Donnerstag, 4. April 2013
Wenig Ruhm
Gemeinden zusammenzulegen, gar den Zusammenschluss von Bezirken und Ländern zu fordern, Infrastruktureinrichtungen und auch gewachsene Unternehmungen, wie es auch Genossenschaften sind, zu größeren Einheiten zusammenzufassen, gehört in Kreisen, die in Österreich für politisch und wirtschaftlich fortschrittlich gehalten werden, zum guten Ton. Man könne damit viel Geld frei machen, unnötige Verwaltungskosten einsparen, wettbewerbsfähiger werden. Es klingt immer sehr einleuchtend und sehr logisch, wenn diese Argumente vorgetragen werden.
Es sei nicht angezweifelt, dass alle Organisationen, Einrichtungen und Unternehmungen immer wieder hinterfragt werden müssen, immer wieder auf ihre Effizienz, ihre Wirtschaftlichkeit und ihren Nutzen für die Bevölkerung hin überprüft werden müssen. Und es sei auch nicht angezweifelt, dass größere Einheiten durchaus oft die bessere Lösung sein können.
Immer freilich ist das nicht der Fall. Sehr oft sind größere Einheiten nichts anderes als die einfacheren Lösungen, die "billigeren“. Etwas zusammenzulegen, etwas zuzusperren, etwas aufzulösen, verlangt nicht viel. Die viel größere Herausforderung ist es, bestehende Strukturen in der Verwaltung, aber auch in der infrastrukturellen Versorgung oder in Unternehmen so weiterzuentwickeln, dass sie bestehen bleiben können und ihre Bedeutung für die Identität von Bevölkerung, Gemeinde oder Region beibehalten.
Österreich hat sich da in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht mit Ruhm bekleckert. Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft nicht, aber auch die betroffenen Menschen nicht. Die einen passten das Angebot nicht an, die anderen ließen sie mit den Anpassungsbemühungen alleine. Greißler und Fleischhauer hielten zu lange am Altgewohnten fest, Konsumentin und Konsument ließen sich allzu schnell vom Supermarkt in der nächsten größeren Stadt verführen. In der Post saß man viel zu lange am hohen Ross und anderswo auch. An den Folgen leidet man heute überall. Der Greißler im Dorf verschwand, die Post, das Wirtshaus, die Gendarmerie und der Arzt. Und mit jedem Mal ging ein Stück Identität.
Kritiker sagen nicht zu Unrecht, dass den oft raschen Einsparungen langfristig Mehrkosten entgegenstünden, die das Einsparungsvolumen bei Weitem überschreiten. Da ist etwas dran. Denn dabei geht es immer auch um anderes. Um Identität etwa. Um das, wo die Menschen verwurzelt sind, um das, was ihnen Kraft und Ehrgeiz gibt, um das, was ihnen das Gefühl gibt wo hin zu gehören. Um ein Gefühl von Heimat. Nicht zuletzt, weil das oft missachtet wird, hat Österreich immer größere Probleme mit der Entvölkerung ländlicher Gegenden. Für immer mehr Menschen ist es viel attraktiver in Ballungszentren zu leben. Dort ist alles viel leichter erreichbar, dort hat man alles vor der Haustür, dort ist alles einfacher.
Dort fehlt aber, und das wird den Menschen oft zu spät bewusst, die Seele. Reihenhaus reiht sich an Reihenhaus, in die Dörfer kommt man allenfalls zum Schlafen, seine gesellschaftlichen Kontakte hat man anderswo. Wie ein Geschwür durchwirkt diese Entwicklung das Land. Ein abenteuerliche Raumordnungspolitik tut das ihre dazu und schwächt die Dörfer und ihre Zentren. Politiker und Wirtschaftstreibende von den Gemeinden aufwärts schaffen es nicht in ihrem Umfeld zeitgemäße Strukturen zu schaffen, die auch für Menschen attraktiv sind, deren Lebenstraum nicht allein die Mitgliedschaft bei der örtlichen Blasmusik, ein Fixplatz am Stammtisch im "Goldenen Hirschen“ oder die wöchentliche Turnstunde im Rahmen des örtlichen Angebotes der Volkshochschule sind.
Gemeinden zusammenzulegen, Postämter und Gendarmerieposten zu schließen, Supermarktketten mit einem Baugrund an der Umfahrungsstraße zu ködern oder eine Bankstelle zuzusperren sind nicht die richtigen Antworten auf diese Entwicklungen. Sie mögen sich oft nicht vermeiden lassen. Das entschuldigt aber nicht, vorher alles zu tun, um andere Lösungen zu entwickeln. Dabei aber ist man in Österreich viel zu wenig kreativ. Den einen fällt nichts anderes ein, als mit allen Mitteln am Bestehenden festzuhalten. Und den anderen fällt nichts anderes ein, als den einfachsten Weg zu gehen. Dazwischen freilich geht viel von dem verloren, was Österreich für die Österreicherinnen und Österreicher attraktiv macht und was lange Zeiträume als große Stärke gegolten hat.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. April 2013
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