei der sozialen Versorgung. Die Arbeit der Freiwilligen ist dort lebensnotwendig für das Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens und der Gemeinschaft.

Je ländlicher die Umgebung, desto häufiger kümmern sich in Österreich Freiwillige um die Dinge. In den kleinen Gemeinden im ländlichen Raum gibt es doppelt so viele ehrenamtlich und freiwillig Engagagierte wie in den großen Städten.

Das ist Bürgergesellschaft im besten Sinn des Wortes.

Das heißt nicht, dass sich der Staat aus der Verantwortung ziehen soll und darf. Ganz im Gegenteil. Seine Verantwortung ist es, dafür zur sorgen, dass die Organisationen alles haben, was sie für eine effiziente Arbeit brauchen. Und Verantwortung des Staates ist es auch, dieses Modell der Freiwilligkeit und eine Organisationen gegen Kritiker zu verteidigen, die sich zuweilen gerne über die Ausstattung der Feuerwehren mokieren, gerne die Gefahr von Lohndumping an die Wand malen und mit Bürokratie winken und doch nichts anderes wollen, als Initiativen zum eigenen Vorteil abzudrehen. Davon gibt es genug, auch wenn sie sich derzeit angesichts der Wassermassen wohlweislich ruhig verhalten.

Österreich hat ein gutes System, mit dem es sorgsam umgehen sollte. Die Politik sollte sich das viel öfter zum Vorbild nehmen. Die Österreicherinnen und Österreicher können etwas. Man kann ihnen durchaus etwas zutrauen. Sie zeigen das mit ihrem freiwilligen Engagement und was sie mit ihren Organisationen zu leisten im Stande sind. Dieses Potenzial sollte man nutzen.

Die Bevölkerung in diesem Land versteht in einem viel größeren Maß, als die Politik das zuweilen wahrhaben will, selbst zu leben und sich selbst zu organisieren. In der Politik aber neigt man viel eher dazu, den Menschen nichts zuzutrauen und sie zu bevormunden. Man will überall mitreden, man drängt sich allerorten ins Private. Man hat keine Scheu, bis tief hinein in den Alltag das Leben der Menschen zu reglementieren, sie mit Vorschriften zu quälen und damit jede Eigeninitiative zu verhindern, wenn nicht gar zu ersticken. Manche Partei sieht das, so der Eindruck, gar als ihre zentrale Aufgabe. Nicht nur die Sozialdemokraten, bei denen dieses Konzept Programm ist. Dabei täte dem Land nichts besser, als von dieser regelrechten Sucht alles und jedes zu beschränken, abzurücken.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Juni 2013
 
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