Dienstag, 2. April 2013

Bedrohlicher Wildwuchs



 

Als im Februar Greenpeace mit  angeblichen Glyphosatfunden in Getreide dicke Schlagzeilen machte war die Aufregung groß.  Und das, wie sich dann herausstellte, völlig zu unrecht. Der Wert, den das Umweltbundesamt (das übrigens für Untersuchungen dieser Art gar nicht zertifiziert ist) fand, lag um ein tausendfaches unter den gesetzlichen Grenzwerten. Zugelassene Labors, die nachkontrollierten, haben gar keine Rückstände gefunden. Als das herauskam, waren freilich Ackerbauern, Müller und Bäcker längst diskreditiert und in einen schiefes Licht gerückt. Schlagzeilen wie "Unkrautvernichter in Mehl und Backwaren" hatten längst ihre Wirkung getan.

Kein Wunder, dass manch Bäcker und Müller jetzt überlegt, mit Greenpeace als Partner zusammenzuarbeiten. Das verspricht schließlich, eine Menge Ärger und negative Schlagzeilen zu ersparen. Der Handel verfolgt diese Strategie schon längst. Spar steckt mit dem WWF unter einer Decke, Hofer hat Werner Lampert an Bord. Und Rewe präsentiert im Monatstakt in Kooperation mit "Vier Pfoten" neue Tierprodukte und druckt auf fast jedes Produkt das "pro Planet-Siegel", das von Global 2000 kontrolliert wird.

Für die NGO's wie Greenpeace, Vier Pfoten, Global 2000, WWF, Werner Lamperts "Prüf nach" und all die anderen Kontrollfirmen sind die Partnerschaften und damit einhergehenden Kontrollaufträge längst zu einem Millionengeschäft geworden. Sie arbeiten zusätzlich zu den gesetzlichen Kontrollen und tauchen nicht nur auf den Höfen österreichischer Partner-Bauern, sondern auch auf Bananenplantagen in Mittelamerika oder in Orangen-Hainen auf Sizilien auf.

Längt freilich ist auch in dieser Sparte, die so gerne das Gute vor sich her trägt, die Konkurrenz hart. So grün man sich nach außen gibt, so wenig grün ist man einander. Da kommt es schon vor, dass man von der Ware der Konkurrenz Proben ziehen lässt, um sie in einem Labor untersuchen zu lassen, das, siehe oben, genehme Ergebnisse liefert. Ganz abgesehen davon, dass die Untersuchungsmethoden, die angewendet werden, durchaus untereinander angezweifelt werden. Das X, das sie vormachen, ist nicht immer ein X sondern doch häufig ein U.

NGO's und Handel arbeiten in einem freien Raum. Wie weit sie es mit ihren Vorschriften treiben, welche Schlagzeilen sie fabrizieren und welche Kriterien sie entwickeln, ist oft kaum nachvollziehbar. Es sei nicht bezweifelt, dass es grundsätzlich darum geht, einer möglichst umweltfreundlichen Produktion den Weg frei zu machen. Es liegt aber der Verdacht sehr nahe, dass bei der Ausgestaltung der Programme die Möglichkeiten, sich auf dem Markt von der Konkurrenz zu unterscheiden, eine wichtigere Rolle spielen.

Die Bauern, die bei diesen Programmen mitmachen, profitieren durchaus davon. Jene, die sich das alles nicht antun wollen, haben freilich sehr oft die negativen Folgen zu tragen. Sie steigen fast immer als schlechte und unwillige Landwirte aus, die Umwelt verseuchen und die Tiere quälen. Dass sich auch diese Bauern gesetzlichen Vorgaben zu halten und entsprechende Standards zu erfüllen haben, geht vor diesem Hintergrund unter.

Derzeit herrscht nichts als Wildwuchs. NGOs und Handel treiben mitunter die Landwirtschaft regelrecht vor sich her. Dass sie das können, hat damit zu tun, dass sie längst eine weitaus größere Glaubwürdigkeit haben, als Bauern und Agrarpolitik. Warum das so ist, müssen sich Bauern und ihre Vertreter fragen. Dringend, es ist eine Überlebensfrage.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 2. April 2013

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