Donnerstag, 18. April 2013

Chilling Generation



Das Ergebnis einer Umfrage unter Linzer Studenten zu ihren Karrierevorstellungen passt zur Stimmung im Land, in dem so vielen die Pension das einzige Lebensziel zu sein scheint. "Spondieren, promovieren und pragmatisieren“, fassen es die Oberösterreichischen Nachrichten in einem Kommentar zusammen. "Jungakademiker streben nach sicheren Jobs und viel Freizeit, Führungskarrieren sind out.“ Sicherheit zählt. Halbwegs verdienen ja, aber überanstrengen will man sich nicht. Schließlich soll ja die Work-Life-Balance nicht aus dem Lot kommen.

Alles schön kommod und überschaubar ist das, was in der neuen Chilling-Generation zählt. Eben so, wie man es von klein auf gewohnt ist in der Vollkasko-Familie und in der Vollkasko-Gesellschaft.

Da fügt sich ins Bild, dass laut Umfrage der öffentliche Dienst für den akademischen Nachwuchs am attraktivsten ist. Ganz unten hingegen stehen bei den angehenden Akademikern der wirtschaftsorientierten Uni in Linz die Chemie- und Elektro-Industrie und die Baubranche.

Dieser Lebensentwurf spiegelt Stimmungen und Verhaltensweisen, die sich in Österreich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten breit machten und die sich in den letzten Jahre wieder markant verfestigten. Handaufhalten, Ansprüche stellen, ducken, durchtauchen, aufschieben - was du heute kannst besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen, Hauptsache mir geht‘s gut. Die Politik zeigt das vor, politische Parteien jedweder Couleur spielen auf diesem Klavier in ihrem Sinn. Und die Österreicherinnen und Österreicher machen mit.

Man ist nicht mehr hungrig hierzulande. Man will nichts Neues. Alles was man will, so scheint es allzu oft, ist das Erreichte zu erhalten. Und wenn das schwierig sein sollte, will man zumindest darum streiten. Aber etwas Neues? Nein, nicht doch. Man verdient zumeist passabel auch in wenig anspruchsvollen Jobs. Damit kommt man gut aus, warum soll man da nach mehr streben. Es helfen doch die Oma und der Opa aus, wenn‘s sein muss. Und der Papa und die Mama auch. Die meisten sind rundum versorgt, wohlig. Geld ist genug da. Warum also sollte man sich anstrengen, noch dazu wo das Erbe der Eltern und Großeltern als Polster für die Zukunft in Aussicht stehen.

Der Zug zur Bequemlichkeit ist den Jungen freilich nicht zu verargen. Sie haben allzuzoft am eigenen Leib erfahren müssen, wie sich ihre Eltern im Job verbrannten, wie sie, den Schlüssel um den Hals, ihre Schulzeit zwischen Großeltern, Hort und gestressten Eltern hin- und hergeschoben wurden. Man kann verstehen, dass sie drauf keine Lust haben und ihren Lebensentwurf ganz bewusst anders anlegen.

Dass das für die Entwicklung des Landes, seiner Gesellschaft und seiner Wirtschaft alles andere als gut ist, wissen wir längst. Die Bemühungen, das zu ändern, sind freilich überschaubar. Man traut sich nicht, man ist unwillig, man hat keine Ideen und keinen Esprit.

Ganz augenscheinlich ist diese Kultur längst in der Politik. Sich dort zu engagieren ist seit Langem ein No-Go. An den Folgen leidet längst das ganze Land. Die, die es könnten, ziehen ihre Work-Life-Balance vor. Mit dem Ergebnis, dass an den Schaltstellen der Macht in diesem Land allzuoft die zweite oder dritte Garnitur sitzt, oft sogar eine Negativauswahl, die mangels Qualifikation und zweifelhafter charakterlicher Eigenschaften ihre Aufgaben alles andere als dem Lande und seinen Bewohnern dienlich erfüllt.

Auch in der Wirtschaft leidet man längst darunter. Führungspersonal zu rekrutieren wird immer schwieriger. Nicht nur ganz oben, sondern auch in den unteren Etagen. Wegen ein paar hundert Euro mehr wollen sich immer weniger den Stress antun und die Verantwortung. Das zahlt sich nicht aus, denkt man wohl, das könnte nur die Work-Life-Balance durcheinander bringen.

Die Studenten der Uni Linz sind überall. Das Erwachen für diese Generation könnte bitter sein. Für die Studienautoren Gerhard Stürmer und Vizerektor Friedrich Roithmayer sind die Ergebnisse ein "gesellschaftliches Problem“. "Wir müssen gemeinsam das Bewusstsein wecken, dass wir unseren Wohlstand nur durch Leistung erhalten können“, sagen sie.

Da kann man ihnen nur recht geben. Eingewandt sei einzig, dass kaum je in der Geschichte die Alten von den Jungen und ihren Ein- und Vorstellungen allzu viel gehalten haben. Und dennoch hat sich die Welt weitergedreht und ist beständig alles, alles in allem, durchwegs besser geworden.

Das nährt die Zuversicht, dass es ja auch vielleicht diesmal gut geht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. April 2013

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