Mittwoch, 25. Oktober 2017

Die Grünen sind auch nur Menschen - ganz gewöhnliche



"Wir haben 's vernudelt", twitterte der neue Grünen-Chef Werner Kogler zerknirscht. Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou musste in den sozialen Medien wahre Schimpfkanonaden über sich ergehen lassen. Manche Zeitungen berichteten von Schreiduellen in der Grünen-Zentrale. Und Peter Pilz richtete via Zeitungsinterviews aus, dass ihm die grüne Partei "mittlerweile wurscht" ist.

Die Grünen sind also doch auch nur Menschen. Ganz gewöhnliche sogar, wie sich in den vergangenen Tagen zeigte. Da ist nichts von den hehren Werten in Umgang und Diskussion miteinander, die sie von anderen immer ohne Abstriche verlangten. Auch sie und ihre Parteigänger ticken nach den gleichen Mustern, wie all die anderen, die sie in besseren Tagen immer meinten kritisieren zu müssen. Bosheit ist ihnen nicht fremd. Auch nicht List und Tücke, Hinterhältigkeit und all das andere, was sie immer so gerne kritisierten. Mit der Solidarität ist das auch so eine Sache. Und auch mit dem Verhalten, das ansonsten nur die stets und so gerne an den Pranger gestellten Wirtschaftsbosse und andere Vertreter des immer so heftig kritisierten Establishments an den Tag legten. Man traute seinen Ohren nicht, als man hörte, dass Peter Pilz, über Jahrzehnte Mastermind der Grünen, nonchalant in übelster neoliberaler Boss-Manier in die Mikrofone sagte, dass er nicht daran denke, jemanden von den gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Grünen Klub zu übernehmen, sondern alle Posten, die er zu vergeben hat, ausschreiben und "nur die besten aussuchen will".

Solidarität, wie sie so oft auch von ihm eingefordert wurde, schaut wohl in den Vorstellungen der meisten Menschen anders aus. Man stelle sich nur vor, wie die Grünen über ein Unternehmen geschimpft hätten, das es so gemacht hätte wie Pilz. Und wie er selbst noch vor gar nicht langer Zeit auf die Barrikaden gegangen wäre.

Die Grünen sind nicht die Ersten, bei denen das zu beobachten ist. Man kennt das auch von vielen anderen -gleich ob es einzelne Menschen sind, Organisationen oder Einrichtungen, die gerne besondere hohe moralische und ethische Ansprüche bemühen und gerne mit dem Finger auf andere zeigen. Wenn diese Ansprüche auf die Wirklichkeit treffen, tun sich schnell Abgründe auf, zumal dann, wenn die Dinge nicht rund laufen. Da sind die Prinzipien und die Grundsätze oft im Nu über Bord geworfen, da wird alles ganz schnell ganz gewöhnlich, da unterscheidet man sich mit einem Mal um keinen Deut von denen, auf die man mit dem Finger zeigte. Und da bleiben oft auch viele staunend und enttäuscht, die ihnen geglaubt und versucht haben, deren Grundsätze zu leben und dafür sogar kämpften.

Die Grünen haben nicht nur die Wahlen verloren, sie haben sich auch selbst entzaubert. Zerschellt an der Wirklichkeit, müssen sie sich von allen Seiten vorhalten lassen, "persönliche Befindlichkeiten über die Befindlichkeit ihrer Wählerschaft gestellt zu haben, "wichtige Wertekonflikte nicht aufgelöst und "um Antworten herumgedruckst" zu haben, wie in den vielen Analysen des Desasters zu lesen ist. "Irgendwann hat es sich durchgesetzt, mit anderen nicht mehr respektvoll zu streiten, sondern sie als moralisch minder zurechtzuweisen."

"Die haben irgendwie den erhobenen Zeigefinger eingebaut", ätzte etwa der zum grünen Urgestein gehörende Christoph Chorherr.

Im Land freuen sich viele über die Kalamitäten, in denen die Grünen jetzt stecken. Schenkelklopfend zuweilen. Der "eingebaute Zeigefinger" nervte viele. Oft bis aufs Blut. Da ist die Häme verständlich. Dennoch sollte man den Stab über die Grünen nicht brechen. Sie werden fehlen. Auch wenn man oft Schwierigkeiten mit ihnen hatte und ihre Ansichten sperrig waren. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie sich wieder finden. Nicht als die Partei, die sie zuletzt waren, als Partei, die sich nicht einmal mehr richtig als Umweltpartei, sondern meistens sehr viel mehr als Kontrollpartei verstand, sondern als Partei, die den gesellschaftlichen Diskurs belebt, die neue Sichtweisen in die öffentliche Diskussion bringt und die versteht, sie auch umzusetzen. Und die auch das nötige Augenmaß hat und Verständnis für andere Ansichten und Bedürfnisse.

Gerade in einer Zeit, wie wir sie derzeit in der Politik und in der Gesellschaft erleben, ist das von ganz besonders großer Wichtigkeit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Oktober 2017

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Die Leiden von Verlierern



Christian Kern, als smarter ÖBB-Chef einer der bestverdienenden Manager des Landes mit einem Jahreseinkommen weit jenseits jener 500.000 Euro-Grenze, die er zuletzt in den öffentlichen Betrieben einführen wollte, redete sich in seiner Not in den vergangenen Wochen in einen klassenkämpferischen Furor hinein. Selbst nach der Wahl am Sonntag postete er noch auf Facebook, die SPÖ lasse sich "nicht von Konzernen, Superreichen und ihren Medienfreunden in die Knie zwingen".

Verlieren will gelernt sein. Viele tun sich schwer damit, das Wahlergebnis zu akzeptieren und damit umzugehen. Nicht nur der abgewählte Kanzler. Da werden schnell Bilder gezeichnet, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Da wird gnadenlos überzogen und da werden Ängste geschürt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Schon ist man sogar dabei, Demos zu organisieren und die Stimmung aufzuheizen. Pikanterweise freilich nur für den Fall, dass die schwarz-türkisen mit Strache eine Koalition eingehen sollten. Wohl nicht aber, wenn Kerns SP das täte, die seit Tagen dabei ist, sich die FPÖ schönzureden, um vielleicht doch nicht von der Macht lassen zu müssen.

Man tut sich schwer damit, zu akzeptieren, dass es für politische Fragen auch andere Ziele und Lösungsansätze gibt, die von den Wählern für sinnvoller erachtet werden und dass es auch eine andere Sicht von Gerechtigkeit gibt.

Natürlich ergeht man sich jetzt in und rund um die SPÖ darin, einen Rechtsruck zu beklagen und ihn zu einer Gefahr zu stilisieren. Ganz so, als ob Österreich je ein linkes Land gewesen wäre. Das war es nie. Auch ist die SPÖ längst keine linke Partei mehr, sondern viel eher -und dort sollte sie die Fehler suchen -zu einer Verteilungsund Selbstbedienungsmaschine geworden, freilich längst oft weitab von dem, was die Leute wollen und brauchen. Sie hat es selbst vermasselt, und nicht nur wegen Silberstein. Aber davon will man nichts wissen.

Diesmal ist es die SPÖ, die die Fehler macht, die man bisher vor allem von der ÖVP kannte, wenn für sie Wahlen schiefgingen. Man hält sich für moralisch überlegen und die Wählerinnen und Wähler für zu blöd, das zu erkennen -frei nach dem Motto "Der Irrtum geht vom Volk aus".

Es ist nur zu wünschen, dass die Vernunft Oberhand behält und man möglichst rasch lernt, das Wahlergebnis zu akzeptieren und damit umzugehen. Auch wenn es noch so schwer fällt. Runter vom Gas kann man nur verlangen. Es waren Wahlen und es hat das Volk entschieden. Herzstück einer Demokratie ist doch, dass die Menschen die Möglichkeit haben, auf dem Weg von regelmäßigen Wahlen in die politische Führung ihres Landes einzugreifen. Jeder und jede Einzelne.

Daher ist es ein ganz normaler demokratischer Vorgang, dass Wahlen nicht die Bestätigung herrschender Verhältnisse sind, sondern vor allem auch Veränderung ermöglichen, weil man mit der Regierung unzufrieden ist. Nichts anders ist am vergangenen Sonntag geschehen. Da war nichts getürkt, da wurde nicht geputscht, da hat niemand die Macht mit unlauteren Mitteln an sich gerissen. Die Sehnsucht nach Veränderung war stärker als alles andere. Das war es. Und das hat zu neuen Machtverhältnissen geführt.

Jetzt gibt es aller Voraussicht nach eine andere Regierungskonstellation. Was denn sonst, ist zu fragen. Neue Koalitionen müssen möglich sein. Die beiden Parteien, die das Land in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten regiert haben, haben gezeigt, dass sie nicht mehr miteinander können und wollen. Also ist die Veränderung nur zu logisch. Damit muss man leben lernen.

Verlieren ist schwer, aber das Land stürzt, wie man im Umfeld der Sozialdemokraten glaubt, in keine Katastrophe. Im Gegenteil -es ist die Chance, all den Ballast endlich abzuwerfen, der sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angesammelt hat und neu zu beginnen. Übertriebene Erwartungen sind freilich nicht angebracht. Die ÖVP ist auch im türkisen Kleid die ÖVP, und die Freiheitlichen sind, auch wenn sie sich in den vergangenen Monaten ausschließlich von Kreide ernährt zu haben scheinen, die Freiheitlichen.

Das ist vor allem für Sebastian Kurz die große Herausforderung. Die Erwartungen, die er geweckt hat, sind hoch, die Gefahr zu scheitern auch. Er trägt jetzt die Verantwortung nicht nur dafür, dass wirklich das kommt, was er angekündigt hat, er trägt auch die Verantwortung dafür, dass das nicht kommt, was die Wahlverlierer in ihrer Verzweiflung an Gefahren an die Wände malen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Oktober 2017

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Verlierer - hausgemacht



Im Land, das am kommenden Sonntag wählt, läuft vieles falsch. Das kann man an Vielerlei festmachen. Sei es an der von manchen als ungerecht empfundenen Verteilung der Vermögen, an der von vielen als nicht weniger ungerecht empfundenen Verteilung der Steuerlast, an der Bürokratie, die jede Österreicherin und jeden Österreicher schon in irgendeiner Form gequält hat, oder am Zustand der Staatsfinanzen.

An Themen wie diesen fehlt es wahrlich nicht. Aber kaum wo lässt sich besser und eindrücklicher festmachen und zeigen, wie stark die Dinge im Land aus dem Lot geraten sind, als an einem Beispiel, das Sebastian Kurz in seiner Antrittsrede als ÖVP-Obmann brachte. "Wir haben heute eine Situation in Österreich", sagte er, "dass ein Automechaniker fast neun Stunden arbeiten muss, bis er sich von seinem Gehalt eine Stunde eines Installateurs leisten kann." Und umgekehrt sei es nicht anders, fügt Kurz an. "Der Installateur muss sogar 13 Stunden arbeiten, bis er sich eine Stunde bei einem Automechaniker verdient hat."

Freilich wurde dann an dem Vergleich herumgemäkelt und wurden die Zahlen in Zweifel gezogen. Widerlegen konnte man sie in ihrer Gesamtheit aber nicht und letztendlich bestätigten alle Berechnungen die Feststellung von Sebastian Kurz im Grundsätzlichen.

Am Beispiel von Kurz ist greifbar, wie dieses System, das Österreich jahrzehntelang bestimmte, inzwischen versagt, wie sehr es überholt ist und wie dringlich der Bedarf an Abänderungen und Anpassungen ist. Es hat viel zu viele zu Verlierern gemacht. Den Handwerker, weil er sich eine Arbeit, die seiner eigenen entspricht, kaum leisten kann, der Kunde, weil Handwerksarbeit oft unerschwinglich teuer ist, und der Handwerksbetrieb, weil ihm trotz der hohen Preise, die er verrechnen muss, oft dennoch nichts bleibt. Kaum sonstwo ist Ungleichheit greifbarer.

Vor allem unglaublich hohe Lohnebenkosten, aufgeladen mit Bürokratie, Steuern und Abgaben und Sozialtarifen, die sich auftürmen, sind der Grund dafür. In kaum einem anderen Land sind die Kosten so hoch, die auf die Löhne draufgepackt werden und in kaum einem anderen Land die Kosten, die für die Arbeit verrechnet werden müssen, um zumindest über die Runden zu kommen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Land mit all dem politischen Flickwerk, mit den halbherzigen Steuerreformen, und allem Hin-und Rücksichtl der Verantwortlichen in Politik und Gewerkschaften im Verein mit all den anderen Interessenvertretungen, und wer alles noch meint, mitreden zu müssen, in eine Situation hineinmanövriert, die nichts ist denn kafkaesk und absurd. Und die nichts mehr mit den ursprünglichen Zielen zu tun, sondern oft längst das genaue Gegenteil dessen bewirkt hat. Nicht nur einmal hat man auf diese Weise sehr viel mehr Verlierer geschaffen als Gewinner. Und schon gar nicht hat man das Land weitergebracht, sondern sehr viel öfter vielen Chancen verbaut und das Geld aus der Tasche gezogen, ohne dass irgendjemand davon profitiert hätte -außer der Staat.

Da hat sich ein System, das allen Gutes tun wollte und dessen Trachten es war, möglichst gerecht zu sein, längst gegen sich selbst gewendet und oft und oft ad absurdum geführt. Eindrücklich wie kaum anderswo zeigt sich, wie notwendig ein frischer Wind ist. Wie notwendig es ist, überkommene Einstellungen und Strukturen zu brechen und Alteingefahrenes zu überwinden und hinter sich zu lassen.

Allen wäre damit geholfen. Man stelle sich vor, der von Kurz zitierte Automechaniker müsste nur drei, vier Stunden arbeiten, um sich eine Stunde eines Installateurs leisten zu können, der den Rohrbruch in seiner Küche repariert. Oder der Installateur müsste nur fünf Stunden arbeiten, um den Blechschaden an seinem Auto in einer Werkstatt ausbiegen zu lassen. Das schafft keine noch so große steuerliche Umverteilung oder Ähnliches. Jedem bliebe mehr Geld in der Brieftasche, jeder könnte sich mehr leisten, es müsste weniger gepfuscht werden, die Unternehmen hätten mehr davon, allen ginge es besser. Jedem Einzelnen, der Wirtschaft, der ganzen Gesellschaft, dem ganzen Land.

Die Hoffnung, dass es so kommt, ist freilich gering. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es ja. Und sich an solche Sprüche zu klammern, erscheint nach der Wahl-Schlammschlacht der vergangenen Woche ohnehin als die einzige Möglichkeit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Oktober 2017

Agrana mausert sich zu Stärke-Imperium



Mit Investitionen von rund 200 Mill. Euro werden Kapazitäten stark ausgebaut.

Aschach. Die Agrana arbeitet weiter intensiv am Ausbau der Geschäftsfelder abseits der Zuckerproduktion, die nicht zuletzt wegen des Wegfalls der Produktionsquoten in der EU immer weniger Freude bereitet. Im Fokus steht dabei derzeit der Ausbau der Stärkeproduktion, die in den vergangenen Jahren hinter der Fruchtbe-und -verarbeitung zum wichtigsten Standbein geworden ist. In der Stärkefabrik in Aschach (OÖ) wurde Mittwoch der neueste Zubau eröffnet, mit dem an diesem Standort die Verarbeitungskapazitäten um ein Drittel auf 540.000 Tonnen Mais pro Jahr erhöht werden. „Der Stärkemarkt bietet vor allem bei Spezialprodukten für die Papier-, Textil-, Kosmetik-, Pharma- und Baustoffindustrie interessante Möglichkeiten“, sagt Agrana-Chef Johann Marihart.

Bis Anfang 2020 sollen auch die Kapazitäten der Weizenstärkefabrik in Pischelsdorf (NÖ) verdoppelt werden. Geplant ist auch, die Kapazitäten der Kartoffelstärkefabrik in Gmünd (NÖ) um 30 Prozent zu erhöhen. „Insgesamt investieren wir im Stärkebereich, zu dem auch Werke in Ungarn und Rumänien gehören, rund 200 Millionen Euro“, sagt Marihart. Die Agrana verarbeitet in dieser Sparte jährlich 2,5 Mill. Tonnen Weizen und Mais sowie 250.000 Tonnen Kartoffeln und ist bereits unter den Top 5 in Europa.  gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. Oktober 2017

Freitag, 6. Oktober 2017

Geben sich die Bauernvertreter auf?



Österreichs Bauern machen nach Jahren des Niedergangs keine zwei Prozent der Bevölkerung aus. Ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung des Landes ist, in offiziellen Zahlen gemessen, noch geringer. Zynisch könnte man da sagen, dass Elisabeth Köstinger doch nur recht hat, dass sie nach dem Rückzug aus dem Europäischen Parlament und der Rückkehr nach Wien nach den NR-Wahlen gleich einen Südtiroler EU-Abgeordneten quasi als ihren "Nachfolger" nominiert und damit die Bauernvertretung in Ausland auslagert.

Bei Licht betrachtet ist das freilich nichts anderes, als so etwas wie eine Selbstaufgabe der heimischen Bauernvertretung. Von Umsicht und Stärke zeugt das nicht, sehr viel eher wohl von einem sehr saloppen Umgang mit der Verantwortung.

Dass die Umstände des Wechsels schwierig sind, und der nächste mögliche Bauernvertreter auf der Wahlliste zu weit hinten rangiert, um Köstinger zu folgen, darf keine Entschuldigung sein. Zumal es inmitten einer Phase geschieht, in der es für die heimische Landwirtschaft vor der nächsten Agrarreform in Brüssel um sehr viel geht. Und zumal sich viele Landwirte auf Köstinger und ihr Fachwissen und ihre Versprechen, sich für die heimische Landwirtschaft in Brüssel einzusetzen, verlassen haben. Das alles klingt nun freilich im Nachhinein ziemlich hohl - es sei denn, sie wird doch noch Landwirtschaftministerin.

Die ehemalige und auch die neue Bauernbundführung sehen in der Köstinger-Nachfolge jedenfalls ziemlich alt und überfordert aus. Sichtbares Indiz dafür ist, dass die einschlägigen Bauernbund- und Parteimedien die Rückzugsankündigung Köstingers auf der Rieder Messe bisher mit keinem Wort erwähnten und schon gar nicht, welchen Ausweg man zu finden erwägt, um Österreichs Bauern im Brüsseler EU-Parlament wieder ordentlich und nicht durch einen Südtiroler zu vertreten.

Der Abgang der Vorzeige-Agrarpolitikerin wirft ein bezeichnendes Licht auf die Personal-Probleme der heimischen Bauernvertretung, zumal im Bauernbund. Es geht ja nicht um Köstinger alleine. Mit dem Rückzug von Jakob Auer und Hermann Schultes aus dem Nationalrat, gehen den Bauern in einer überaus heiklen politischen Phase gleich zwei Schwergewichte verloren. Wenn man sich Gewicht und Bedeutung der Bauern, respektive des einst in der ÖVP so mächtigen Bauernbundes und der Landwirtschaft, im Umfeld der  türkisen Kurz-Bewegung und deren Programmen anschaut, sind Sorgen um die künftige Vertretung der bäuerlichen Interessen durchaus angebracht. Landwirtschaft kommt da kaum vor.

Für den neuen Bauernbundpräsidenten Georg Strasser sind das enorme Herausforderungen, die er erst einmal meistern muss. Die Stärke der Bauern in der ÖVP und die zahlenmäßige Stärke der Bauern in der VP-Fraktion im Parlament werden wohl nicht mehr zu seinen Atouts gehören, wenn es gilt, Bauernanliegen durchzusetzen.

Aber damit kämpft nicht nur der VP-Bauernbund. Auch in anderen Fraktionen ist die Landwirtschaft dabei, Gewicht zu verlieren. Wolfgang Pirklhuber wurde von seinen eigenen Leuten abgewählt und Leo Steinbichler von seinen Wählern. Wie immer man zu diesen Leuten stand, mit ihnen gehen Leute, denen die Landwirtschaft ein Anliegen war. Sie werden, und das ist die Krux, unter der Landwirtschaft leidet, wohl von Abgeordneten ersetzt, die damit nichts am Hut haben - für die Landwirtschaft nicht viel mehr ist, als weniger als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung und die Bauern nicht mehr als 1,4 Prozent der Bevölkerung.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, Oktober 2017/5.10.17

Bauern tappen ins digitale Zeitalter



Österreichs Landwirte wissen, dass man sich der Digitalisierung stellen muss. Aber sie gehen es langsam an.

Hans Gmeiner

Salzburg. „Wie die Mechanisierung wird auch die Digitalisierung die Landwirtschaft tiefgreifend verändern“, sagt Oberösterreichs Bauernkammerpräsident Franz Reisecker. „Wir stehen am Anfang einer Welle.“ Auf den Höfen erkennt man zunehmend, dass Dinge wie satellitengesteuerte Maschinen, GPS-Überwachung, Elektronik und das Internet of Things, das all die Geräte und Tätigkeiten miteinander verknüpfen kann, auf den Feldern und in den Ställen in Zukunft entscheidende Faktoren werden. Und nötig sind, wenn man auf den Märkten mithalten und der Forderung nach möglichst umweltgerechter und ressourcenschonender Produktion nachkommen will. „Ohne Digitalisierung wird unsere Landwirtschaft von der internationalen Entwicklung abgekoppelt“, sagt Reisecker.

Eine Strategie, wie man die Bauern an diese neue Welt heranführen kann, gibt es freilich noch nicht, die Bauern tappen eher ins digitale Zeitalter. Unternehmen, die damit Geld verdienen wollen, bieten unkoordiniert Lösungen und Produkte an. Typisch ist das Bereitstellen sogenannter RTK-Netze, über die Bauern gegen Gebühren von mehreren Hundert Euro im Jahr Zugang zu Satellitensignalen erhalten, die zentimetergenaues Fahren auf den Äckern ermöglichen. Der Maschinenring Oberösterreich deckt mit vier Stationen das gesamte Bundesland ab. In Salzburg betreibt der Maschinenring zwei solche Stationen, die hochpräzise Landwirtschaft ermöglichen, in Niederösterreich sind es sieben. Parallel dazu bieten manche Traktorenhersteller über ihre Händler eigene Netze an.

Auch andere Unternehmen tasten sich in die Welt der neuen Technologien vor. In der Lagerhaus-Gruppe treibt eine Abteilung in der Raiffeisen Waren Austria (RWA) das Thema voran. Ein Beispiel: In der Steiermark, in Nieder- und Oberösterreich hat man heuer zur Bekämpfung des Maiszünslers auf einer Fläche von 1000 Hektar mit einer Drohne Schlupfwespen ausgebracht. Kunden sind konventionelle Landwirte genauso wie Biobauern. „Wir sind heuer drei Mal so viel geflogen wie 2016“, sagt Claudia Mittermayr, die für die RWA Drohnen pilotiert. In manchen Lagerhäusern können Bauern auch GPS-gesteuerte Geräte zur Entnahme von Bodenproben oder Messbalken ausleihen, die über Lichtwellen den Düngerbedarf von Pflanzen exakt feststellen.

Einige österreichische Unternehmen haben die Digitalisierung der Agrarbranche als zukunftsträchtigen Geschäftszweig entdeckt. Pessl Instruments oder Smaxtec in der Steiermark sind bereits weltweit tätig. Pessl wurde mit Wetterstationen für die Apfelbauern groß und ist heute in Geschäftsbereichen wie der Überwachung des Insektenbefalls erfolgreich. Smaxtec ist eine international gefragte Adresse, wenn es um Themen wie Gesundheitsüberwachung oder Brunstverhalten bei Rindern geht. Im oberösterreichischen Weibern wuchs das Unternehmen Smartbow mit einer Ohrmarke, die die Aktivität von Tieren überwacht, binnen weniger Jahre auf 50 Mitarbeiter. Und in Niederösterreich entwickelten Techniker die App farmdok, die den Landwirten die bürokratische Arbeit bei Planung der Aufzeichnung der Feldarbeiten erleichtern soll.

Die Bauern selbst hingegen nähern sich den neuen Technologien nur vorsichtig. „Viel Technik ist zwar schon da, aber wir stehen erst am Anfang“, sagen Reisecker und Gerhard Rieß vom Maschinenring Oberösterreich. Beide schätzen, dass das RTK-Signal bis jetzt von nicht mehr als 400 Traktoren genutzt wird, in ganz Österreich dürften es nicht viel mehr als 1000 sein.

Weiter als auf den Äckern ist man in den Ställen. Österreichweit gibt es immerhin 650 Melkroboter. Verbreitet zum Einsatz kommen die neuen Technologien auch bei der Leistungskontrolle und Qualitätsüberwachung in der Milchproduktion, in der Fütterung von Schweinen oder zur Früherkennung von Erkrankungen. Zu einer echten Erfolgsstory ist die Einrichtung des Pflanzenschutz-Warndienstes der Landwirtschaftskammer geworden. Dort informieren sich mittlerweile Tausende Bauern darüber, welche Pflanzenschutzmaßnahmen nötig sind und auf welche man verzichten kann, weil der Krankheits- oder Schädlingsbefall unter der Schadschwelle liegt.

„Wir müssen den Betrieben die Angst nehmen“, sagt Reisecker, warnt aber davor, dass Technik „ein Spielzeug ist, das schnell ins Geld geht“. Sorgen macht er sich auch um die Datensicherheit. „Da ist auch auf europäischer Ebene noch gar nichts geregelt.“ Seine Forderung ist indes klar: „Die Hoheit über die Daten muss bei der Landwirtschaft bleiben und nicht bei den Unternehmen, die mit der neuen Technik das Geschäft machen.“

Nicht so klar ist hingegen, wie die vielen kleinen Bauern die Vorteile der neuen Technologien nutzen können. Mehr als ein „das ist eine besonders große Herausforderung“ ist bisher von Interessenvertretern nicht zu hören. Immerhin gibt es seit Anfang September für das Aufrüsten von Traktoren auf Satellitennavigation 40 Prozent Förderung.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 6. Oktober 2017

Donnerstag, 5. Oktober 2017

"Alle durchgeknallt oder was?"



Das Land schüttelt den Kopf. Ob der Dreistigkeit, ob der Chuzpe und ob der der Unfähigkeit der Sozialdemokraten und ihrer Führung. Was in den vergangenen Tagen rund um die Fake-Seiten auf Facebook zu Tage kam, rund um den einstigen Kern-Berater Tal Silberstein und seine Rolle im Wahlkampf und rund um die Zustände, die in der SPÖ herrschen müssen, mag viele diebisch freuen und für viele Bestätigung ihrer Meinung sein. In erster Linie aber ist es eine Katastrophe für die Demokratie und für die Politik in diesem Land. "Die haben es geschafft, in wenigen Wochen  die wichtigste politische Bewegung seit dem 19. Jahrhundert zur Lachnummer zu machen" war auf Twitter zu lesen. Auch wenn man die Einschätzung von der "wichtigsten politischen Bewegung" vielleicht nicht teilen mag, trifft sie doch sehr genau.

Der Schaden ist beträchtlich. Man muss gar nicht von den vielen von der Politik ohnehin Frustrierten reden, man denke sich nur in junge Leute hinein, die diese Wahlen und den Wahlkampf zum ersten Mal bewusst wahrnehmen, für die er vielleicht die erste Begegnung mit Politik ist, die zum ersten Mal wählen gehen dürfen. Wie sich für sie Politik darstellt, wie sie den Wahlkampf erleben, wie sie Politik, Politikerinnen und Politiker kennenlernen und welche Seiten von ihnen. Man stelle sich vor, was in diesem Umfeld und angesichts dessen, was sie sie erleben, ihr Politikbewusstsein beeinflusst, wie sie in Zukunft und in ihrem späteren Leben zur Politik stehen werden.

Es kann kaum anderes, als eine schwere Hypothek sein, die ihr politisches Bewusstsein prägt. Es nähme nicht Wunder, wenn die Politikverdrossenheit unter den jungen, die schon in der Vergangenheit heftig beklagt wurde, noch deutlich größer würde, sie sich mit Grauen abwenden und dem politischen Geschehen mit noch mehr Desinteresse begegnen würden.

Dafür freilich ist nicht allein der jüngste Skandal der Sozialdemokraten verantwortlich. Da sind auch viele andere, die sich in der Politik und im aktuellen Wahlkampf umtun, in die Verantwortung zu nehmen. Denn Wahlkampf ist nicht nur die Zeit "fokussierter Unintelligenz", wie der Wiener Bürgermeister das zu nennen pflegt. Wahlkampf ist, wir erleben es zuweilen schmerzhaft und hautnah, auch die Zeit fokussierter Lächerlichkeit und fokussierter Zumutungen. All diese Streiterien, all die lächerlichen Posen, all diese Künstlichkeit und diese Aufgedrehtheit. Wie sollen sie junge Leute gewinnen, sich für Politik, ihre Aufgaben und ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen zu interessieren? Die sie meist sehr viel eher als Dauerstreit erleben, denn als gestaltende Kraft, die das beste fürs Land und seine Bürgerinnen und Bürger will, die getragen ist vom gegenseitigen Respekt und vom Willen gemeinsam etwas voranzubringen. Wie sollen da Verständnis entwickelt werden und Verantwortungsbewusstsein?

Was den jungen Leuten geboten wird, ist durch die Bank erbärmlich. Kanzlerbilder im Sportdress und mit Kindern am Arm und ein Kanzler in Lederhose, wo doch alle im Land wissen, dass das für den ehemaligen Manager nichts ist, denn Pose. Was sollen junge von dröhnenden und schunkelnden Wahlkampfveranstaltungen halten, mit Einpeitschern und geifernden Rednern an den Pulten? Was von untergriffigen Fernsehdiskussionen? Was müssen sie sich von der Politik denken, wenn mit einem Mal gestandene Leute und Politiker mit türkisen Sonnenbrillen herumlaufen, türkisfarbene Trachtenanzüge tragen und Wahlveranstaltungen zuweilen an Faschingssitzungen gemahnen? Oder wenn sie zu einer Strache-Homestory wenige Woche vor der Wahl den Titel "Im Bett bin ich der Linke" samt Schmusefoto des rechten Reckens aufgetischt bekommen? Oder einen bitzelnden Strolz oder eine sekkant-süffisante Lunacek?

Will man wirklich, dass sie "Alle durchgeknallt oder was?" denken. Zu verdenken wäre es wäre ihnen nicht. Haben es die jungen wirklich verdient, die Politik so kennenlernen zu müssen, wie es ihnen in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten zugemutet worden ist. Die Verantwortlichen sollten sich diese Frage stellen. Ernsthaft.

Denn so einen Wahlkampf, wie vor diesen Nationalratswahlen, sollte es nicht mehr geben. So einer ist nichts denn ein Nährboden für die Politikverdrossenheit, zumal jener der jungen Generation, die auf eine Art und Weise Politik kennen lernen muss, die ganz sicher nicht geeignet ist, Interesse zu erwecken.

Und das nicht nur wegen der Kabalen der Sozialdemokraten.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Oktober 2017
 
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