Donnerstag, 7. Juni 2018

Starke Männer haben Konjunktur



Es gilt ganz offenbar wieder - mächtige Männer ziehen an. Zumal dann, wenn es wie in diesen Zeiten, zum Rechtsruck in der Politik passt. Da ist es immer weniger notwendig, sich zu verstellen. Da kann man schon einmal Verständnis und Bewunderung zeigen, ohne Gefahr zu laufen, gleich verurteilt zu werden.

Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag dieser Woche war das nicht zu übersehen. Überall beflissene Höflichkeit, viele anerkennende Worte auch und großer Respekt. Nicht nur vor seiner Macht, sondern auch vor seiner politischen Arbeit und seinen Ansichten.

Hierzulande hat er nicht nur manchen Freund wie Karl Schranz, sondern auch viele offene und stille Bewunderer. Sie reichen vom Bundeskanzler und seinem Vizekanzler, der die Teilnahme am Gespräch mit Putin wohl als so etwas wie höhere Weihen empfand, über Neo-Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer bis tief hinein in die heimische Wirtschaftsszene.

Mit Putins Methoden hat man keine Probleme, auch wenn die oft gar nicht zu den westlichen politischen Standards passen. Man blickt über seinen Umgang mit der kritischen Opposition hinweg. Und man trägt gerne seine Erklärungen, Forderungen und Einschätzungen weiter, und macht sich zuweilen gar zum Werkzeug Putins in seinem Kampf gegen Brüssel.

Putin, und wie er es macht, gefällt. Ein starker Mann, wie ihn sich viele mehr oder weniger insgeheim auch bei uns wünschen. Wer das nicht tut, oder meint, davor mahnen zu müssen, hat es immer schwerer.

Selbst Donald Trump, Putins großer Gegenspieler auf der Weltbühne, findet hierzulande immer mehr Verständnis. Selbst wenn er vielen, zumal in Europa, vor allem als brandgefährliches politisches Irrlicht gilt. Die Zahl derer, die zumindest im Stillen Verständnis für seine Maßnahmen haben, wächst.

Immer öfter mischen sich auch bei uns Erklärungen für Trumps Handeln in die Gespräche, die Aufhorchen lassen. Man ist angetan von seinem Stil. "Er hat doch völlig Recht, wenn er sich die europäischen Autohersteller vornehmen und die Zölle anheben will", heißt es dann. Die EU belege nämlich US-Autos mit zehn Prozent Zoll, die USA europäische Autos ihrerseits aber nur mit 2,5 Prozent. Und überhaupt -für Rindfleisch aus den USA betrage der EU-Zoll 68 Prozent, für Schweinefleisch 26 und für Hühnerfleisch 21 Prozent.

Man verurteilt nicht, dass Trump zu Mexiko eine Mauer bauen will und die Einwanderer heimschicken will. Und man gibt ihm Recht, wenn er mit der Aufkündigung des Atomabkommens gegenüber dem Iran den starken Mann hervorkehrt. "Der traut sich endlich was und er bewegt was."

Dass die Welt im Nu brennen könnte, und dass Trump dabei ist, die ganz Weltordnung über den Haufen zu werfen, wird zuweilen sogar wohlwollend in Kauf genommen, "weil so kanns ja nicht weitergehen, wie bisher".

Das alles hat wohl mit der Sehnsucht nach klaren Linien, mit der Sehnsucht nach überschaubarer Politik zu tun. Mit dem internationalen Rechtsruck, dem man immer weniger entgegenzusetzen hat, weil Antworten auf just diese Bedürfnisse fehlen. Die Gefahren, die das birgt, spielen immer weniger eine Rolle. Immer mehr sehen derzeit keine anderen Wege. Man neigt dazu, sich in Stammtisch-und Macht-Fantasien zu ergehen. Was über Jahrzehnte und noch längere Zeiträume erarbeitet wurde an politischer und gesellschaftlicher Kultur, wird oft nur mehr gering geschätzt, was tatsächlich auf dem Spiel steht, nicht erkannt.

Dass es so ist, hat, zumindest in Europa, auch mit der schwachen Europäischen Union zu tun. Sie hat nicht die schnellen Antworten und die schnellen Lösungen, die heutzutage erwartet werden. Sie ist auch gar nicht konstruiert dafür. Und sie hat auch keine starke Führung. Politiker in immer mehr Ländern nutzen das immer rücksichtsloser aus. Und es ist dabei nicht nur auf Ungarn oder Polen zu zeigen oder neuerdings auf Italien. Auch Österreich wird immer öfter nicht mehr zu den treuesten Europäern gezählt. Nicht, was die politische Führung anlangt und auch nicht, was die Bevölkerung anlangt. Erst jüngst zeigten sich die Österreicher wieder als besonders skeptisch. Nur 45 Prozent finden laut Eurobarometer-Umfrage die EU-Mitgliedschaft gut. Das ist weniger als in Großbritannien.

Auch wenn man das nicht als Alarmzeichen werten will, nachdenklich sollte es doch stimmen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Juni 2018

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