Montag, 30. März 2015
Nach 37 Jahren ist Schluss
Mit 31. März ist die Milchquote und damit der geregelte Milchmarkt Geschichte. Bauern und Molkereien schauen in eine Zukunft voller Ungewissheit.
Hans Gmeiner
Salzburg. Bei den heimischen Milchbauern und in den Molkereien steigt seit Wochen die Spannung. Nach 37 Jahren mit Lieferquoten für Länder und Bauern kommt in der Europäischen Union mit 1. April der freie Milchmarkt ohne Produktionsbeschränkungen. „Es ist überall Nervosität zu spüren“, sagt Hans Költringer, Sprecher der heimischen Milchverarbeiter. Vielerorts herrscht auch Verunsicherung. Vor allem kleine Milchbauern und Bauern in schlechten Lagen haben große Sorgen um ihre Zukunft. Sie fürchten, dem Preis- und Kostendruck nicht gewachsen zu sein.
Auch wenn man in der Branche davon ausgeht, dass die Milchproduktion in der EU heuer nach der Marktfreigabe nur um moderate ein bis zwei Prozent zulegen wird, erwarten Experten wie Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik für die Bauern eine „harte Landung“. Zum einen sei derzeit das Angebot an Milch und damit der Preisdruck sehr groß. Zum anderen hätten viele Bauern, die im Hinblick auf die Marktfreigabe ihre Produktion bereits im Vorjahr über ihr Lieferrecht hinaus ausweiteten, hohe Abschlagszahlungen zu erwarten. Mit rund 40 Millionen Euro wird die sogenannte Superabgabe für das vergangene Milchwirtschaftsjahr so hoch ausfallen wie noch nie zuvor.
Eine Beschleunigung des Strukturwandels erwartet man dennoch nicht, wohl aber eine Fortsetzung. Schon in den vergangenen 20 Jahren habe sich die Zahl der Milchbauern trotz Quote von 78.000 auf weniger als 30.000 verringert, sagt Kirner. „Ob jemand aufhört, hängt viel mehr von anderen Faktoren, etwa familiären Konstellationen, ab.“
Während viele der Bauern nach wie vor mit dem seit acht Jahren bekannten Ende des geregelten Milchmarktes hadern, sind Experten wie Kirner trotz des drohenden Ungemachs davon überzeugt, dass dem Kontingentierungssystem keine Träne nachzuweinen ist. „Die Quote hat nur im Zusammenhang mit einem starken Außenschutz Sinn ergeben“, sagt Kirner. Der sei aber in der EU schon vor Jahren stark reduziert worden. „Damit wirkte sie ohnehin nicht mehr.“
Auf vielen Bauernhöfen vor allem in guten Lagen im Alpenland und im Voralpengebiet hat man ohnehin bereits in den vergangenen Jahren die Weichen für die Zukunft gestellt und die Betriebe vergrößert. So investierten in Oberösterreich, dem wichtigsten Milchproduktionsland, die Bauern in den vergangenen sieben Jahren knapp 500 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Stallungen. In den anderen Bundesländern war es kaum anders. „Wer in der Milchproduktion bleiben will, richtete den Betrieb strategisch und produktionstechnisch entsprechend aus“, sagt Michael Wöckinger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.
Wo früher zehn bis 20 Kühe in den Ställen standen, stehen heute 30 bis 50 und mehr. Die durchschnittliche Milchliefermenge verdoppelte sich in den vergangenen Jahren auf knapp 90.000 Kilogramm Milch jährlich. Damit liegen die österreichischen Milchbauern im europäischen Vergleich zwar immer noch weit hinten. „Inzwischen gibt es aber auch in Österreich mehr als 800 Betriebe mit mehr als 50 Kühen und einer jährlich Produktion jenseits von 350.000 Kilogramm“, sagt Kirner. „Sie erzeugen rund zwölf Prozent der heimischen Milch.“
Auch die Molkereien haben in den vergangenen Jahren in den Ausbau der Kapazitäten, der Qualität und vor allem in die Käseproduktion kräftig investiert. „Allein im Spitzenjahr 2013 waren es mehr als 130 Mill. Euro“, sagt Költringer. Um die Rohstoffversorgung für ihre Anlagen zu sichern, haben sie mit den Bauern, so wie bisher, Lieferverträge abgeschlossen. „Jeder Milchbauer hat einen schriftlichen Vertrag und damit die Gewähr, dass die Milch auch abgenommen wird.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. März 2015
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