Der Andrang in der Verabschiedungshalle war groß, die
Warteschlange lang. Bis zu zwei Stunden Stehen nahmen dieser Tage Trauergäste
bei einem Begräbnis in Linz in Kauf, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu
erweisen und so ihre Anerkennung zu zollen. Er war einer der großen der
heimischen Wirtschaft. Einer, der viele Fäden in der Hand hielt, der wusste,
Verbindungen herzustellen und Probleme zu lösen. Einer, dessen Rat und dessen
Expertise gefragt und geschätzt waren. Einer, der etwas zu sagen hatte und
dessen Wort zählte.
Auffällig war, dass unter den zahllosen Trauergästen zwar
zahllose prominente Köpfe der heimischen Wirtschaft zu sehen waren, aber kein
einziger Politiker. Und das bei der Verabschiedung eines Mannes in dieser
Position.
Neben all dem, was der Verstorbene Zeit seines Lebens
geleistet hat, ist wohl das zu seinen größten und bemerkenswertesten Leistungen
zu zählen. Und zu den beispielgebendsten. Er zeigte, dass es in Österreich ganz
offensichtlich doch möglich ist, abseits der Politik, ihren Macht- und
Beziehungsspielen, ihrer zuweilen schusseligen Geschäftigkeit und ihrem
krankhaften Bedürfnis auf alles und jedes Einfluss zu nehmen und zu steuern,
Erfolg zu haben.
In diesem Land, in dem mehr als eine Millionen Mitglieder
bei politischen Parteien sind, wird das kaum mehr für möglich gehalten und nachgerade
als Anachronismus empfunden. Dass man in diesem Land selbst, abseits von
Ministern, Landeshauptleuten, Abgeordneten, Präsidenten und Sekretären, das
Leben erfolgreich gestalten kann, gilt nach der Erfahrung der vergangenen
Jahrzehnte längst als unwahrscheinlich.
Hinsichtl und Rücksichtl bestimmen viel eher Denken und Tun,
der Aufbau der richtigen Beziehungen und hie und da die richtige Unterstützung
am richtigen Platz. Das sieht der gemeine Österreicher, respektive die gemeine
Österreicherin, als die probateste und zielführendste aller Erfolgsstrategien.
Rot und Schwarz haben sich das Land aufgeteilt und hie und
da durften auch die Blauen mittun. Das gilt für ganz oben, wenn es um
Ministerposten und die Verteilung von Geldern und Ämtern auf Bundesebene oder
den staatlichen Rundfunk geht, reicht über die Vergabe von Aufträgen an die
Wirtschaft und geht bis hinunter in den kleinsten Bezirksschulrat und in die
Gemeindestuben.
In diesem Umfeld abseits der Politik Karriere zu machen und
sein Leben in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft erfolgreich zu
gestalten, verlangt ein starkes Rückgrat, wohl auch eine große Portion
Selbstbewusstsein und verdient größten Respekt.
Und es zeigt, dass es möglich ist. Auch wenn sich das in
Österreich, und das ist wohl die Krux, schon kaum mehr jemand zutraut. Da
steckt man zuweilen schon Kinder in Parteiorganisationen, auf dass ihnen
dereinst der Weg bis zur Pensionierung geebnet wird, da übernimmt man
politische Funktionen allenfalls für ein paar Jahre, um die Kinder zu
versorgen, da geht man zu einer Partei sehr viel eher um sein Fortkommen
abzusichern und keine Schwierigkeiten beim Häuslbauen zu haben, denn der
politischen Überzeugung wegen.
Dass die Politik allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz
das Land immer noch über die Maßen im Griff hat, hat auch damit zu tun, dass
ihr, respektive den Herr- und Damenschaften die sie repräsentieren, zu viel
Macht und - viel zu oft unterwürfige - Anerkennung entgegengebracht wird.
Wer wegen jedem noch so geringen Anliegen zu einem Politiker geht, um Hilfe
einzufordern, wer für jedes Vorhaben zuerst einmal bei der Politik um
Unterstützung vorstellig wird und wer für alles, was schief läuft, dazu neigt
die Politik verantwortlich zu machen, ohne vorher zumindest versucht zu haben,
die Dinge selbst zu regeln, darf sich nicht wundern, dass die Politik in diesem
Land zu einer Macht gekommen ist, die einer Hybris gleicht, der kaum zu
entkommen ist.
Dass man mit diesem Denken und Verhalten maßgeblich dazu
beiträgt, dass die Politik so mächtig und allumfassend wurde, wie sie heute
ist, kehrt man dabei geflissentlich unter den Tisch.
Man sollte es nicht tun. Zumal in Zeiten, in denen ohnehin
Politikverdrossenheit zu einem immer größeren Thema wird und in dem die Wut auf
und das Unverständnis für die Politik allerorten nachgrade explosionsartig
wächst. Und man sollte zumindest versuchen, die Dinge wieder öfter selbst in
die Hand zu nehmen. Zum Ziel zu kommen, ist auch dann möglich. Viel öfter, als
man glauben mag. Auch in Österreich.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Mai 2015
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