Donnerstag, 15. Mai 2014

Ohne Politik



Der Andrang in der Verabschiedungshalle war groß, die Warteschlange lang. Bis zu zwei Stunden Stehen nahmen dieser Tage Trauergäste bei einem Begräbnis in Linz in Kauf, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen und so ihre Anerkennung zu zollen. Er war einer der großen der heimischen Wirtschaft. Einer, der viele Fäden in der Hand hielt, der wusste, Verbindungen herzustellen und Probleme zu lösen. Einer, dessen Rat und dessen Expertise gefragt und geschätzt waren. Einer, der etwas zu sagen hatte und dessen Wort zählte.  

Auffällig war, dass unter den zahllosen Trauergästen zwar zahllose prominente Köpfe der heimischen Wirtschaft zu sehen waren, aber kein einziger Politiker. Und das bei der Verabschiedung eines Mannes in dieser Position.

Neben all dem, was der Verstorbene Zeit seines Lebens geleistet hat, ist wohl das zu seinen größten und bemerkenswertesten Leistungen zu zählen. Und zu den beispielgebendsten. Er zeigte, dass es in Österreich ganz offensichtlich doch möglich ist, abseits der Politik, ihren Macht- und Beziehungsspielen, ihrer zuweilen schusseligen Geschäftigkeit und ihrem krankhaften Bedürfnis auf alles und jedes Einfluss zu nehmen und zu steuern, Erfolg zu haben.

In diesem Land, in dem mehr als eine Millionen Mitglieder bei politischen Parteien sind, wird das kaum mehr für möglich gehalten und nachgerade als Anachronismus empfunden. Dass man in diesem Land selbst, abseits von Ministern, Landeshauptleuten, Abgeordneten, Präsidenten und Sekretären, das Leben erfolgreich gestalten kann, gilt nach der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte längst als unwahrscheinlich.

Hinsichtl und Rücksichtl bestimmen viel eher Denken und Tun, der Aufbau der richtigen Beziehungen und hie und da die richtige Unterstützung am richtigen Platz. Das sieht der gemeine Österreicher, respektive die gemeine Österreicherin, als die probateste und zielführendste aller Erfolgsstrategien.

Rot und Schwarz haben sich das Land aufgeteilt und hie und da durften auch die Blauen mittun. Das gilt für ganz oben, wenn es um Ministerposten und die Verteilung von Geldern und Ämtern auf Bundesebene oder den staatlichen Rundfunk geht, reicht über die Vergabe von Aufträgen an die Wirtschaft und geht bis hinunter in den kleinsten Bezirksschulrat und in die Gemeindestuben.  

In diesem Umfeld abseits der Politik Karriere zu machen und sein Leben in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft erfolgreich zu gestalten, verlangt ein starkes Rückgrat, wohl auch eine große Portion Selbstbewusstsein und verdient größten Respekt.

Und es zeigt, dass es möglich ist. Auch wenn sich das in Österreich, und das ist wohl die Krux, schon kaum mehr jemand zutraut. Da steckt man zuweilen schon Kinder in Parteiorganisationen, auf dass ihnen dereinst der Weg bis zur Pensionierung geebnet wird, da übernimmt man politische Funktionen allenfalls für ein paar Jahre, um die Kinder zu versorgen, da geht man zu einer Partei sehr viel eher um sein Fortkommen abzusichern und keine Schwierigkeiten beim Häuslbauen zu haben, denn der politischen Überzeugung wegen.

Dass die Politik allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz das Land immer noch über die Maßen im Griff hat, hat auch damit zu tun, dass ihr, respektive den Herr- und Damenschaften die sie repräsentieren, zu viel Macht und  - viel zu oft unterwürfige - Anerkennung entgegengebracht wird. Wer wegen jedem noch so geringen Anliegen zu einem Politiker geht, um Hilfe einzufordern, wer für jedes Vorhaben zuerst einmal bei der Politik um Unterstützung vorstellig wird und wer für alles, was schief läuft, dazu neigt die Politik verantwortlich zu machen, ohne vorher zumindest versucht zu haben, die Dinge selbst zu regeln, darf sich nicht wundern, dass die Politik in diesem Land zu einer Macht gekommen ist, die einer Hybris gleicht, der kaum zu entkommen ist.

Dass man mit diesem Denken und Verhalten maßgeblich dazu beiträgt, dass die Politik so mächtig und allumfassend wurde, wie sie heute ist, kehrt man dabei geflissentlich unter den Tisch.

Man sollte es nicht tun. Zumal in Zeiten, in denen ohnehin Politikverdrossenheit zu einem immer größeren Thema wird und in dem die Wut auf und das Unverständnis für die Politik allerorten nachgrade explosionsartig wächst. Und man sollte zumindest versuchen, die Dinge wieder öfter selbst in die Hand zu nehmen. Zum Ziel zu kommen, ist auch dann möglich. Viel öfter, als man glauben mag. Auch in Österreich.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Mai 2015

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