Donnerstag, 30. August 2018

Guter Bauer - karger Lohn



Ein in den Augen unserer Gesellschaft guter Bauer zu sein, ist schwierig in diesem Land. Die Geflügelhalter wissen ein Lied zu singen davon, die Schweinehalter sowieso und Milchbauern und die Ackerbauern auch. Selbst die Biobauern tun sich inzwischen schwer damit. Dass bei uns Hühner und Puten deutlich mehr Platz haben, als selbst im EU-Ausland, wird schlicht ignoriert. Bei den Schweinen ist der Erfolg der Tierwohlprogramme sehr überschaubar. Dass in der Milch- und Geflügelproduktion kein GVO-Futter verwendet wird, wird als selbstverständlich hingenommen. Und unüberhörbar sind mittlerweile auch die Klagen, dass Bioprodukte eigentlich zu teuer sind.

Denn wenn die Produkte zu teuer werden ist meist schnell Schluss. Die Auflagen, denen sich die Bauern sich unterwerfen und die Maßnahmen, die sie setzen, werden nur selten in ausreichendem Maß honoriert. Meist rechnen sich all die Programme, mit denen man glaubt, den Konsumenten besonders entgegenzukommen, gerade auf plusminus Null. Mehr geht sich meist nicht aus, wenn sie zwar höhere Preise bekommen, dafür aber etwa weniger Tiere halten pro Quadratmeter halten, wenn sie auf GVO- Futter oder bestimmte Pflanzenschutzmittel verzichten und höhere Kosten auf sich nehmen, dafür aber deutlich geringere Erträge in Kauf nehmen, oder auf Bio setzen und hoffen, dass ihnen höhere Preise die geringeren Ernten ausgleichen.

Reich geworden ist noch keiner damit. Denn die höheren Preise, die sie mitunter bekommen, sind genau kalkuliert. Freilich meist nicht so, dass die Bauern damit gut und vielleicht gar sorglos leben können, sondern so, dass es, wenn alles passt und nichts schief geht, gerade attraktiv genug erscheint, in eines dieser Programme umzusteigen, die der Gesellschaft gefallen sollen. Denn das Geschäft machen damit selten die Bauern, sondern immer die Anbieter solcher Programme.

Das gilt auch, wenn die Agrarpolitik meint, bei der Gesellschaft guten Wind machen zu müssen. Für die Landwirtschaft kommen dabei oft nichts denn äußerst fragwürdige Ergebnisse hervor. Das Neonics-Verbot im Zuckerrübenanbau ist ein Beispiel dafür, der Verzicht auf die Anwendung der Genschere ein anderes. Und gar nicht zu reden von den vielen Vorschriften und Auflagen in vielen anderen Bereichen der Landwirtschaft. Ohne Not erschwert man damit die Wettbewerbsposition der eigenen Landwirtschaft nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Gedanken daran, wie man sie dennoch im Gegenzug schützen könnte, um ihr Überleben und damit die Eigenversorgung zu sichern, macht man sich nicht viele. Und schon gar nicht verschwendet man Gedanken daran, dass man damit den Markt just für jene Produkte aufbereitet, die zu genau den Bedingungen erzeugt werden, die man in Europa verbietet.

Da nimmt nicht Wunder, dass die Bauern nicht aus den Schwierigkeiten kommen. Denn es muss zuviel zusammenpassen, um wirklich vom Gutsein zu profitieren. Da müssen die notwendigen Investitionskosten gering sein, da muss es genügend Arbeitskräfte - am besten und billigsten in der Familie - und passende Vermarktungsgelegenheiten geben und natürlich gute Preise.

Und natürlich immer auch eine ordentliche Portion Glück. 

Gmeiner meint - Blick ins Land 9/18

Heiße Luft im heißen Sommer



Probleme zu erkennen, Lösungen zu finden und umzusetzen. Verträglich für alle, gangbar und dennoch zielführend. Das ist es, was man sich von der Politik erwartet. Die Realität ist freilich viel zu oft eine andere. Da ist Politik oft nichts als lächerlich. Und wenn es ganz schlimm kommt, auch noch ärgerlich. Da wird das Wahlvolk, dem man gerne das Blaue vom Himmel verspricht, nichts als getriezt und geblendet mit Maßnahmen, die nichts bringen, schon gar nicht einen Fortschritt in der Sache.

Ist es wirklich wirksame Politik, wenn Bayern an den Grenzen kontrolliert und oft stundenlange Staus provoziert? Nur weil sich zwei bayrische Politiker in München vor der anstehenden Landtagswahl in der Falle sehen und meinen, alle Reisenden und Berufspendler als Geiseln für ihre kruden Ideen zur Migration nehmen zu können, auf dass sie doch noch zum Erfolg kommen? Bringt das irgendwo in der Sache etwas weiter, zumal, wenn man nicht einmal Zahlen vorweisen mag?

Von österreichischer Seite, von offizieller gar, ist jedenfalls nichts bekannt, dass man sich aufregt deswegen, wo doch eigentlich auch viele Österreicher und auch die Anrainer der Verkehrsrouten viel Ungemach zu ertragen haben, was den Verdacht nahelegt, dass man an der bayerischen Politik-Übung Gefallen hat.

Denn fremd ist die ja auch den Verantwortlichen in Österreich nicht. Allenfalls noch ein gutes Stück dreister und noch sehr viel lächerlicher. Wie etwa das, was der österreichische Verteidigungsminister als Erfolg im Kampf gegen die angeblichen Flüchtlingsströme als Erfolgsbilanz präsentierte. Rund 170 Assistenzsoldaten, die Tag und Nacht die grüne Grenze zu Slowenien per Fuß-Streifen, mit motorisierten Patrouillen und mit Wärmebildkameras überwachen, haben in alle den Monaten seit Jahresbeginn ganze zehn Menschen aufgegriffen, die ohne gültige Papiere die Grenze zwischen der Steiermark und Slowenien, „illegal“ wie der Boulevard gleich geiferte,  überschritten haben. 20 Millionen Euro, wenn nicht gar noch mehr, soll das gekostet haben.

Damit freilich nicht genug von dem, was man als Politik verkauft. Wird etwa im Land wirklich etwas besser, wenn man auf der Autobahn 140 km/h statt 130 fahren oder bei Rot rechts abbiegen darf? Oder wenn die Polizei durch die Stadt reitet?

Aber es protestiert kaum jemand, kaum jemand muckt auf. Man applaudiert sogar. Die Mehrheit jedenfalls. Noch immer - aber man hält ja auch für ein Zeichen der Anerkennung des Landes, wenn der russische Präsident zur Vermählung der Außenministerin kommt und wahrscheinlich auch, wenn Ungarn Orban und Italiens Salvini kommen, weil sie Strache, wie er schon angekündigt hat, zu seiner Hochzeit einladen will.

Das alles fügt sich. Und es lenkt ab von der Wirklichkeit, in der das Regime Kurz-Strache langsam ankommt. Inzwischen schreiben die Zeitungen von „ersten dunklen Wolken über der Regierung Kurz“, sehen die „Regierung vor Herbststurm“, mucken Landeshauptleute auf wegen Kassenfusion oder Kinderbetreuung, sinniert man immer öfter darüber, dass ein Land „entmündigt“ wird und ortet  „Anzeichen von Machtrausch“.

Bis auf wenige Ausnahmen ist, was bisher geboten wurde, einstweilen in der Tat nicht mehr als Symbolpolitik. Allenfalls ist es Machtpolitik zu nennen, mit der man zeigen will, dass neue Kräfte am Ruder sind. Meist aber ist es nicht einmal das eine und auch nicht das andere, weil vieles noch nicht über das Stadium der Ankündigung hinausgekommen ist.

Vor allem der FPÖ könnte das sehr schnell sehr große Schwierigkeiten bereiten, wenn die Wähler draufkommen, dass sie keinen Euro mehr im Geldbörsel haben werden, wenn es eine berittene Polizei gibt, man 140 auf der Autobahn fahren darf und die Mindestsicherung für Migranten und das Kindergeld für ausländische Arbeitskräfte gekürzt wird.

Aber es gibt auch Zeichen, die die Zuversicht nähren können, dass sich die Dinge doch ändern. Eines ist, dass sich die Regierung in der Vorwoche doch mit den Sozialpartnern zusammensetzte um Lösungen zu finden, mit denen alle Leben können. Andere sind, dass der Entwurf für das Standortsicherungsgesetz überarbeitet wird oder dass es doch nicht zu Kürzungen bei den Kindergartenmitteln kommen soll.

Es ist zu hoffen, dass das keine Eintagsfliegen bleiben, sondern dass reden und zuhören wieder zur Regel wird. Es spricht schließlich nichts dagegen, dass man gemeinsam Lösungen findet, die das Land voranbringen und nicht spalten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. August 2018

Mittwoch, 22. August 2018

Viel Bemühen, aber wenig Lohn



Mehr Platz für Tiere, kein gentechnisch verändertes Futter und Ställe mit viel Licht und Luft – Österreichs Geflügelhalter setzen auf hohe Standards. Doch im Preiskampf haben sie oft das Nachsehen.

Hans Gmeiner  


Salzburg. Österreichs Mäster von Hühnern und Puten kämpfen mit Vorurteilen und mit der Konkurrenz. Dass sie in Europa neben ihren Schweizer Kollegen zu den Musterschülern in Sachen Geflügelhaltung zählen, werde auf dem Markt zu wenig honoriert, hört man in der Branche. Sie müssten nicht nur gegen die mitunter extremen Dumpingpreise der Konkurrenz aus Polen, Ungarn, Italien und auch Deutschland ankämpfen. Sie hätten auch darunter zu leiden, dass sie immer wieder mit den industriellen Methoden der Massentierhaltung der Geflügelhalter in diesen Ländern in einen Topf geworfen werden. „Ständig erhobene Vorwürfe, dass Geflügel bei künstlichem Licht gehalten wird und die Tiere den Großteil ihres Lebens nur Medizinalfutter bekommen, stimmen bei uns längst nicht mehr“, sagt Robert Wieser, Präsident der ZAG, der Dachorganisation der heimischen Geflügelwirtschaft. „In Wahrheit sind wir das beste Geflügelland der Welt, wenn es um Tierhaltung und Tierschutz, um Lebensmittelsicherheit und um Rückverfolgbarkeit geht“, versucht er in die Offensive zu kommen.

Schon vor Jahren unterwarfen sich die rund 700 heimischen Hühner-und 150 Putenmäster, die nach einer starken Strukturbereinigung in den 1990er-Jahren übrig geblieben sind, deutlich strengeren Auflagen, als sie im Rest Europas nach wie vor üblich sind. „Dazu gehören die ausschließliche Verwendung von gentechnisch nicht verändertem Soja, spezielle Stallbauvorschriften oder der eigene Tiergesundheitsdienst samt Datenbank, der die Rückverfolgbarkeit des Backhendls auf dem Teller bis zurück zum Kükenlieferanten ermöglicht“, zählt Wieser auf. Zudem werden praktisch 100 Prozent der Masthühner nach den Vorschriften des AMA-Gütesiegels erzeugt. Bei den Puten liegt der Anteil nur deswegen bei zwei Drittel, weil einer der drei österreichischen Schlachtbetriebe in Deutschland schlachtet und damit die Kriterien („geboren, aufgezogen und geschlachtet in Österreich“) nicht erfüllt werden.

Besonders deutlich ist der Unterschied zur ausländischen Konkurrenz im Tierbesatz. In den heimischen Ställen stehen pro Quadratmeter um 40 Prozent weniger Hühner und sogar um bis zu 70 Prozent weniger Puten als in den großen Produktionsländern Europas. „In Deutschland müssen sich um 50 Prozent mehr Tiere den gleichen Platz teilen und in Italien sind es fast doppelt so viele“, sagt Wieser. Zudem konnte der Antibiotika-Einsatz nicht zuletzt deswegen um mehr als die Hälfte reduziert werden. „Wir machen sehr viel mit Kräutermischungen.“

Das alles erhöht zwar die Produktionskosten deutlich, wird aber auf dem Markt kaum honoriert. Bei Puten ist der Selbstversorgungsgrad in den vergangenen zehn Jahren von bescheidenen 60 auf mittlerweile weniger als 40 Prozent gesunken, weil die Mäster bei den Preisen nicht mithalten konnten. Bei Masthühnern liegt der Eigenversorgungsanteil bei auch nicht berauschenden 75 Prozent. Dabei ist Geflügel die einzige Sparte bei Fleisch, in der der Verbrauch stetig steigt.

„Unser Ziel ist es, die Anteile anzuheben“, gibt Wieser die Richtung an. Derzeit werden jeweils 45 Prozent des Geflügels über den Handel und die Gastronomie und Großküchen vertrieben. Die restlichen zehn Prozent entfallen auf den öffentlichen Bereich wie Krankenhäuser und Seniorenheime. „Wir werden von den momentanen Billigangeboten nur wegkommen, wenn sich alle zur heimischen Produktion bekennen und der gesamte Handel mitzieht“, sagt Wieser. Schließlich habe man mit höheren und teureren Produktionsstandards auch den Wünschen des Handels entsprochen. „Da erwarte ich mir, dass sie dann auch dazu stehen.“

Während im Handel der Anteil des heimischen Geflügels immerhin bei 85 Prozent liegt, sieht Wieser in den anderen Bereichen noch mehr Luft nach oben. „Zumindest in der öffentlichen Beschaffung, wo unser Anteil bei weniger als zehn Prozent liegt, geht nach der Einführung des Bestbieterprinzips vieles in die richtige Richtung“, sagt Wieser. Niederösterreich habe sich bereits verpflichtet, für seine Einrichtungen nur mehr österreichische Ware zu kaufen. Oberösterreich folge in den nächsten Monaten. Auch in Wien gebe es Überlegungen.

Ein harter Boden ist hingegen die heimische Gastronomie. „Die Wirtschaftskammer wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Herkunftskennzeichnung, die uns helfen würde. Dabei wissen wir aus der Schweiz, dass das relativ einfach umzusetzen wäre“, sagt Wieser.

Aufgeben will der Branchensprecher nicht. „Ich bin davon überzeugt, dass es in diese Richtung gehen wird.“ Nachsatz: „Wie lange es noch dauert, weiß ich aber nicht.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 22. August 2018

Donnerstag, 16. August 2018

Wissen zurück auf den Thron



Es hat sie immer schon gegeben diese Alles- und Besserwisser. Aber - sie werden immer mehr. Und sie haben immer weniger Respekt. Und Zurückhaltung schon gar nicht. Heute glaubt schier jeder mitreden zu können. Bei allem. Beim Fußball sowieso und in der Politik, aber auch vor wirtschaftlichen Fragen kennt man kein Halten, nicht vor Umweltthemen und schon gar nicht, wenn es um soziale Fragen geht. Immer hat man schnell eine Lösung parat und man hat keine Scheu mehr, das auch hinauszuposaunen. 

Fragen? Aber wo! Was die anderen glauben zu wissen, weiß man selbst auch. Und das viel besser, ist man doch geborener „Experte für eh alles“, wie der Kabarettist Gunkl das einmal nannte. Man meint überall mitreden zu können und nimmt sich ohne langes Wenn und Aber auch das Recht dazu heraus. Jetzt, mit Facebook und Twitter und mit den zahllosen Internetforen, hat man ja die Möglichkeiten. Das stärkt das Selbstbewusstein, da ist man doch wer. Ich bin, daher kann ich mir auch das Recht heraus nehmen, zu allem und jedem etwas zu sagen. Wissen hält man da nicht für erforderlich, respektvollen Umgang damit schon gar nicht. Ein paar Wortfetzen, die man irgendwo aufgeschnappt hat, ein paar Zahlen dazu, das reicht ja dann doch wohl. Was da nicht in den Kram passt, ist halt dann Fake-News. Ist doch klar.

In einem deutschen Politikmagazin stand einmal der Satz „Nichts gelernt und auch noch stolz drauf“. Es trifft die Kultur, die sich in den vergangenen Jahren breit gemacht hat und die mittlerweile längst mehr weh tut, als dass man die neue Meinungsfreiheit, die da in Anspruch genommen wird und das neue Selbstbewusstsein, das viele Menschen aus den neuen Medien beziehen, als Fortschritt schätzen würde.

Das Gegenteil ist der Fall. Bildung zählt allenfalls noch formal als Qualifikation. Wissen aber, richtiges Wissen, zählt wenig. Vor allem scheint das Wissen ums Wissen in den vergangenen Jahren vollends unter die Räder gekommen zu sein. Für Wissen wird heute in der Gesellschaft, die auf Mulitple Choice-Fragen konditioniert ist, gehalten, wenn man das Kreuz möglichst oft an der richtigen Stelle macht und man ein paar gut klingende Zahlen und Zitathappen unter die Leute werfen kann. Man kennt nichts mehr anderes. Und es zählt auch nichts mehr anderes, will man zu Anerkennung und Erfolg kommen. Alles anderes ist zu kompliziert und zu langsam. Und hat damit kaum mehr eine Chance.

Es gibt diese Kultur auch dort, wo sie wirklich gefährlich wird und haarsträubend, und wo sie längst dabei ist,  die Grundfesten des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu zerfressen. In der Politik ist diese Haltung weit verbreitet wie nie, in den Medien auch und oft auch in der Kunst, respektive dem, was sich dafür hält. In Bereichen also, die eigentlich eine ganz besondere Verantwortung hätten. Aber auch dort, und gerade dort, zählt Wissen, zumal fundiertes Wissen und der Respekt davor, immer weniger.

Ergo ist auch zuzuhören heute keine Kategorie mehr. Man hat es verlernt, es geht nur mehr darum, seinen Standpunkt durchzusetzen, als gäbe es keine andere Seite, schon gar eine, auf die man Rücksicht nehmen sollte. 

Diese Kultur, die sich in den vergangenen Jahren, beschleunigt von den neuen Medien und befeuert von populistischen Poltikern und Marketing-Gurus aus der Wirtschaft breit gemacht hat, macht uns alle zu Spielbällen, mit denen man schier tun und lassen kann, was man will. Die Politik nutzt das, die Wirtschaft auch und viele andere. Und niemand sagt „Stopp“. 

Dabei ist immer öfter erkennbar, wie verheerend die Folgen sein können, wenn statt auf Wissen und Verstand auf Halbwissen und Emotionen gesetzt wird. Dann werden Amateure und Blender wie ein Donald Trumpo ins US-Präsidentenamt gespült und bestimmen Krakeler jedweder Couleur die gesellschaftliche Diskussion und geben die politische Richtung vor und werden Entscheidungen getroffen, die verheerend sein können. 

Für die Gesellschaft wird es zur Überlebensfrage, dem Wissen und dem Respekt davor wieder zum Durchbruch zu verhelfen und ihm den Platz einzuräumen, den es auch verdient. Sich zurückzuziehen und das Feld den Schreiern zu überlassen, ist die falsche Strategie. 

Und auch falsch ist, Häme über die auszuschütten, denen Wissen nichts gilt. Hochnäsigkeit ist kein guter Ratgeber. Viel wichtiger ist es, den richtigen Umgang mit dieser Kultur und mit den Leuten, die sie leben und für richtig halten, zu finden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. August 2018

Donnerstag, 9. August 2018

Ruhe vor dem Sturm



In der Agrarpolitik herrscht so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm, ehe es in den kommenden Monaten
mit den Agrarreform-Verhandlungen wohl ernst wird. Auch wenn da und dort die Aufregung bereits groß war, als zunächst der EU-Haushaltskommissar seine Einsparungspläne bei der Landwirtschaft und dann der Agrarkommissar seine Eckpunkte zur Agrarreform vorstellte, ist kaum abzuschätzen, wohin es wirklich gehen wird.
Misstrauen und Skepsis sind freilich angebracht. Dass die heimischen Spitzenagrarier von der Landwirtschaftsministerin abwärts mit Empörung auf fast alles reagierten, was bisher vorgetragen wurde, ist nichts anderes als der Versuch, sich in eine Verhandlungsposition zu bringen. Interessant wird es erst, wenn es ernst wird. Und besonders interessant wird, wie Kanzler Kurz und sein System wirklich mit der Landwirtschaft umgehen – ob die Aussagen, dass man zur heimischen Landwirtschaft steht, mehr sind als Lippenbekenntnisse, oder ob am Ende des Tages nicht doch mehr zählt, dass man in Brüssel als Hardliner auf Budgeteinsparungen drängt, die wohl auch die Landwirtschaft treffen würden.
Manche in der Agrarpolitik scheint längst das Gefühl beschlichen zu haben, dass es auch in der Landwirtschaft kommen könnte, wie man es derzeit in anderen Bereichen, von der Mindestsicherung bis hin zur Reform der Sozialversicherungen, erlebt – dass eine vorgefasste Linie durchgezogen wird, ohne viel Wenn und Aber, ohne große Rücksichtnahmen und ohne große Diskussionen.
Dass diese Methoden auch in der Agrarpolitik der Regierung Kurz nicht fremd sind, haben die Bauernvertreter schon bei einigen Themen zur Kenntnis nehmen müssen, bei denen nicht lange herumgefackelt wurde und man Kompromisse erst gar nicht suchte. Der Einfluss der Vertreter, aber auch der Agrarpolitiker in den Ländern, scheint zunehmend geringer zu werden, ihre Mitsprache weniger gefragt. „In den bevorstehenden Verhandlungen sind jetzt der Bundeskanzler gefordert und der Finanzminister, da gibt es die klare Erwartung, alles daran zu setzen, die Bauernfamilien in Österreich nicht zu enttäuschen“, sah sich Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger in einem seiner Antritts­interviews in einer Zeitung genötigt zu sagen.
Blindes Vertrauen schaut anders aus.
Überraschungen und auch Enttäuschungen sind wohl nicht auszuschließen, gibt es doch nicht nur auf EU-Ebene viele offene Themen. Auch in Österreich selbst sind viele oft sehr unterschiedliche Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Der Bogen reicht von der Verteilung der Mittel zwischen den einzelnen Betriebszweigen und Regionen über die zahllosen Themen des Umweltprogrammes bis hin zum Umgang mit der Biolandwirtschaft. Das alles spielt sich vor dem Hintergrund einer Gesellschaft ab, die die Landwirtschaft zunehmend kritisch beobachtet und in der sich längst die Neider positioniert haben.
Die Landwirtschaftsministerin will eine „offensive Debatte, wie in Zukunft Lebensmittel produziert werden sollen“ führen. Man darf auf ihre Argumente gespannt sein und wie sie ankommen.
Und darauf, ob dabei nicht doch viele von denen, die ihre Hoffnungen auf sie setzen, unter die Räder kommen.

Gmeiner meint - Blick ins Land, August 2018

Donnerstag, 2. August 2018

Wer soll an dieses Europa glauben?



Es war nicht geplant, aber entlarvend war es dennoch. Just am gleichen Tag, an dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker freudig beklatscht wurde, dass er um des Handelsfriedens willen den europäischen Markt für Soja aus den USA, und damit vor allem für das in Europa so verteufelte GVO-Soja, noch weiter öffnete, beklatschte man auch freudig, dass der Europäische Gerichtshof dem Einsatz der "Genschere" in der Pflanzenzucht einen Riegel vorschob.

Man darf annehmen, dass es nicht wenige gewesen sind, die in beiden Fällen applaudiert haben. Aber so ist man offenbar in Europa. Die nicht genehmen Sachen schiebt man weit von sich weg, verbietet sie am besten und verschanzt sich hinter Bergen von Bürokratie und Vorschriften, während man keine Skrupel hat, genau das für sich zu nutzen, wenn es nur in den Kram passt. Da verschließt man einfach die Augen und redet nicht drüber.

Das ist im aktuellen Fall bei Soja so. So ist das auch bei arbeitsrechtlichen Vorschriften, bei Umweltauflagen, bei Löhnen und bei sozialen Standards, die der Wirtschaft und der Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb oft einfach wie Mühlsteine umgehängt werden. Man mag nicht recht davon reden und schon gar nicht darüber diskutieren.

Das hat Folgen. Dass Europa damit sozial-oder umweltpolitische aber auch wissenschaftliche Themen und Probleme einfach ausblendet und auslagert und sich der Verantwortung entzieht, ist das eine. Das andere ist, dass man sich mit dieser Methode zunehmend wirtschaftlich selbst schadet, weil man sich gerade in vielen Bereichen, die die Zukunft bestimmen, sehr zurückhaltend verhält und mit regelrechten Denkverboten wie etwa bei der Gentechnik oft gar völlig aus dem Spiel nimmt.

Nicht nur, dass man damit die Position des alten Kontinents auf den internationalen Märkten schwächt, längst ist die Gefahr nicht mehr zu übersehen, dass Europa damit sich und seine Zukunft verkauft. Denn die Musik spielt in vielen Bereichen längst auf anderen Kontinenten und in anderen Wirtschaftszonen. Europa ist längst Passagier geworden, immer öfter kraft-und machtlos und mit immer weniger Einfluss darauf, wie sich die Dinge entwickeln. Nicht nur politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich, technologisch und wissenschaftlich.

Selbstgerecht, selbstherrlich und oft sehr blauäugig läuft man dabei mitunter in immer neue Abhängigkeiten. Der Soja-Deal der EU mit den USA und das Verbot der "Genschere" sind ein typisches Beispiel für die Doppelbödigkeit, die in Europa gesellschaftliche und politische Kultur geworden ist. Während bei dem einen die in Europa gepflegten Bedenken gegen Gentechnik keinerlei Rolle spielen, reicht beim anderen offenbar alleine, dass der Begriff "Genschere" verwendet wird, um dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. Da spielt in der öffentlichen Diskussion keine Rolle, dass es alle Welt verwenden wird, dass dabei keine Fremdgene transferiert werden, dass diese Technologie weltweit als Zukunftstechnologie gilt, dass es den zumeist mittelständischen europäischen Saatguterzeugern geholfen hätte, sich gegen die Saatgutmultis zu behaupten und dass man damit just jene Saatgutriesen stärkt, die in Europa so gerne verteufelt werden, weil sie die Saatgutproduktion monopolisieren.

An der "Genschere"-Entscheidung wurde, soferne überhaupt etwas kritisiert wurde, allenfalls bemängelt, dass sie eher von Emotionen geleitet war, denn von Fakten. Das ist bezeichnend für den Weg, den Europa geht. Es bestimmen Halbwissen, Ängste und Misstrauen, gepuscht von populistischen Politikern, von NGOs, von Unternehmungen auch und von Konzernen, die es verstehen, sich den heute zeitgemäßen und damit richtigen Anstrich zu geben. Längst ist dieses Klima in alle Institutionen eingesickert. Dazu gehören nicht mehr alleine die Parlamente, dazu gehören längst auch der Verwaltungsapparat und, wie die Genschere-Entscheidung zeigt, auch höchste Gerichte.

Die Wissenschaft, gleichwohl welcher Richtung, hingegen scheint abgemeldet zu sein. Sie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, ihr fehlen auch die Strukturen und der gesellschaftliche und politische Rückhalt, die ihr in der Öffentlichkeit Gewicht verleihen könnten.

Ein Problem hat aber auch die europäische Gesellschaft. Ein Problem, das sie freilich nicht wahrhaben will -dass sie mit ihrem Verhalten und der Politik, die sie damit favorisiert, am Ast sägt, auf dem sie sitzt.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. August 2018
 
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