Donnerstag, 18. Dezember 2014

Christkindl-Republik



Österreichs Innenpolitik hat nur mehr ein Thema. Und bei dem wird es auf absehbare Zeit wohl auch bleiben - die Steuerreform. Von vielem ist dabei die Rede, über viel wird schon jetzt gestritten obwohl noch gar keine Details bekannt sind, da wie dort betonieren sich die Verhandlungspartner ohne Not bereits jetzt ein, als ob es kein Morgen gäbe und manche reden gar schon baldige Neuwahlen herbei.

Von einem großen Bereich hingegen redet man bemerkenswert wenig. Von den Ausgaben, bei denen man sparen könnte. Ganz so, als ob die nicht bedeutsam wären für die Budgetnöte, die man nun in den Griff bekommen muss. Man mag darüber nicht reden. Nicht von den 16 Milliarden Euro, die alleine vom Bund jährlich als Förderungen und Zuschüsse unters Volk gebracht werden. Nicht von den Sozialleistungen, die durchforstet werden könnten. Nicht vom Dickicht all der zahllosen großen und kleinen Ausgabenpositionen, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angesammelt haben. Und schon gar nicht von den Strukturen, die das ermöglichen und die längst Kultur geworden sind in diesem Land. Von denen schon gar nicht.

Man hat sich so daran gewohnt. Und man lebt so gut damit. "Es wird ja eh bezahlt" ist zur stehenden Redewendung geworden, wenn sich wegen nicht ganz notwendig erscheinender Ausgaben das schlechte Gewissen meldet, kritische Stimmen warnen, an die Vernunft appelliert wird oder sich Widerstand formiert. Das gilt im privaten Bereich, wenn es etwa gilt, den gemeinsamen Kuraufenthalt mit der allerliebsten Gattin, für den die Sozialversicherung aufkommen soll, zu verteidigen. Und das gilt erst recht im öffentlichen Bereich - für die Kosten für die Ortsumfahrung samt Kreisverkehr für die kleine Gemeinde und deren Bürgermeister weit hinter den Bergen, für die ja das Land "eh mitzahlt" , für manches Projekt, mit denen sich die Landeshauptleute Macht und Ansehen sichern, für die "der Bund eh zahlt". Und das gilt für die Brüsseler Gelder für heimische Projekte, an die man ohne dieses Geld nicht im entferntesten gedacht hätte. "Wir wollen ja keinen Euro in Brüssel liegen lassen", ist die Devise.

"Es wird ja eh bezahlt." Österreichs Politik nimmt sich zuweilen aus wie das Christkind. Dass sich die zuweilen so reichlich Beschenkten und gut behandelt Fühlenden in Wahrheit über eine immer höhere Steuerbelastung und zuweilen ans ordinäre grenzende Gebührenerhöhungen alles selbst zahlen müssen, hat man in dem Taumel schon lange vergessen. Dass das zählt bei den Leuten und gut ankommt, ist viel zu oft der einzige Maßstab, an den man sich hält.

Dabei ist es längst höchste Zeit darüber zu reden, was diese Haltung wirklich kostet und wie von ihr loszukommen ist. Es gab freilich in der Vergangenheit auch ziemlich wenig Grund dafür, diese Mechanismen, die alle schlau und als großzügige Geber erscheinen ließen und ihnen ein gutes Auskommen sicherten, genauer zu hinterfragen. Die kalte Progression bescherte dem Staat Jahr für Jahr automatisch Mehreinnahmen, ohne dass man die lange rechtfertigen musste. An den Gebührenschrauben kann man schier nach Belieben drehen, um sich Körberlgeld zu verschaffen. Und dass die steuerliche Gesetzgebung hierzulande überhaupt so angelegt ist, dass ein Drittel der Bevölkerung erst gar nicht unter die Steuerpflicht fällt, sondern ausschließlich in Form von direkten und indirekten Zahlungen vom System ausschließlich profitiert und ein weiteres Drittel auch nicht mehr als gerade das zahlt, was es als Beihilfen und Ähnliches zurückbekommt, tut sein Übriges.

"Es wird ja eh bezahlt". Um vierzig Milliarden Euro gibt der Staat heute mehr aus, als vor zehn Jahren. Mehr Netto vom Brutto, eine Entlastung des Mittelstandes, einen Schub für die Wirtschaft, eine Neuorientierung, ein Aufbruch waren trotz der enorm angestiegenen Schulden nicht zu erkennen. Die 40 Milliarden stehen in keinerlei Relation zu den paar Prozent, die die Wirtschaft in diesen zehn Jahren der Krise nur unter größten Mühen gewachsen ist.

Allein das ist Argument genug, neue Steuern und eine weitere Erhöhung der Staatseinnahmen abzulehnen. Und es ist Argument genug, in der Steuerreform auch den Einsparungs-Anforderungen den nötigen Raum zu verschaffen und die Strukturen anzupassen.

Sonst macht die Christkindl-Politik aus Österreich noch endgültig eine Christkindl-Republik. Unbedarft und fern des Lebens und seiner Anforderungen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Dezember 2014

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Offenbarung ohne Folgen?



Es war eine Offenbarung im sonst so tristen politischen Alltag Österreichs wie kaum je eine zuvor. Mit einem Mal fasste man wieder Mut. Es gibt diese Leute doch in diesem Land. Die, die anders reden. Die, die anders denken. Die, die wirklich gescheit sind. Die, die etwas draufhaben. Und die, die sich nicht verbiegen lassen. Gerade und von einer präzisen Klarheit und Direktheit, die man hierzulande eigentlich schon längst verloren gegeben hat.

Jeder Satz von Irmgard Griss saß, als sie in der vergangenen Woche den nach ihr benannten Bericht zur Kärntner Hypo-Affäre präsentierte. Worte setzte sie wie ein Skalpell ein. Messerscharf und mit höchster Präzision legte sie unprätentiös und ohne jede Übertreibung und Aufgeregtheit die Vorgänge offen und entblößte dabei die Zustände in dieser Republik und die Politik in diesem Land wie kaum jemand zuvor. Nichts und niemanden schonte sie, und nichts beschönigte sie. Und das, vollends ungewohnt hierzulande, ohne jeden ironischen Unterton und ohne den erhobenen Zeigerfinger der Besserwisser. Eine bittere Wahrheit nach der anderen.

Bittere Wahrheiten, die freilich längst bekannt sind, von denen aber niemand hören wollte. Schon gar nicht die Verantwortlichen in der Politik. Warnende Stimmen wurden wortreich in den Wind geschlagen, Probleme, die aufgeworfen wurden, kleingeredet, Entscheidungen, die sich stellten, auf die lange Bank geschoben, wenn man sich nicht gleich vor ihnen wegduckte und darauf hoffte, alles möge sich von selber lösen. Ganz österreichisch eben.

Der Griss-Bericht ließ sich davon nicht ankränkeln. Und Irmgard Griss schon gar nicht. In Interviews legte sie noch einiges von dem drauf, was das Land beherzigen sollte, und bei dem ihr nur Recht zu geben ist. Es regiere hauptsächlich die Politikersorge, wie man selbst dastehe und man stelle sehr darauf ab, wie über etwas geschrieben werde. Unprätentiös legte sie viele Wurzeln dessen frei, was für Österreich längst zum Übel geworden ist. So verwehrte sie sich dagegen, den Skandal an Personen festzumachen und Namen zu nennen. "Das führt vom eigentlichen Problem weg", sagte sie in einem Interview in der ZiB2. Der oder die würden dann vielleicht verurteilt. "Aber das Problem ist nicht gelöst". Statt dessen bringt sie die Verantwortung der Einrichtungen ins Spiel, die diese Leute entsandt haben, die nach Ansicht vieler nun an den Pranger gehören.

Was Griss fordert und was sie fragt, fehlt in diesem Land schon lange, weil die Bereitschaft zu notwendigen Veränderungen längst von den politischen Mühlen und ihren Interessen zermahlen ist. Der Griss-Bericht zeigt, wie weit unten dieses Land inzwischen angekommen ist, mit dieser Art an Herausforderungen heranzugehen und Probleme zu lösen respektive nicht zu lösen. Der Griss-Bericht und die Person Irmgard Griss rücken aber auch die Frage in den Vordergrund, warum solche Leute in diesem Land kaum zu hören sind respektive warum sie nicht in entscheidenden politischen Funktionen stehen.

Das hohe Risiko für Karrieren und wirtschaftliches Fortkommen ist ein in diesem Zusammenhang oft gehörtes Argument. Und von der geringen Bereitschaft, sich der Öffentlichkeit und der dort immer unerträglicher werdenden Methoden auszusetzen, ist zu hören. Es ist höchste Zeit dieses Umfeld neu aufzubereiten. Österreich kann sich die Distanz der gescheiten, kompetenten und guten Leute zur Politik nicht mehr länger leisten. Leute wie Irmgard Griss braucht dieses Land dringender denn je. Leute, die einen unverstellten Blick habe, Leute die selbstständig sind, Leute, die Politik nicht als plumpes Anbiedern verstehen.

Aber genau das sind wohl die Themen, die das verhindern. Das politische Verständnis und die Strukturen der politischen Parteien stehen diesen Anforderungen diametral entgegen. Längt hat man dort aus den Augen verloren, wie man für solche Leute attraktiv sein könnte, wie man sie für politische Aufgaben interessieren und wie man sie in die Politik bringen könnte.

Irmgard Griss wird nun da und dort bereits als mögliche Kandidatin für die nächste Bundespräsidentenwahl genannt. Man möchte fast darauf wetten, dass sie das nicht sein wird, weil es mehr als genug Politikerinnen und Politiker in diesem Land gibt, die es ihrem politischen Verständnis folgend als ihre Aufgabe sehen, genau das zu verhindern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Dezember 2014

Dienstag, 9. Dezember 2014

Suche nach 190 Milliarden Euro



Lebensmittelrohstoffe wie etwa Weizen, Mais oder Soja sind heuer weltweit 190 Milliarden Euro weniger wert als noch vor zwei Jahren. Den Konsumenten und Bauern nützt das jedenfalls nicht.

HANS GMEINER

SALZBURG. Als im Jahr 2012 auf den internationalen Märkten die Preise für Getreide, Mais und Soja in die Höhe schnalzten, schrillten weltweit die Alarmglocken. Es wurde die Gefahr von Hungerkrisen beschworen und über die Preiserhöhungen bei Lebensmitteln geklagt. Die Verantwortlichen dafür waren rasch ausgemacht. Spekulationsgeschäfte mit Getreide und Mais sowie der weltweite Agrosprit-Boom wurden an den Pranger gestellt.

Zwei Jahre später ist zwar auf den internationalen Getreidemärkten alles anders. Um gut zehn Prozent höhere Welternten ließen die Preise für Weizen, Mais und Soja in den Keller stürzen. Für Weizen wird heute um rund ein Drittel weniger gezahlt als vor zwei Jahren. Bei Mais und Soja beträgt das Minus sogar rund 40 Prozent. Bei Zucker ist es kaum anders.

Das zeigt, wie volatil und labil die Getreidemärkte sind. Immer klarer wird, dass die bisherigen Erklärungen insbesondere für Preisanstiege zu kurz greifen. So wurde etwa die weltweite Biospritproduktion in den vergangenen zwei Jahren nicht eingeschränkt. In einem neuen Licht werden inzwischen auch Spekulationsgeschäfte gesehen. „Sie wurden eher mehr und bisher in ihrer Wirkung auf die Preise überschätzt“, sagt Wirtschaftsforscher Franz Sinabell. Sie brächten eher Sicherheit und Berechenbarkeit auf den Märkten. „Politische Eingriffe in Märkte, wie Exportbeschränkungen, haben weitaus weitreichendere Folgen.“

Der Preisverfall bei den Rohstoffen von den Feldern erspart in der Kette der Lebensmittelproduktion seit zwei Jahren richtig viel Geld. Weltweit liegt heuer etwa der Wert der gesamten Ernten von Weizen, Mais und Soja trotz der höheren Mengen mit 350 Mrd. Euro um rund 190 Mrd. Euro niedriger als vor zwei Jahren. In Österreich beträgt die Einsparung gegenüber 2012 allein bei Weizen und Mais rechnerisch mehr als 300 Millionen Euro.

Während vor allem die landwirtschaftlichen Erzeuger unter dem Preisdruck zu leiden haben und Einbußen bei den Einnahmen hinnehmen müssen, spüren die Konsumenten bei den Lebensmittelpreisen kaum etwas von der drastischen Verringerung der Rohstoffkosten. Und obwohl diese Einsparungen im Kampf gegen den Welthunger wie ein ungeheuer großes Hilfsprogramm wirken müssten, ist auch dort kaum etwas von Erfolgen zu vernehmen.

Nach wie vor zählen die Lebensmittel international und in Österreich zu den größten Preistreibern. Erst vor ein paar Monaten, als die Preise für die Rohstoffe längst im Keller waren, beklagte die Arbeiterkammer, dass die Lebensmittelpreise in Österreich doppelt so stark steigen wie die Inflation.

Wer vom Preisverfall profitiert und wo die fast 200 Milliarden Euro, die man sich weltweit einspart, wirklich landen, ist schwer auszumachen. „Die Konsumenten haben jedenfalls keinen Vorteil davon“, sagen Kenner der Szene wie Sinabell. „Das meiste wird einfach von den Verarbeitern und vom Handel geschluckt“, vermutet er. Niedrigere Rohstoffkosten würden erst weitergegeben, wenn die Preise über längere Zeit niedrig seien. Zwei Jahre sind dafür offenbar zu wenig. Verarbeiter und Handel erklären die unvermindert hohen Preise vor allem mit dem geringen Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten für die fertigen Produkte. Dass sie in Zeiten steigender Rohstoffpreise immer mit den gestiegenen Kosten für die Vorprodukte aus der Landwirtschaft argumentieren, wenn es gilt, Preiserhöhungen durchzusetzen, vergessen sie dabei tunlichst.

Anders ist die Situation in Weltregionen, in denen der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln nicht so hoch liegt wie bei uns. „Dort spürt man die Preisrückgänge sehr wohl“, sagt Sinabell. Viele Menschen hätten aber dennoch nichts davon, weil sie unter der oft schlechten konjunkturellen Situation litten und sie sich auch die günstigeren Lebensmittel nicht leisten könnten.

Zu den Nutznießern zählen aber auch die Tierproduzenten unter den Landwirten. Sie profitieren von den günstigeren Preisen für Futtergetreide und Soja. Sie brauchen das freilich ihrer Ansicht nach auch dringend. Der Preisdruck wegen des hohen Angebots, der durch die Russland-Krise noch verschärft wurde, sei in vielen Bereichen groß. Vor allem Schweinefleischproduzenten klagen. Auch für Milcherzeuger hat sich die Situation in den vergangenen Monaten drastisch gewandelt. Statt mit Rekordpreisen, wie noch zu Jahresbeginn zu bekommen, muss man nun mit Preisen für Milch und Milchprodukte leben, die schier im Wochentakt fallen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. Dezember 2014

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Unerfüllte Erwartungen





"Herz-Jesu-Schrittmacher" wurde er genannt, weil er bei seiner Vereidigung als Minister seinen Schwur auch auf das Heilige Herz Jesu Christi leistete. Als "Spaßminister" tauchte er in den Gazetten auf. Und als Bienenretter waren ihm die Schlagzeilen genauso sicher, wie als Äpfelverteiler.  Die Strategie funktionierte. In der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung stürmten die Beliebtheitswerte in die Höhe. So sehr, dass der Tiroler in der Spindelegger-Nachfolge sogar als Kandidat gehandelt wurde.

Andrä Rupprechter ist in seinem ersten Jahr auf der Bühne der heimischen Politik als vieles zu sehen gewesen, Landwirtschaftsminister aber, als der er eigentlich geholt wurde, ist er immer noch nicht ganz. Darum hält sich die Begeisterung über ihn im Agrarbereich auch in Grenzen.

Dabei hat es so viele und so große Hoffnungen gegeben. Wer, wenn nicht er, wusste, wie man es macht, war die Meinung. Und die Hoffnung. Doch Rupprechter hat in seinem ersten Jahr diese Erwartungen noch nicht eingelöst. Eine ausgeprägte Handschrift, eine Linie und Leadership, wie man sich von einem Mann seines Kalibers erwartet, sind noch viel zu selten erkennbar.

Die Liste der Versprechungen und Ankündigungen ist lang. Viele sind uneingelöst, viele hängen in der Warteschleife und viele stecken im Apparat fest oder sind längst am Abstellgleis geparkt. Wo Annährung entstehen sollte - wie  etwa zum Lebensmittelhandel - entstanden Fronten und machte sich Distanz breit. Und viele der Erfolge, die er verkauft, sind, wie die Fleisch-Export-Initiativen in Fernost, nichts anderes, als Absichtserklärungen, deren Umsetzung in zählbare Euros noch lange dauern wird.

Einzig die Neu-Organisation des Ministeriums und die Almlösung darf sich Rupprechter als Federn an seinen Tirolerhut stecken. Die Verhandlungen rund ums Umweltprogramm hingegen gerieten fast zum Desaster. Termine, die genannt wurden, hielten selten, und Programmpunkte, die als fix gehandelt wurden, auch nicht immer. Richtig an die Wand aber fuhr Rupprechter die heimische Pflanzenschutzpolitik. "Im Zweifel für den Regenwurm" diktierte er vollmundig und wie immer lächelnd in die Notizblöcke der Journalisten. Dass er damit den Großteil der heimischen Bauern, zumal die konventionelle Landwirtschaft, brüskierte und in ernsthafte Schwierigkeiten brachte, scheint ihm einerlei.

Es nimmt nicht Wunder, dass der Zuspruch in der Bauernschaft, aber auch in der heimischen Agrarwirtschaft in den vor- und nachgelagerten Bereichen dabei ist, in offene Ablehnung und immer öfter auch in Wut und Häme umzuschlagen. Längst geht ein Riss durch die Agrarpolitik, längst wächst die Wut in den Unternehmen. "Es nimmt ihn niemand mehr ernst", schimpft der Chef eines heimischen Schlüssel-Unternehmens im Agrarbereich, der sich von ihm düpiert und im Stich gelassen fühlt. "Er macht vorne seine Show und zu den Wünschen der Wirtschaft lacht er nur."

Rupprechters Spiel ist riskant für die gesamte Landwirtschaft, weil er keine Alternativen anbietet. Im Verein mit der Unverbindlichkeit, die zuweilen in Schnoddrigkeit umschlägt, die Rupprechter zumeist an den Tag legt, kann das zur Gefahr werden. Die Bauern und die gesamte Agrarwirtschaft brauchen aber Richtung und Rückhalt, zumal in einem gesellschaftlichen Umfeld, das von immer mehr Bauern als feindlich empfunden wird.

Genau das zu bieten ist von  Rupprechter einzufordern. Gerade von ihm, der das Geschäft wie kaum ein anderer in diesem Land kennt.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Dezember 2014

Wir Unkalkulierbaren



Euphemismen nennt man sprachliche Ausdrücke, die einen Sachverhalt beschönigen und mildern, wenn nicht gar in verschleiernder Absicht benennen. Solche Euphemismen haben in diesen Tagen, wo allerorten Meldungen von einer einbrechenden Wirtschaft kursieren oder, wo man, wie in der SPÖ, brüskierende Wahlergebnisse zu vermelden hat, Hochkonjunktur.

Unangenehmes wird möglichst schmeichelweich unter die Leute gebracht. Von "Minuswachstum" redet man jetzt gerne, wenn die Konjunkturforscher einen ein Schrumpfen der Wirtschaft vorhersagen, von "Marktbegleiter", wenn man die Konkurrenz verniedlichen will, und von "Freisetzung von Mitarbeitern", wenn man Kündigungen plant. Und ein österreichischer Top-Manager in italienischem Sold ließ jüngst nicht mit den von ihm ansonsten gewohnten Zuwachszahlen aufhorchen, sondern damit, dass er eine "Verlangsamung der Märkte um bis zu 15 Prozent" befürchte.

Verharmlosender kann man kaum sagen, dass man große Schwierigkeiten erwartet.

Unerreicht freilich ist in diesen Tagen der Sager von SP-Klubobmann Andreas Schieder vom "Oberwasser, an dem man sich auch verschlucken" könne im Zusammenhang mit Faymanns magerem Ergebnis bei der Wahl zum SP-Parteiobmann. So kann man die 83,9 Prozent auch "ganz normal" sehen. Man ist wohl dankbar, dass Faymann die mehr als 90 angepeilten Prozent gar nicht bekommen hat. Denn dann hätte er sich möglicherweise doch glatt verschluckt und wäre vielleicht heute gar nicht mehr. Wenn Euphemismen grassieren, ist höchste Vorsicht geboten. Man will etwas verstecken, man will etwas nicht zugeben, man will etwas verschleiern. So nimmt nicht wunder, dass in einem Land, in dem vieles schief läuft, Kultur geworden ist, die Dinge nicht beim Namen zu nennen. Man scheut die Reaktionen auf allzu direkte Äußerungen und Ankündigungen, zumal dann, wenn sie Belastungen, Einschränkungen, Streichungen oder das Eingestehen eigener Fehler bedeuten.

Man hat gelernt, dass dafür bestraft wird, wer allzu unverblümt die Wahrheit ausspricht. Längst hat man sich in eine Welt der Euphemismen geflüchtet, um bei den potentiellen Wählerinnen und Wählern möglichst gut dazustehen und dabei mitunter den Bezug zur Wirklichkeit und ihren Anforderungen verloren. Zu verdenken ist den Verantwortlichen das nicht, weiß man sich damit doch auf der sicheren Seite -die Leute schätzen das. Für viele freilich sind die Folgen der ewigen Schönfärberei längst unerträglich geworden. Was, von dem, was erzählt wird, fragen sie sich, stimmt und was nicht? Wie ist es wirklich einzuordnen? Und worauf muss man sich einstellen? Die Menschen sind zunehmend überfordert damit.

Wie auf der einen Seite der Trend zu Euphemismen zur Plage geworden ist, wächst auf der anderen Seite der blinde Alarmismus, den die Tendenz zur Verniedlichung und Schönfärberei nachgerade herausfordert. Er warnt vor allem und jedem und vermutet überall Betrug und Untergang. Das freilich macht es um keinen Deut leichter.

Im Verein nähren die beiden Tendenzen nichts als die Politikverdrossenheit. Man hat genug davon, sich mühsam im Dschungel schmeichelweicher Formulierungen und übertriebener Warnungen und Vorhaltungen Orientierung verschaffen zu müssen. Immer seltener will man Zeit dafür aufwenden, wo sich allzu oft am Ende doch herausstellt, das man der Geleimte ist. Da lässt man's lieber gleich bleiben und geht seiner Wege.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Sehnsucht nach klaren Worten und nach klaren Handlungen markant zu. Nicht zuletzt deshalb, weil die Menschen spüren, dass ihnen etwas vorgemacht wird und dass viele Dinge falsch laufen. Der Politik fehlt dennoch der Mumm zu handeln. Viel lieber setzt man darauf, alles weich und klein zu reden, weiß man doch, das der - um beim Thema Euphemismus zu bleiben - "politische Mitbewerb" auf nichts anders wartet und klare Worte sofort seinerseits mit Alarmismus abstraft.

Längst hat man in diesem Spiel die Realität aus den Augen verloren und ist auf diese Weise in eine Kunstwelt geraten, die der wirklichen Welt und ihren Anforderungen entgegensteht.

Den Knoten aufzulösen scheint unmöglich. Nicht zuletzt, weil auch wir Bürgerinnen und Bürger dazu neigen, nach unserem Gusto und unseren Bedürfnissen zwischen den Euphemismen und Übertreibungen hin und her zu schalten und uns damit selbst unkalkulierbar und zur Bremse jedweder Entwicklung und notwendiger Maßnahmen zu machen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Dezember 2014
 
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