Donnerstag, 26. November 2015

Wen kümmert's?



Der Klimagipfel, der kommende Woche in Paris über die Bühne gehen wird, wirft allerorten seinen Schatten voraus. Zeitungen und Zeitschriften und all die anderen Medien sind voll mit Analysen und Forderungen, Kommentatoren äußern wortreich ihre Besorgnis und Politiker und Fachleute warnen vor der Entwicklung, die da auf die Welt zukommt. Man kennt das. Der Gipfel in Paris ist die mittlerweile 21. UN-Klimakonferenz und schon jetzt ist klar, dass sie auch nicht viel anders verlaufen wird, als all die anderen zuvor. Als einzigen Erfolg kann man allenfalls anerkennen, dass es die Klimakonferenzen immer noch gibt. Man redet über das Thema. Das zumindest. Wenn auch ohne großen Erfolg.

Die Auswirkungen bisher waren jedenfalls überschaubar. In allzu vielen Staaten und in allzu vielen Bereichen. Und nicht alleine, weil böswillige Staatsführer und profitgierige Industriebosse nicht handeln, sondern auch, weil den allermeisten Menschen selbst der Klimaschutz und seine Notwendigkeit immer noch einigermaßen einerlei ist, solange etwas nur billig ist oder Erwartungen und Träume erfüllt. Man anerkennt zwar immer öfter seine Bedeutung, man weiß auch immer öfter um die Bedrohung und man akzeptiert mittlerweile auch, dass es notwendig ist, Maßnahmen zu ergreifen. Man setzt sich sogar dafür ein und man verlangt das auch von der Politik. Vor allem dann freilich, wenn Beschränkungen einen selbst nicht treffen. Umweltbewusstsein zu haben und es auch zu leben sind zweierlei. Zumeist. Und vor allem, wenn' ums Geld geht.

Um 19,99 Euro von Wien nach Mallorca zu fliegen, wie dieser Tage von einer Billig-Fluggesellschaft angeboten, gilt allerorten immer noch als Erfolg der Deregulierung der Luftfahrt und als Schnäppchen für die Konsumenten. Wer so etwas nicht nutzt, ist selber schuld. Nach den Klimafolgen fragt man da vorsorglich nicht. Der Urlauber nicht und die Politik schon gar nicht. Nicht einmal, dass auf jedem Flugticket, ähnlich wie bei der Bahn, die CO2-Emissionen vermerkt sein sollten, ist ein Thema. Und auch nicht die Relation zu anderen Reisen. Die 200 Kilogramm CO2, die man für den "Malle"-Flug verbraucht, kosten dem Reisenden keinen Cent mehr wie die 32 Kilogramm, die man als Zugfahrer für die Strecke Wien-Linz verbraucht.

In anderen Bereichen des täglichen Lebens ist es nicht anders. Aber wen kümmert's? Reden und tun sind eben zwei Paar Schuhe, die viel zu selten etwas miteinander zu tun haben.

Wen kümmert's? Das gilt nicht nur für den Klimaschutz. Das gilt für dem Umweltschutz genauso, für soziale Fragen und fürs Essen.

Lebensmittel sind ein ganz typisches Beispiel dafür. Wie groß sind doch die Sorgen um die Qualität, den Tierschutz und die agrarischen Produktionsmethoden, wie groß die Probleme mit der Versorgung, wie laut der Ruf nach immer neuen Auflagen und nach immer mehr Kontrollen. Die Bauern und die heimischen Lebensmittelverarbeiter wissen ein Lied davon zu singen. Was sie, von A bis Z kontrolliert unter vielfältigsten Auflagen und mit Gütesiegel erzeugen, ist zumeist billiger zu haben als Katzenfutter, das aus Abfällen und ohne die von der Landwirtschaft zunehmend als schikanös empfunden Auflagen erzeugt wird. Erst jüngst gab es feinstes Schnitzelfleisch, Schweinsschopf und Koteletts bei einer der großen österreichischen Handelsketten, vor denen es kaum ein Entrinnen gibt, deutlich billiger als Katzenfutter. Und bratfertige Hendl aus Österreich waren um gut zwei Euro wohlfeil. Bei Milch, die zuweilen weniger kostet als schlichtes Mineralwasser, ist es kaum anders. Verständlich, wenn man dort an der Gesellschaft und ihren Ansprüchen zweifelt. Aber wen kümmert's? Wen kümmert, dass Forderungen und Handeln immer weiter auseinander klaffen. Und wen kümmern die Folgen, die sich daraus ergeben? Nicht nur in der Bauernschaft, sondern in der Gesellschaft?

Wen kümmert's? So lange der Großteil der Gesellschaft so denkt, wird sich in unserer Welt nichts ändern. Nicht im Klimaschutz, nicht im Umweltschutz und nicht beim Essen. Nirgendwo. Nicht mit dieser saloppen und sehr oft doppelbödig daherkommenden Sorglosigkeit, und erst recht nicht mit dieser nicht weniger saloppen und doppelbödig daherkommenden Politik. Nirgendwo. Und sicher auch nicht für das Klima. Selbst nach einem weiteren dutzend Klimagipfeln.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. November 2015

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