Mittwoch, 30. Mai 2018

Ein Missverständnis - und die möglichen Folgen



Die Aufregung war dieser Tage wieder groß. Zuerst der Welt-Bienentag der UNO, dann der österreichweite Tag des Bienenstocks. Überall Besorgtheit über das Bienensterben und Berichte von Bemühungen genau das zu verhindern. Sogar "Missen wollen Bienen retten" wurde vermeldet. Gar nicht zu reden von Politikern. Mit Sätzen, wie "wenn immer mehr Bienenvölker dahingerafft werden, gibt es auch weniger heimisches Gemüse und Obst" kommt man heute schnell in die Zeitung. Und erst recht, wenn man alles mit der "ständig intensivierten Landwirtschaft und dem Einsatz von Insektiziden" in Verbindung bringt.

Alles klingt schlüssig. Die Bienen sterben, niemand sorgt mehr für die Bestäubung von Obst und Gemüse, ergo müssen wir bald verhungern. Sagte doch schon Einstein.

Bloß, Einstein hat das niemals gesagt. Und auch, was gerade in Österreich in den vergangenen Tagen und Wochen zu den Bienen gesagt wurde, stimmte selten. In Deutschland klingt das ganz anders. Von einem "Missverständnis" schreibt sogar "Der Spiegel"."Honigbienen sind nicht gefährdet". Die Zahl der Bienenstöcke habe sich seit den 1960er Jahren laut FAO weltweit verdoppelt. "Die Honigbiene wird das letzte Insekt sein, das ausstirbt", ist man in Fachkreisen überzeugt.

In Österreich ist die Lage nicht anders. Hier ist die Zahl der Bienenstöcke, der Bienen und auch der Imker seit Jahren stabil. Wenn es Probleme gibt, machen sie vor allem die Varroamilbe oder Fehler im Umgang mit den Bienen. Selten hingegen fallen Bienen Vergiftungen zum Opfer, Verdachtsfälle bestätigen sich bei genauen Untersuchungen meist nicht.

Aber all das geht derzeit unter. Vor allem die Landwirtschaft ist es, die unter all diesen Kurzschlüssen zu leiden hat, gilt sie doch in breiten Kreisen der Gesellschaft als der ausgemachte Übeltäter. Da wird nicht lange gefragt.

Das könnte sich rächen. Es macht sich das Gefühl breit, dass man die wahren Probleme verkennt und wertvolle Zeit versäumt, während man sich in der eigenen Gutheit suhlt. Denn die Lage scheint in der Tat ernst und vor allem sehr viel komplexer zu sein. Freilich nicht bei den Honigbienen, schon eher bei den Wildbienen, und wohl erst recht bei den Insekten insgesamt, aber auch bei den Vögeln und beim Wild.

Aber mehr als aufgeplusterte Aufregung ist derzeit nicht. Schon gar nicht Fakten. Schon gar nicht in Österreich. Die Besorgnis begründet sich auf Beobachtungen, dass heute die Windschutzscheiben der Autos im Gegensatz zu früher kaum mit Insekten verklebt sind. Und man verweist auf eine Untersuchung deutscher Hobby-Insektenforscher, bei der in einem kleinen Landstrich ein dramatischer Rückgang der Insektenpopulationen festgestellt wurde. Das aber ist auch schon alles. Mehr gibt es immer noch nicht, woran man das Problem und seine Ursachen fundiert festmachen könnte.

Angenommen, all das, wovor gewarnt wird, stimmt, dann ist wohl zu fragen, ob all die Aktivitäten, von denen derzeit die Gazetten berichten, tatsächlich adäquate Antworten sind. Ob die Forderungen, die gestellt werden, den Problemen gerecht werden. Oder ob sie nicht doch zu kurz gegriffen, zu einfach gestrickt und nur aus der Hüfte geschossen sind -mit allen Gefahren, nichts zu bewirken, aber unverhältnismäßigen Schaden, in dem Fall wohl wirtschaftlichen vor allem in der Landwirtschaft, anzurichten.

Diese Gefahr besteht durchaus, zumal sehr oft mit Schaum vor dem Mund und ideologisch verblendet diskutiert wird. Gerade etwa, was die Landwirtschaft betrifft, ist die Faktenlage nicht so klar, wie gemeinhin dargestellt wird. Stichhaltige Belege gibt es kaum, dafür aber umso mehr Vermutungen. Und niemand fragt, warum gerade jetzt die Insektenpopulation zusammenzubrechen scheint, wo doch früher sehr viel bedenklichere Mittel im Pflanzenschutz eingesetzt wurden. Oder warum dieses Phänomen auch weit abseits von landwirtschaftlichen Intensivgebieten zu beobachten ist.

Es ist diese ehrliche Diskussion, die man nicht mehr länger meiden sollte, wenn man die Probleme wirklich an der Wurzel packen möchte. Nicht bei den Insekten, aber auch nicht bei den Vögeln oder beim Wild. Denn es gibt sehr oft durchaus ganz andere Erklärungen für den Rückgang, als die, die so selbstzufrieden in der Öffentlichkeit diskutiert werden -und bei denen es oft sehr viel eher darum geht, möglichst schnell einen Schuldigen an den Pranger zu bringen, als wirklich nachhaltige Lösungen zu finden.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. Mai 2018

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