Mittwoch, 7. Juli 2010
Bioboom geht an den Biobauern vorbei
HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Österreicher kaufen so viele Biolebensmittel wie nie zuvor. Die Verkaufszahlen im Lebensmittelhandel explodierten in den vergangenen Monaten regelrecht. Die Bioumsätze von Spar, Billa, Hofer und Co. lagen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 30 Prozent über dem Niveau des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Mengenmäßig gab es sogar ein Plus von 40 Prozent. Das ergab die jüngste Markt analyse der Agrarmarkt Austria.
Der Schub für Bio kommt vor allem von Hofer. Und wie schon seinerzeit, als er für Billa (Rewe) mit „ja!natürlich“ den heimischen Biomarkt richtig in Gang brachte, steckt auch diesmal wieder Werner Lampert dahinter. Der Bio guru entwickelte für Hofer die Eigenmarke „Zurück zum Ursprung“ und stellte sie ab Mitte des Vorjahres – für viele Bauern handstreichartig – auf Bio um. Mittlerweile hält der Diskonter 25 Prozent des Marktes.
Aber auch bei den anderen großen Handelsketten liegen die Bioumsätze heuer um mehr als 20 Prozent höher als im vergangenen Jahr. „Wir haben immer noch deutliche Steigerungen gegenüber dem Vorjahr“, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Von Rewe ist Ähnliches zu hören. „Bio ist richtig angesprungen“, heißt es dort.
Am größten waren die Zuwächse bei Milchprodukten. So wurden heuer im ersten Jahresdrittel um 76 Prozent mehr Butter, um 55 Prozent mehr Milch und um 51 Prozent mehr Käse in Bioqualität verkauft. Mit rund neun Prozent hat auch der Verkauf von biologischem Frischobst und Biogemüse kräftig zugelegt. Der Absatz von Biokartoffeln wuchs um 11,5 Prozent.
„Der neuerliche Wachstumsschub auch abseits von Hofer kommt überraschend“, sagt Johannes Mayr von KeyQuest, der für die AMA die Marktanalyse macht. Als Gründe nennt er die größer gewordene Produktvielfalt und ein Umdenken bei den Konsumenten, denen Themen wie Nachhaltigkeit immer wichtiger würden. „Davon profitiert auch Bio.“
Eine entscheidende Rolle beim neuen Bioboom spielt aber der Preis. Der Abstand zu den Preisen von konventionellen Produkten ist kleiner geworden. In vielen Sparten rutschten die Preise für Biolebensmittel deutlich nach unten. „Das belebte den Absatz“, wie Bio Austria in einem internen Papier anhand des Marktes für Molkereiprodukte analysiert: „Im gesamten Sortiment sind die Preise nach unten gegangen“, heißt es dort. Im Detail lasse sich aber an der Preisentwicklung ablesen, „dass veränderte Preisrelationen den Ab- und Umsatzschub nachdrücklich beflügelt haben“.
Glücklich sind die Bauern damit freilich nicht. „Bei ihnen kommt vom Boom nichts an“, sagt Hubert Zamut von Bio Austria. „Der Erfolg spiegelt sich nicht in den Bauernpreisen wider.“
Vor allem die Erzeugermilch preise stoßen den Biobauern sauer auf. In einer Aussendung warf Biobauern-Obmann Rudi Vierbauch erst in der Vorwoche dem Lebensmittelhandel vor, eine Erhöhung der Bauernmilchpreise zu boykottieren. Er fordert eine Preisanpassung, die eine Anhebung des Bauernmilchpreises um fünf Cent pro Liter ermöglicht.
Bei Biogetreide sind die Biobauern nicht in der Lage zu fordern. Angesichts der gewaltigen Überschüsse und der drohenden Pleite der Agentur für Biogetreide (die SN berichteten) laufen intensive Verhandlungen, den Markt in geordnete Bahnen zu lenken, zumindest einen Teil der versprochenen Preise zu bekommen und die heurige Ernte verkaufen zu können. Bisher ohne Ergebnis.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 7. Juli 2010
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