Im schönen Zell am See im Salzburger Pinzgau wälzt man aus
purer Not eine Idee. Nach 43 Jahren soll wieder eine eigene Polizei her. Ein so
genannter "Gemeindewachkörper", wie es im amtsdeutsch heißt. Die
Bundespolizei könne wegen Personalmangel und Unzuständigkeit nicht überall
sein, heißt es. Sie habe ganz einfach keine Zeit mehr. Darum überlegt man sich
selbst zu helfen.
Als ab dem vergangenen Sommer die Flüchtlinge in Scharen
nach Österreich drängten, waren die staatlichen Organe auch überfordert. Bei
der Kontrolle sowieso, und auch bei der Hilfe und bei der der Bewältigung des
Ansturms. Private mussten einspringen. Ohne die zahllosen freiwilligen Helfer,
die sich ein Herz nahmen und nicht wegschauten, sondern zu helfen versuchten,
wo sie konnten, wäre das Land binnen Tagen im Chaos versunken.
Und wenn irgendwo in diesem Land Berge rutschen oder Flüsse
übergehen und ganze Regionen in Katastrophen unterzugehen drohen, ist das Land
von vorneherein auf die vielen Feuerwehren und Rettungsorganisationen
angewiesen, in denen die freiwillige Hilfe dieses Landes organisiert ist. Ohne
deren Einsatz und Know-how würden jedes kleine Hochwasser, jedes noch so kleine
Feuer und selbst jeder kleine Unfall rasch zu unüberschaubaren Dramen.
Es gäbe durchaus noch mehr Beispiele dieser Art anzuführen,
die den Verdacht aufdrängen, dass wir in einem verkehrten Staat leben. Wo der
Staat sein soll, wo er gefordert wäre und wo sich die Bevölkerung mehr erwarten
und wünschen würde, ist er viel zu wenig präsent und viel zu schnell
überfordert. Kein Plan, kein Personal, keine Strukturen. Und - natürlich - kein
Geld. Am Letzterem freilich sollte es nicht liegen, dass der Staat seinen
ureigenen Aufgaben nicht mehr recht nachkommen kann. Das ist da. "Die
Ausgaben für Hoheitsverwaltung in Österreich liegen bei 1270 Euro pro Kopf -
und damit 420 Euro über dem EU-Schnitt", rechnet die
Industriellenvereinigung bei jeder Gelegenheit vor.
Das Problem liegt wohl eher darin, dass man viel zu viel von
diesem Geld dort braucht, wo man den Staat eigentlich nicht bräuchte. Dort, wo
er eigentlich nichts verloren hat, wo er oft als nichts, denn als Schikane und
Gängelung empfunden wird und wo die Vorschriften, Auflagen und Gesetze den
Betrieb bremsen und Ideen ersticken, weil er sich unmäßig breit macht. In den
Unternehmen ist das so, in der Landwirtschaft, im Sozialwesen, in den Schulen.
Die Liste der Beispiele dafür ist schier endlos.
Das alles und vieles andere zu überwachen und zu prüfen
kostet. Nicht nur Nerven. Heerscharen von Menschen sind mit diesen Aufgaben
gebunden und Abermillionen Euro, die der Staat in anderen Bereichen viel
sinnvoller einsetzen könnte - dort, wo die Defizite längst unübersehbar sind
und die Mittel notwendig wären.
Die Kluft zwischen dem zu wenig präsenten Staat auf der
einen und dem überpräsenten Staat auf der anderen Seite hat längst bedrohliche
Dimensionen erreicht. Während man auf der einen Seite Probleme hat, der
Bevölkerung die nötige Sicherheit zu gewährleisten und in Krisenfällen die
nötigen Maßnahmen zu setzen, ist die überbordende Bürokratie auf der anderen
Seite dabei, dem Land und seiner Wirtschaft und damit auch den Bürgern massiv
zu schaden.
Das Land leidet. Der einfache Bürger, wenn er Formulare über
Formulare ausfüllen muss. Die Wirtschaft, wenn sie sich von all den
Vorschriften und Vorschreibungen und Kontrollen nur mehr gepflanzt fühlt.
"Heute arbeiten wir drei bis vier Wochen im Jahr, um behördliche Auflagen
zu erfüllen", schrieb kürzlich auf Facebook ein Tischler aus Anlass seines
Rückzugs aus dem Geschäft. Die "Paragrafenlast" sei erdrückend, meint
er. "Ich könnte ein Buch schreiben, was da alles falsch läuft", sagt
er. Viele andere könnten das auch. Der Unmut vor allem in der Wirtschaft ist
groß wie nie. Und da braucht man gar nicht das Wort Registrierkassa in den Mund
nehmen.
Angesichts der vielen neuen Schikanen, die man in die
jüngster Steuerreform ungeachtet der heftigen Proteste einbaute und angesichts
der Geschichte, die das Thema "Verwaltungsreform" in diesem Land hat,
sind Hoffnungen auf Änderungen wohl nichts denn ein fromme Wünsche.
Was freilich nichts daran ändert, dass man bei jeder sich
bietenden Gelegenheit darüber reden sollte.
Vielleicht bringt es ja doch etwas. Irgendwann einmal.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Jänner 2016
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