Donnerstag, 8. Mai 2014

Zweite Wahl



Europa ist nie wirklich in Österreich angekommen. Hierzulande kann mit der europäischen Idee kaum jemand etwas anfangen. Das, was sich da jetzt Wahlkampf für die Ende Mai anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament nennt, ist der Beweis dafür. Belangsloser, sinnentleerter, desinteressierter und distanzierter geht es kaum mehr. "Sozial statt egal" plakatiert die SPÖ, "Ans Werk" das BZÖ und "Wir schauen über den Tellerrand" die pinken Neos. Die Grünen hauen sich für Grünzeug ins Zeug mit "Paradeiser dürfen nicht illegal werden" und machen sich Sorgen um die Schweine - "Für ein Leben vor dem Schnitzel".

"Geht's noch?", ist man angesichts dieses Angebots geneigt zu fragen. Dagegen nimmt sich das "Ein besseres Europa sichert Frieden und die Zukunft der Jungen" von Othmar Karas nachgerade als konkretes Angebot aus. Gar nicht zu reden vom "Österreich denkt um - zu viel EU ist dumm" aus der unsäglichen freiheitlichen Reimeschmeide. Da kann man wenigstens streiten darüber. Aber man probiere das einmal mit der Ansage einer Partei, über den Tellerrand schauen zu wollen.

Fast zwanzig Jahre ist Österreich jetzt Mitglied der Europäischen Union und hat dennoch kaum etwas zu sagen dazu. Keine Idee dazu, wie sich die Union entwickeln sollte und könnte, schon gar kein konkreter Vorschlag. Statt dessen nichts als Belanglosigkeiten. Man nimmt sich nicht einmal die Mühe sich zumindest aus Anlass der Europawahlen etwas einfallen zu lassen. Statt dessen hat man nichts anderes im Sinn, als innenpolitisches Kleingeld zu machen. "Denkzettel für EU, rot & schwarz" plakatiert Strache. Auch da ist immerhin seine Ehrlichkeit anzuerkennen. 

In diese belanglose Lauheit fügen sich auch die Kandidaten, zumal die, die an der Spitze stehen. Farblos sind sie allesamt, ohne jedes Charisma und ohne Ecken und Kanten, die Aufmerksamkeit erregen könnten. Eine ganz eigene Kaste ist es, die abseits des Kanonendonners der heimischen Innenpolitik, im entfernten Brüssel in ihrer eigenen Welt lebt und agiert. Gelitten von den heimischen Parteigranden und ihren Parteigängern, mehr nicht. Dabei stehen Leute wie  Hannes Swoboda, der nunmehr scheidende Fraktionsschef der europäischen Sozialdemokraten oder Othmar Karas als einer der Stellvertreter des Parlamentspräsidenten oder auch die Agrarpolitikerin Elli Köstinger im Europäischen Parlament hoch im Kurs, geschätzt für ihre Arbeit und anerkannt.

Gerade darin, dass die heimischen Parteigranden ihre EU-Politikern  nicht die nötige Wertschätzung und den ihnen zustehenden Stellenwert einräumen, liegt wohl auch eine der Hauptursachen dafür, dass sich Europa in Österreich so schwer tut und dass Parteien, die gegen die Union Stimmung machen, stets leichtes Spiel haben. Man gibt Brüssel und den dort arbeitenden Politikern des eigenen Landes nicht das Gewicht, das man ihm zugestehen müsste.  

Da ist kein Wunder, das Europa nie in den Herzen der Österreicher angekommen ist und längst viel eher dabei ist, sich, auch dort, wo es angekommen ist, wieder zu verabschieden. Die Europäische Union nicht zu mögen und auf Brüssel zu schimpfen ist schick geworden. Da nützen alle Statistiken und Bilanzen wenig, die in diesen Wochen hervorgekramt und zusammengestellt werden, um die Bedeutung der Union zu untermauern. Es verfängt nicht bei den Leuten.

Und so, wie sich der Wahlkampf bisher präsentiert, wird sich daran nichts ändern. Bei den letzten EU-Wahlen betrug die Wahlbeteiligung gerade einmal 46 Prozent. Das waren zwar um ein paar Prozentpunkte mehr, als bei den vorangegangenen Wahlen, aber Grund zur Freude und für Stolz war das auch nicht. Die EU ist auch in dieser Hinsicht zweite Wahl in Österreich. Bei den Nationalratswahlen liegt die Wahlbeteiligung bei knapp 75 Prozent, bei manchen Landtagswahlen gar bei rund 80 Prozent. Mit einer Wahlbeteiligung von 46 Prozent liegt man gerade einmal ein kleine bißchen über der Teilnahmequote bei den Arbeiterkammerwahlen.

Dass am 25. Mai viel anders sein wird, muss bezweifelt werden. Und dass Europa an diesem Tag gestärkt wird auch. Denn was in Österreich zu beobachten ist, gilt auch für die meisten der anderen EU-Länder. Auch dort wächst zumeist die Distanz zu Brüssel, auch dort läuft der Wahlkampf mehr als lau, auch dort gibt man sich der ziellosen Belanglosigkeit hin, weit davon entfernt Ideen in die Schlacht zu werfen, die Europa voranbringen könnten.
 
Meine Meinung- Raiffeisenzeitung, 8. Mai 2014

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