Donnerstag, 11. Dezember 2014
Offenbarung ohne Folgen?
Es war eine Offenbarung im sonst so tristen politischen Alltag Österreichs wie kaum je eine zuvor. Mit einem Mal fasste man wieder Mut. Es gibt diese Leute doch in diesem Land. Die, die anders reden. Die, die anders denken. Die, die wirklich gescheit sind. Die, die etwas draufhaben. Und die, die sich nicht verbiegen lassen. Gerade und von einer präzisen Klarheit und Direktheit, die man hierzulande eigentlich schon längst verloren gegeben hat.
Jeder Satz von Irmgard Griss saß, als sie in der vergangenen Woche den nach ihr benannten Bericht zur Kärntner Hypo-Affäre präsentierte. Worte setzte sie wie ein Skalpell ein. Messerscharf und mit höchster Präzision legte sie unprätentiös und ohne jede Übertreibung und Aufgeregtheit die Vorgänge offen und entblößte dabei die Zustände in dieser Republik und die Politik in diesem Land wie kaum jemand zuvor. Nichts und niemanden schonte sie, und nichts beschönigte sie. Und das, vollends ungewohnt hierzulande, ohne jeden ironischen Unterton und ohne den erhobenen Zeigerfinger der Besserwisser. Eine bittere Wahrheit nach der anderen.
Bittere Wahrheiten, die freilich längst bekannt sind, von denen aber niemand hören wollte. Schon gar nicht die Verantwortlichen in der Politik. Warnende Stimmen wurden wortreich in den Wind geschlagen, Probleme, die aufgeworfen wurden, kleingeredet, Entscheidungen, die sich stellten, auf die lange Bank geschoben, wenn man sich nicht gleich vor ihnen wegduckte und darauf hoffte, alles möge sich von selber lösen. Ganz österreichisch eben.
Der Griss-Bericht ließ sich davon nicht ankränkeln. Und Irmgard Griss schon gar nicht. In Interviews legte sie noch einiges von dem drauf, was das Land beherzigen sollte, und bei dem ihr nur Recht zu geben ist. Es regiere hauptsächlich die Politikersorge, wie man selbst dastehe und man stelle sehr darauf ab, wie über etwas geschrieben werde. Unprätentiös legte sie viele Wurzeln dessen frei, was für Österreich längst zum Übel geworden ist. So verwehrte sie sich dagegen, den Skandal an Personen festzumachen und Namen zu nennen. "Das führt vom eigentlichen Problem weg", sagte sie in einem Interview in der ZiB2. Der oder die würden dann vielleicht verurteilt. "Aber das Problem ist nicht gelöst". Statt dessen bringt sie die Verantwortung der Einrichtungen ins Spiel, die diese Leute entsandt haben, die nach Ansicht vieler nun an den Pranger gehören.
Was Griss fordert und was sie fragt, fehlt in diesem Land schon lange, weil die Bereitschaft zu notwendigen Veränderungen längst von den politischen Mühlen und ihren Interessen zermahlen ist. Der Griss-Bericht zeigt, wie weit unten dieses Land inzwischen angekommen ist, mit dieser Art an Herausforderungen heranzugehen und Probleme zu lösen respektive nicht zu lösen. Der Griss-Bericht und die Person Irmgard Griss rücken aber auch die Frage in den Vordergrund, warum solche Leute in diesem Land kaum zu hören sind respektive warum sie nicht in entscheidenden politischen Funktionen stehen.
Das hohe Risiko für Karrieren und wirtschaftliches Fortkommen ist ein in diesem Zusammenhang oft gehörtes Argument. Und von der geringen Bereitschaft, sich der Öffentlichkeit und der dort immer unerträglicher werdenden Methoden auszusetzen, ist zu hören. Es ist höchste Zeit dieses Umfeld neu aufzubereiten. Österreich kann sich die Distanz der gescheiten, kompetenten und guten Leute zur Politik nicht mehr länger leisten. Leute wie Irmgard Griss braucht dieses Land dringender denn je. Leute, die einen unverstellten Blick habe, Leute die selbstständig sind, Leute, die Politik nicht als plumpes Anbiedern verstehen.
Aber genau das sind wohl die Themen, die das verhindern. Das politische Verständnis und die Strukturen der politischen Parteien stehen diesen Anforderungen diametral entgegen. Längt hat man dort aus den Augen verloren, wie man für solche Leute attraktiv sein könnte, wie man sie für politische Aufgaben interessieren und wie man sie in die Politik bringen könnte.
Irmgard Griss wird nun da und dort bereits als mögliche Kandidatin für die nächste Bundespräsidentenwahl genannt. Man möchte fast darauf wetten, dass sie das nicht sein wird, weil es mehr als genug Politikerinnen und Politiker in diesem Land gibt, die es ihrem politischen Verständnis folgend als ihre Aufgabe sehen, genau das zu verhindern.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Dezember 2014
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