Dienstag, 30. Januar 2018

"Der Landwirtschaft fehlt es an Offenheit"



Europa darf sich nicht von internationalen Agrarmärkten verabschieden.

Hans Gmeiner

Wien. Rund um die anlaufenden Verhandlungen über die nächste EU-Agrarreform rücken die Produktionsmethoden der Landwirtschaft, ihre Aufgaben und auch die Kosten, die sie verursacht, wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Während immer größere Teile der Gesellschaft einer Extensivierung der Produktion das Wort reden, fühlen sich die Bauern zunehmend in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.

Der deutsche Agrarwissenschafter Martin Banse vom Thünen-Institut in Braunschweig hält beide Positionen für überzogen. „Die Welt braucht in Zukunft deutlich mehr Nahrungsmittel“, sagte er Montag am Rande der Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien im Gespräch mit den SN. „Angesichts der weltweit knappen Ressourcen müssen wir uns daher auch in Europa fragen, welchen Beitrag wir zum weltweit steigenden Nahrungsmittelverbrauch leisten können.“

Für ihn ist keine Frage, dass sich Europa nicht von den Agrarmärkten verabschieden darf. Und er fordert auch eine offene Diskussion über Themen wie Gentechnik oder „Genschere“. Es sei schon sehr viel Know-how weggebrochen. Die Diskussionsverweigerung darüber arbeite vor allem den so heftig kritisierten Multis in die Hände und befördere die Verengung des Angebots. Er sieht angesichts der kritischen Öffentlichkeit eine „geduckte Haltung, was Diskussionskultur und Forschung angeht“ und fordert Mut zur Diskussion ein.

Banse redet aber nicht blinder Produktionssteigerung das Wort, sondern fordert auch verstärkte Berücksichtigung von Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Biodiversität in der Produktion, die freilich finanziell abgegolten werden sollten. „Es gibt genügend Spielraum dafür, ohne Versorgungssicherheit und Bauern zu gefährden.“ Aber großen EU-Agrarländern wie Frankreich, Deutschland und Polen gehe es darum, die gegenwärtige Politik zu verteidigen.

Der deutsche Wissenschafter sieht vor allem die Politik in der Pflicht. Themen wie etwa die Verbesserung von Tierwohl sollten nicht privatwirtschaftlichen Initiativen überlassen bleiben, sondern vom Staat geregelt werden. Die Gesellschaft habe Verständnis für den Geldbedarf der Landwirtschaft. Dafür bedürfe es einer offenen Diskussion. Die vermisst er: „Es fehlt an Offenheit und Ehrlichkeit, es ist ein Herumdoktern ohne Strategie.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Jänner 2018

Donnerstag, 25. Januar 2018

Wie ist das mit der Verantwortung?



Das Greinen wird lauter und es verfestigt sich. Wer in diesem Land auf sich als Hüter des Guten zu halten glaubt, reibt sich an der Regierung. Man arbeitet sich an Kanzler Kurz ab, an Strache und an Kickl. Der ehemalige Bundeskanzler scheint sich gar nicht mehr einzukriegen und auch nicht Matthias Strolz. Von den Grünen und den Pilzen kann man die Aufregung nur vermuten, weil sie nicht einmal mehr schaffen die öffentlich zu artikulieren. Man malt die Zukunft in düsteren Farben, fürchtet um die soziale Gerechtigkeit und zeigt sich vorzugsweise in ernster Sorge. Das alles steht ihnen zu und über vieles, das da befürchtet und vor dem gewarnt wird, kann und muss man ohne Frage diskutieren. Und freilich ist es jetzt notwendig aufzupassen und wachsam zu sein. Der Fall Landbauer zeigt es besonders eindrücklich. Aber dass in diesem Land nunmehr mit einem Mal Leute wie Strache, Kickl, Gudenus oder eben Landbauer etwas zu sagen haben und wenn man darüber klagt, dass Sebastian Kurz am Ballhausplatz sitzt, hat man sich dies zu einem guten Teil, zu einem sehr guten sogar, selbst zuzuschreiben.

All jene, die sich jetzt so wortreich als Gegner und Warner gerieren, sollten daher in sich gehen und Selbstkritik üben. Und sie sollten sich auch ihrer Verantwortung stellen. Denn auch wenn es viele Erklärungen geben mag, im Kern ist ihnen allen vorzuhalten: Hätten sie gute Politik gemacht und den Großteil der Wähler mit ihrer Politik, mit ihren Ideen und mit ihren Konzepten überzeugt, wäre wohl nicht gekommen, was sie jetzt so heftig beklagen zu müssen meinen.

Davon freilich ist derweilen so gut wie nichts zu erkennen. Man schreitet mit erhobenem Zeigefinger durchs Land, fühlt sich im Besitz von Moral und Richtigkeit und weiß, wie immer möchte man sagen, was besser gemacht zu werden hätte und was die Leute tun und denken sollten. Man ist selbstgerecht wie immer und weit weg von dem, was die Menschen wollen und brauchen.

Verdrängt und ausgeblendet wird, dass die neuen Machtverhältnisse auf demokratischem Weg zustande kamen. Da hat sich niemand etwas ergaunert, da hat sich niemand an die Staatsspitze geputscht, da ist alles mit rechten Dingen zugegangen. Gekommen ist es gar nicht so sehr, weil die Neuen so gut sind, sondern wohl sehr viel eher, weil es genau jene, die jetzt als Kritiker vorne stehen, nicht schafften, den richtigen Draht zu den Wählern zu finden, sie zu überzeugen und wohl auch, weil das Vertrauen verloren gegangen war.

Man hat es nicht verstanden, Konzepte zu entwickeln, die die eigenen Ideen mit den Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung in Einklang bringen. Die SPÖ etwa war immer zu bequem sich von der Vergangenheit zu lösen und schaffte es nie, sich einen Zuschnitt zu verpassen, der ihre Grundideen mit den Bedürfnissen der Menschen im 21. Jahrhundert in Deckung brachte. Obwohl man alle Zeit dieser Welt gehabt hätte und sogar die Macht. Und es war der Wiener Bürgermeister Häupl, der mehrmals meinte "Meine Wiener san net deppert" und damit wohl Bauern und andere schwarze Wähler verächtlich machen wollte, aber übersah, dass er damit auch zahllosen SP-Wählern auf dem Land seine Geringschätzung ausdrückte.

Noch schlimmer ist es nur bei den Grünen. Haben sie es sich nicht zu bequem gemacht in ihren Elfenbeintürmen? Haben sie es nicht verabsäumt, den Leuten wirklich zuzuhören und für sie Lösungen zu finden? Haben sie sich nicht viel zu sehr darauf verlegt, ihnen mit erhoben Zeigefinger zu zeigen, was man tun und denken sollte? Und dabei aus den Augen verloren, wie man mit dieser Selbstgerechtigkeit viele derer verärgerte und überforderte, die sie eigentlich wählen sollten?

Es ist immer schwer, einbekennen zu müssen, dass man nicht gut genug ist oder war. Die deutsche SPD, in ihrer Krise den österreichischen Sozialdemokraten voraus, hat schon etwas begriffen, was die SPÖ offenbar noch nicht begriffen hat und auch nicht die Grünen. "Offensichtlich ist es uns bisher nicht gelungen, genügend Antworten auf die Zukunft zu geben, den Leuten die Ängste zu nehmen und mehr Vertrauen zu erzeugen", donnerte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am Sonderparteitag am vergangenen Sonntag, als es um den Wiedereinstieg in eine große Koalition ging, vom Rednerpult und fragte: "Aber was hat das mit dem blöden Dobrindt, der Merkel und den anderen zu tun? Das ist ausschließlich unser Problem, das wir lösen müssen, und zwar jetzt."

Verdrängt und ausgeblendet wird, dass die neuen Machtverhältnisse auf demokratischem Weg zustande kamen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Jänner 2018

Samstag, 20. Januar 2018

Köstinger will aus Brexit Vorteil für Bauern machen



Berlin. Davon, dass es wegen des Brexits in Zukunft weniger Geld für die EU-Agrarpolitik geben wird, will sich Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger nicht abschrecken lassen. Sie sieht sogar eine Chance für Österreichs Landwirtschaft. „Wenn es weniger Geld gibt, stellt sich nicht so sehr die Frage, wo gekürzt wird, sondern was gefördert wird“, sagte sie Freitag auf der Grünen Woche vor Journalisten. Große industrielle Landwirtschaftsformen könnten das nicht mehr im gleichen Maß wie bisher sein. Für sie ist klar, dass der bäuerliche Familienbetrieb das Zukunftsmodell auch in der EU-Agrarpolitik sein muss. „Da haben wir sehr gute Argumente und auch die gesellschaftliche Diskussion auf unserer Seite“, sagte sie und verwies auf die hohen Produktionsstandards, die nachhaltige Bewirtschaftungsweise und die Qualität österreichischer Agrarprodukte. „Wenn man das will, wird das auch mehr wert sein müssen.“

Die letzte Agrarreform, die Basis der derzeit für die Bauern bestimmenden Agrarpolitik, habe nichts gebracht, geht Köstinger mit der Vergangenheit scharf ins Gericht. „Wir haben von den Umweltvorschriften nichts gehabt.“ In Österreich habe es alles bereits gegeben, was damals die Eckpunkte der Reform gewesen seien. Das habe es für Österreich besonders kompliziert gemacht, damit müsse nun Schluss sein, sagt Köstinger. Während sie sich als EU-Abgeordnete noch dezidiert für die Einführung einer Obergrenze für die EU-Agrarförderung pro landwirtschaftlichem Betrieb ausgesprochen hatte, schlägt sie als Ministerin differenziertere Töne an. „Ich fürchte mich nicht vor einer Debatte über Groß oder Klein, aber diese Debatte ist in Europa zu führen und nicht in Österreich.“

Man müsse sich im Detail ansehen, wie Mitgliedsstaaten mit den Möglichkeiten umgehen, die ihnen die EU-Agrarpolitik bei der Gestaltung der Förderungen gab, sagt sie jetzt. Abhängig davon, wie die Mittel zwischen Flächen- und Umweltförderung verteilt sind, gebe es EU-weit nach wie vor große Unterschiede bei den Förderungen, die auf den Bauerhöfen ankommen. In Österreich liege der Schwerpunkt schon seit Jahren bei der Umweltförderung, in anderen Länder wie etwa Frankreich sei das nicht so.

Um diese Unterschiede auszugleichen und auch um in der europäischen Agrarpolitik einen neuen Weg einzuschlagen, plädiert die österreichische Landwirtschaftsministerin für ein Anreizsystem, wie es in Österreich seit Jahren eingeführt ist. „Nicht umsonst sind wir unter anderem beim Bioanbau so weit vorn.“ gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Jänner 2018

Freitag, 19. Januar 2018

Agrarexporte machten wieder viel Freude



Österreichische Agrarprodukte sind begehrt wie nie. Auf den Lorbeeren will man sich dennoch nicht ausruhen. Es gibt noch Luft nach oben.

Hans Gmeiner

Berlin. „So einen Zuwachs gab es schon lange nicht mehr“, freuten sich die AMA-Marketing-Chefs Michael Blass (Geschäftsführung) und Franz Stefan Hautzinger (Aufsichtsrat) bei der Präsentation der Ergebnisse des agrarischen Außenhandels in Berlin. Der Wert der Agrarausfuhren, zu denen auch Getränke und Lebensmittel zählen, legte 2017 gegenüber 2016 um 6,9 Prozent auf 11,1 Milliarden zu. Mengenmäßig gab es ein Plus von drei Prozent. Damit schnitt man auch deutlich besser ab als Länder wie Deutschland. Dort reichte es nur für ein Plus von etwas mehr als fünf Prozent. Weil die Einfuhren weniger zulegten, fiel auch das Defizit im Agrar-Außenhandel mit knapp 900 Mill. Euro niedrig aus wie schon lange nicht.

Für den Exportschub sorgte nach Einschätzung der Experten vor allem die weltweit gute Konjunktur. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte auch die Erholung der Agrarpreise. „Die Krise scheint überwunden, die Kauflaune steigt überall“, sagte Blass. „Deutschland war wieder die Lokomotive, Italien stand nach schwächeren Jahren wieder unter Dampf und auch die neuen EU-Länder wuchsen erstmals seit Langem wieder kräftig.“

Selbst die Exporte nach Russland legten, freilich gestützt vom günstigen Rubel-Kurs, um fast 37 Prozent zu und erreichten mit 202 Mill. Euro fast das Niveau der Zeit vor den Sanktionen, die 2014 in Kraft traten. Sogar dreistellig waren die Zuwachsraten bei Maissaatgut und Ölsaaten, auf die mit zusammen rund 90 Mill. Euro fast die Hälfte der Ausfuhren entfielen. Dennoch will darüber nicht uneingeschränkte Freude aufkommen. Selbst wenn die EU die Sanktionen aufheben würde, wäre nicht alles im Lot. „Die Märkte für Molkereiprodukte und Fleisch, die immer noch gesperrt sind, müssten völlig neu aufgebaut werden, weil die Strukturen völlig zerstört sind“, sagt Hautzinger.

Nach Produktgruppen sind Getränke mit einem Exportanteil von 18 Prozent am bedeutendsten. Dahinter erst folgen traditionelle Agrarprodukte wie Fleischzubereitungen (14 Prozent) und Milch und Milchprodukte (11 Prozent).

Die Agrarausfuhren sind eine Erfolgsstory der österreichischen Wirtschaft, fast jedes Jahr legt man neue Rekordzahlen vor. Dennoch will man nicht lockerlassen. Von der Politik fordern die Agrar-Vermarkter der AMA Unterstützung im Zuge der Agrarreform. „Wir denken an eine Forcierung von Qualitätsoffensiven, aber auch an einen Ausbau der Marketing-Programme“, sagen Blass und Hautzinger.

Aber auch die Erzeuger will man künftig stärker in die Pflicht nehmen. So sieht Blass bei der Vermarktung von Käse noch Luft nach oben. „In Deutschland erzielt etwa die Schweiz mit ihren Käsespezialitäten einen durchschnittlichen Kilopreis von 7,8 Euro.“ Mit einem Preis von nur 4,5 Euro pro Kilogramm liegt Österreich preislich auch hinter Italien, Frankreich und Griechenland. „Diese Länder können uns als Vorbilder dienen“, sagt der AMA-Marketing-Geschäftsführer.

Nachholbedarf sieht er auch bei den Herkunfts- und Ursprungsbezeichnungen. Obwohl die lang kritisierten bürokratischen Hürden beseitigt wurden, gibt es in Österreich immer noch nicht mehr als 20 geschützte Bezeichnungen für traditionsreiche Agrarprodukte. „,Steirisches Landhendl‘ würde sich anbieten“, nennt Blass nur ein Beispiel. „Aber bei uns diskutiert man lieber, als zu arbeiten.“ Das Nachbarland Slowenien zeigt vor, wie es geht. Dort ist man zielstrebiger – und beschert dabei mitunter den Österreichern peinliche Momente. Im vergangenen Jahr sicherte sich Slowenien die Bezeichnung „Steirischer Hopfen“. Die steirischen Produzenten in Österreich dürfen ihren Hopfen nicht mehr so bezeichnen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Jänner 2018

Donnerstag, 18. Januar 2018

Eingekochte Ranunkeln



In der vergangenen Woche trafen sich die Nationalratsabgeordneten der ÖVP im oberösterreichischen Bad Ischl zu einer Klubklausur. Ganz ohne große Inszenierung, ganz ohne Kameras und ganz ohne Presse. Die Neuen sollten einander besser kennenlernen, hieß es.

Kennenlernen würden die Neuen wohl auch viele von denen gerne, die sie gewählt haben. Vor allem jene prominenten Personen, die Sebastian Kurz damals im vergangenen Sommer mit beachtlichem Getöse im Wochenrhythmus vorstellte. „Ich habe erlebt, wie du Menschen begeistern kannst und Mut machen kannst“, sagte er etwa bei der Präsentation von Kira Grünberg. „Ich freue mich sehr, dass du bereit bist, zu kandidieren“. Ähnlich klang es bei Rudolf Taschner, dem Mathematikprofessor der Nation, beim Psychoanalytiker Martin Engelberg, bei der Opernball-Lady Elisabeth Großbauer, beim Ex-Grünen Efgani Dönmez, beim ehemaligen Wiener Landespolizei-Vizepräsidenten Karl Mahrer, beim ehemaligen Rechnungspräsidenten Josef Moser, bei Professorin Juliane Bogner-Strauß und vielen anderen.

Die Zeitungen waren voll von Versprechungen und Ankündigungen. Efgani Dönmez stellte sich als „Oabeiterkind“ vor und präsentierte sich als Verteidiger heimischer Werte und Kämpfer für eine wehrhafte Demokratie. Rudolf Taschner stellte sich als Kenner des Schulsystems vor, Kira Grünberg als künftige Stimme derer, die Hilfe brauchen und Elisabeth Großbauer parlierte darüber, wie sehr es ihr ein Anliegen sei, im Kunst- und Kulturbereich etwas zu verändern und zugleich das musikalische Erbe zu bewahren, Josef Moser nannte als Ziel Österreich „enkelfit“ zu machen und Karl Mahr versprach, sich  für bessere Gesetze im Parlament einzusetzen.  

Das p.t. Publikum zeigte sich durchaus angetan. Damals. Kurz‘ Kalkül ging bekanntlich auf. Man wählte, oft wohl nicht zuletzt wegen dieser „Persönlichkeiten mit besonderer Erfahrung in ihrem Bereich“ (O-Ton Sebastian Kurz), die türkise Bewegung.

Ob das Kalkül auch für die Wähler aufgeht, muss ich freilich erst weisen. Mittlerweile liegt der Eindruck jedenfalls näher, all die Personen, die damals präsentiert wurden, seien nichts gewesen, denn „Köder für die Wähler“, wie schon im vergangenen Sommer nicht nur von den gegnerischen Parteien geargwöhnt wurde.

Mit Ausnahme von Josef Moser und Juliane Bogner-Strauß, die in der Minister-Riege landeten, sind praktisch alle Kurz-Promis seit den Wahlen im vergangenen Oktober von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Und wenn sie das nicht sind, dann sind sie das nicht wegen allfälliger politischer Aktivitäten, sondern vor allem wegen Handlungen oder Äußerungen, die auf Kritik stießen.

Da waren etwa die unselige Autogeschichte von Kira Grünberg und Scharmützel mit Zeitungen, weil sie keine Interviews gab. Da waren die Vorwürfe gegen Taschner, der der als „Klimawandel-Leugner“ gebrandmarkt wurde. Gegen Efgani Dönmez gab es erst jüngst Vorwürfe, weil einer seiner Artikel in einem als rechtsextrem eingestuften Magazin erschien. Und Martin Engelberg geriet ins Schussfeld der Kritik, weil er als „erster aktiver jüdischer österreichischer Abgeordneter der Nachkriegszeit“, wie ihm vorgehalten wurde, in einer israelischen Tageszeitung die Koalition mit der FPÖ verteidigte.

Von politischen Aktivitäten der prominenten Kurz-Experten seit den Wahlen ist freilich kaum etwas überliefert. Gut, Kira Grünberg „kochte die Linzer ein“, wie im Archiv der Oberösterreichischen Nachrichten zu erfahren ist, als sie im „Küchen-Talk“ eines Einrichtungshauses „über Kochen und Ernährung“ sprach. Aber das ist wohl nicht das, warum sie gewählt wurde. Und dass Elisabeth Großbauer die Ranunkel als die „beherrschende Blume“ beim heurigen Opernball vorstellte, wird es wohl auch nicht sein, warum man sie wählte. Immerhin waren die Kurz-Promis dem Vernehmen nach Steuerungsgruppen bei den Regierungsverhandlungen zugeteilt. Die meisten zumindest. Der Name Taschner etwa fand sich nicht einmal dort.

Viel ist das nicht, aber mag sein, dass sich alles noch ändern wird und sich tatsächlich so entwickelt, wie das im vergangenen Sommer angekündigt wurde. Denn langsam wird es Zeit, dass nicht nur, wie in der Vorwoche in Ischl, das gegenseitige Kennenlernen ganz oben steht. Inzwischen würden wohl auch die Wählerinnen und Wähler die Expertinnen und Experten und ihre Arbeit ganz gerne näher kennenlernen.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Jänner 2018 

Donnerstag, 11. Januar 2018

Die sedierte Republik



Die Koalition erfreut sich prächtiger Stimmung, heißt es. Der Rest des Landes freilich wirkt, alles in allem, immer noch sediert. Die Betäubung durch die über Monate verabreichten, wohl dosierten und gefällig verpackten türkis-blauen Sedativa mag sich nicht recht lösen.

Widerstand, der sich da und dort bei Themen wie Mindestsicherung, Beendigung des Arbeitsmarktprogrammes für über 50-Jährige, Straffung des Asylwesens oder Kürzung der Familienbeihilfe für Nicht-Österreicher und anderem mehr zu formieren versucht, verpufft. Ohne viel Wirkung. Man tut sich schwer die neue Regierung zu fassen. Die eingelernten und gewohnten Interpretations- und Streitmuster funktionieren nicht mehr. Zumindest einstweilen. Wohlwollend beklatscht man viel lieber schier alles, was von der Regierung kommt. Wie in diesen Tagen den "Familienbonus" - auch wenn nicht klar ist, woher das Geld dafür kommt.

Es gibt keine scharfen Diskussionen und keine pointierten Analysen. Nicht mehr denn als Murren vermag man zu bezeichnen, was bisher als Kritik zu vernehmen war. Der ehemalige Bundespräsident befürchtet, dass die vielen Generalsekretäre in den Ministerien die Demokratie gefährden könnten, der ehemalige Kanzler spielt trotziges Kind, das beleidigt alles und jedes, was von der neuen Regierung kommt, schlecht zu reden versucht. Nicht einmal die NGOs haben die Kraft zu Kritik. Die Kommentatoren in den Medien dieses Landes üben sich in bemerkenswerter Zurückhaltung, die anderen politischen Köpfe und Organisationen auch, und auch die Künstler. Die Landeshauptleute verhalten sich still, und selbst die Parteien, die nicht in der Regierung sitzen, schaffen es nicht, Druck aufzubauen.

Man sucht immer noch nach einem Zugang zu dem, was uns die neue Regierung verspricht. Sanft gibt man sich dabei allerorten und nachsichtig. Zurückhaltend und abwartend.

Die einen werden sagen, das alles kann zusammenhängen mit den Weihnachtsfeiertagen und der im Zusammenhang da herrschenden Ruhe im Land. Die anderen, wohl vor allem die Parteigänger der Türkisen und der Blauen, werden die Ruhe im Land wohl als Ausdruck der Zufriedenheit mit der neuen Regierung interpretieren.

Man kann diese eigentümliche Ruhe im Land aber auch interpretieren, dass man die Nase gestrichen voll hat von dem, was war, und als die große Sehnsucht nach Veränderung nach einer Politik, die nicht von Streit und Gezänk beherrscht wird und von gegenseitiger Blockade. Und dafür scheint man bereit, viel in Kauf zu nehmen, was vor Jahresfrist wohl als unerhörte Grauslichkeit noch nicht durchgegangen wäre. Jetzt zuckt man mit den Achseln.

Das freilich öffnet auch Schleusen, die man eigentlich besser geschlossen sehen will. Der Ton ist dabei, ein anderer zu werden, Masken werden bereits fallen gelassen. Was sich früher auf die Freiheitlichen beschränkte, ist jetzt dabei, Gemeingut zu werden. Ungeniert werden Posten besetzt. Büros von Parteiorganisationen werden abgespeckt und ausgelagert in Einrichtungen, die aus öffentlichen Geldern bezahlt werden. Selbst von Ministeriums-offiziellen Twitter-Accounts aus werden Parteischarmützel geschlagen und wird über "die Linke" gelästert. Und ein ehemaliger Schwarzer Wiener Stadtparteichef verteidigt die von den Freiheitlichen ventilierte Idee, die Asylsuchenden in Lagern zusammenzufassen, damit, dass es auch bei österreichischen Kuraufenthalten ab 22 Uhr eine verpflichtende Nachtruhe gebe und fragt so hämisch wie zynisch: "Verstößt das eigentlich gegen die Menschenrechte?". Von Flüchtlingen wird immer öfter nur mehr abfällig und ohne jeden Respekt geredet.

Aber daran mag sich derzeit noch niemand stoßen. Nicht daran, dass eigentlich immer noch nicht klar ist, wohin die Reise in diesem Land geht. Auch nicht daran, dass man bei der Befriedigung der Instinkte der eigenen Wähler oft die Falschen trifft und man sich, wie bei der Kürzung der Familienbeihilfe, die vor allem die Altenpflegerinnen aus dem Osten zu spüren bekommen werden, ins eigene Fleisch schneidet. Und auch nicht daran, dass man denen, denen man unter die Arme zu greifen versprach, nicht wirklich hilft damit.

Aber sonst? Da entsprechen Bild und Arbeit der neuen Regierung in Wirklichkeit wohl eher dem, das der Justizminister Josef Moser in einem ZIB-2 Interview zeichnete. Der Kernsatz dabei: "Die Schritte sind am Weg."

Wie immer man sich das vorstellen mag -aber selbst das wird derzeit in diesem Land dankbar auf-und hingenommen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Jänner 2018

Dienstag, 9. Januar 2018

Efffizienz im Stall und auf dem Acker



In der Landwirtschaft gibt es große Fortschritte. Mit geringerem Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln wird heute deutlich mehr erzeugt als noch vor wenigen Jahren.

Hans Gmeiner

Salzburg. Fortschritt in der Landwirtschaft wird zumeist mit größeren Maschinen und erhöhtem Einsatz von Düngemitteln und Chemie verbunden und immer öfter automatisch als Agrarindustrie punziert. Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. „Von der Düngung und vom Pflanzenschutz her ist der Ackerbau in Österreich in den vergangenen 20 Jahren nicht intensiver geworden“, sagt Christian Krumphuber, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer in Linz. Bei stark verringertem Einsatz von Produktionsmitteln wird heute deutlich mehr erzeugt als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Der Verbrauch von mineralischem Stickstoffdünger ist mit rund 122.000 Tonnen um fast 15 Prozent niedriger als 1990. Bei Phosphor betrug der Rückgang in diesem Zeitraum sogar fast 60 Prozent (auf 31.000 Tonnen), und bei Kali fast 70 Prozent (auf 32.500 Tonnen). Das erklärt sich nicht nur aus der Ausweitung des Biolandbaus, sondern auch aus den Umweltprogrammen, in denen sich ein Großteil der Ackerbauern zur Beschränkung der Düngermenge verpflichtet.

Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist die Situation zwar differenzierter, aber auch da gibt es in manchen Bereichen einen klaren Trend. So sank der Einsatz von Unkrautvernichtern von 2000 bis 2016 um rund 20 Prozent. Selbst bei Fungiziden und Insektiziden ist der Verbrauch im konventionellen Ackerbau seit Jahren unverändert.

Die Ertragskurven bei den wichtigsten Ackerfrüchten gingen dennoch stark nach oben. Lag der Durchschnittsertrag bei Weichweizen 1995 noch bei 5,5 Tonnen je Hektar, waren es im Vorjahr 6,5 Tonnen. Bei Wintergerste erhöhten sich die Erträge pro Hektar in diesem Zeitraum von 5,1 auf 6,6 Tonnen, bei Körnermais von 8,5 auf 11,6 Tonnen, bei Sojabohnen von weniger als zwei auf rund drei Tonnen und bei Zuckerrüben von 56 auf 83 Tonnen. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Zuwachsraten von konventionell und biologisch erzeugten Produkten nur marginal.

„Der Fortschritt im Pflanzenbau kommt heute praktisch nur mehr aus der Genetik“, sagt Krumphuber, „Pflanzenschutz und Düngung sind ausgereizt.“ Bei den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen trage die Pflanzenzüchtung „im Durchschnitt 74 Prozent zur Produktivitätssteigerung bei“, betont man bei Saatgut Austria, der Vereinigung der heimischen Saatzüchter. „Die Ernteerträge steigen im Durchschnitt um 1,24 Prozent pro Jahr.“ Das deutlich höhere Know-how, die bessere Ausbildung der Landwirte, neue Arbeitsmethoden und die wesentlich präzisere Technik tun das Ihre dazu.

In der Tierhaltung verhält es sich ähnlich. „Die Effizienz hat sich um ein Vielfaches verbessert“, sagt Michael Wöckinger, Milchexperte der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Das Wort „Turbokuh“ mag er nicht hören. Dass heimische Kühe heute mit rund 6800 Kilogramm Milch pro Jahr um rund 80 Prozent mehr liefern als vor 25 Jahren, hat für ihn vor allem mit der Verbesserung der Qualität des Grundfutters von den Wiesen und Weiden, den angepassten Arbeitsabläufen, verbesserter Haltung und dem Einsatz modernster Technik zu tun. „Die Wiesenbestände sind besser geworden, man hat optimiert und schaut auf die Zusammensetzung der Gräser.“ Früher seien Bauern nur morgens und abends in den Stall gegangen, jetzt werde immer wieder Futter nachgelegt. Die Rationen würden selbst in Biobetrieben genau angepasst, Technologien und Messtechniken ermöglichten, rasch zu erkennen, ob ein Tier Probleme habe. „Das alles sieht man in der Leistung sehr deutlich.“

Trotz höherer Effizienz und neuer Technologien in der Landwirtschaft hat die Agrarpolitik die Weichen in Richtung Extensivierung der Produktion gestellt. Als gäbe es nichts daneben und als ob Österreich eine Insel wäre, klagen viele Bauern. „Im Regal stehen österreichische Produkte, für deren Produktion es viele Extraauflagen gibt, neben solchen internationaler Herkunft, wo alles egal ist und nur der Preis zählt“, klagte erst kürzlich Klaus Hraby, Geschäftsführer des Sauergemüseherstellers Efko, bei einer Diskussionsveranstaltung. Das sei ein klarer Wettbewerbsnachteil. „Mit Regionalität können wir einen Teil des Marktes auffangen und abdecken, aber bei Weitem nicht den ganzen“, zweifelt er an der heimischen Agrarstrategie. Kollegen in der Branche, aber auch vielen Bauern geht es ähnlich. Sie fühlen sich behindert und alleingelassen. Die Chancen, die sich der Landwirtschaft böten, überlasse man damit anderen.

Wie es auch geht, zeigen die Niederlande. Unter dem Titel „Ein kleines Land ernährt die Welt“ schilderte kürzlich die US-Zeitschrift „National Geographic“ den Weg des einst wegen seiner Turbo-Landwirtschaft kritisierten Landes zu einem der größten Agrarerzeuger der Welt. Unter Einsatz moderner Verfahren und Technologien werden heute doppelt so viele Nahrungsmittel mit oft nur der Hälfte der früher notwendigen Ressourcen erzeugt. Der Wasserverbrauch bei Gemüse wurde um bis zu 90 Prozent gesenkt, in den Gewächshäusern wird kaum mehr Chemie benötigt und in der Rinder-und Geflügelproduktion sank der Antibiotika-Einsatz seit 2009 um gut 60 Prozent.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. Jänner 2017

Donnerstag, 4. Januar 2018

Politik für die Bauern? Oder Showprogramm für die Gesellschaft?




„Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus“ steht auf der Visitkarte von Elisabeth Köstinger. Sie wird stolz drauf sein. Und andere auch. Man will offenbar ein Zeichen setzen. Und „Nachhaltigkeit“ kommt immer gut.

„Landwirtschaft“ aber steht nicht mehr auf der Visitkarte der neuen Ministerin. Auch das kann man als Zeichen sehen, fügt es sich doch folgerichtig in die Linie, wie in den vergangenen Jahren Agrarpolitik in Österreich verstanden wurde. Da ging es zumeist sehr viel weniger darum, einen ernsthaften und zukunftsfähigen Wirtschaftszweig zu positionieren, als um das Erfinden gefälliger Begriffe, allenfalls um Schnellschüsse da und dort und um PR-Schnickschnack, um Volk und Bauern zu beruhigen.

Ohne große Gegenwehr ließ man sich Stück für Stück die Schneid abkaufen. Vom Handel, der längst seine eigene Agrarpolitik in diesem Land macht, von den NGO, die sich schier ungebremst breit machen konnten und von manchen Medien, die nicht müde werden, ein Bauernbild herbei zu schreiben, das ans vorletzte Jahrhundert gemahnt. Ganz so, als wäre die Landwirtschaft eine Ansammlung von Wahnsinnigen, Ahnungslosen und Bösartigen.

Dabei ist Landwirtschaft weltweit eine der am stärksten wachsenden Branchen. Kaum anderswo sind das Innovationstempo so groß und die Aussichten langfristig so gut. Aber was tut Österreich, um diese Trends zu nutzen? Man kann nicht anders als zu sagen, das ist sehr überschaubar. Man pflegt mit Inbrunst Spezialthemen und Spezialgebiete, man scheut aber, mit der modernen Landwirtschaft anzustreifen, man hält möglichst große Distanz zu modernen Produktionsmethoden und zu denen, die sie anwenden und man lässt sich immer rigidere Vorschriften aufs Auge drücken, die den Bauern das Leben verleiden und ihre Konkurrenzfähigkeit schmälern. Hilf- und konzeptlos fabuliert man davon, den bäuerlichen Familienbetrieben helfen zu wollen, ohne freilich viel Erfolg zu haben.

Insofern passt, dass das „Landwirtschafts“ministerium zum „Nachhaltigkeits“ministerium geworden ist. Agrarpolitik in diesem Land ist seit Jahren über weite Teile Showprogramm für die Gesellschaft, aber kaum greifbare Politik, die den Bauern Zukunft geben könnte.

Das Resultat dieser Entwicklung hat viele Bauern längst bitter gemacht. Agrarpolitik empfinden sie oft sehr viel mehr als Bremse, denn als Unterstützung. Es gibt keine Visionen, keine Strategien und keine Ziele. Und wenn, dann für die Gesellschaft, aber nicht für die Landwirtschaft. Die muss das Erreichen dieser Ziele allenfalls ausbaden.

Knapp 80.000 Bauern haben alleine in den vergangenen 20 Jahren aufgegeben. Genau betrachtet ist jeder der aufgibt, verlorenes Potenzial, die Position Österreichs auszubauen und für die Landwirtschaft Zukunft und Spielraum dafür zu schaffen, die Möglichkeiten zu nutzen.

Aber dafür fehlt es am großen Denken und an Visionen. Die kommen nicht aus der Agrarpolitik, die kommen von anderen. Oft zum Leidwesen und zu Lasten der Bauern.

Darum wohl ist Agrarpolitik ein Rückzugsgefecht geworden. Das ist vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen unverständlich. Denn diese Chancen sind, durchaus auch im Einklang mit den gesellschaftlichen Wünschen, zu nutzen.

Man muss nur wollen - und neu denken.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 1-18, 4. Jänner 2018
 
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