Donnerstag, 7. April 2016
Eingemauert im Schrebergarten
Die Szene aus dem vergangenen Herbst ist noch in bester Erinnerung. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Staatssekretär Harald Mahrer klatschten bei der Präsentation der Bildungsreform ab wie die Jungen. Nach monatelangem Zerren feierte man den Abschluss der Verhandlungen. Von Aufbruch war viel die Rede, von richtungsweisenden Weichenstellungen und von vielem anderen auch. Heute weiß man längst, dass der effektvolle Auftritt der beiden Politiker so gut wie nichts wert war. Es waren nicht viel mehr als Überschriften, auf die man sich geeinigt hatte. Schon nach wenigen Wochen fand man sich nicht im Aufbruch, sondern auf den alten ausgefahrenen Geleisen dessen, was in Österreich als Bildungsdiskussion gilt. Ganz so, als ob nie etwas gewesen wäre, hockt man schon wieder in den alten Schützengräben. Bei der Umsetzung der Ziele spießt es sich gewaltig.
Mit dem Bildungswesen in diesem Land geht es weiter abwärts. Jüngst sorgte der Bildungsstand der Volksschulabgänger für heftige Diskussion und Häme. Die Bildungsministerin fand sich umgehend am Pranger wieder. Unfähigkeit wurde ihr vorgeworfen, Versäumnisse und Realitätsverweigerung. Das alles mag seine Richtigkeit haben. Es ist trotzdem ungerecht. Denn, wie die Ministerin müssten auch all die Damen und Herren an den Pranger, die, oft seit Jahrzehnten, in der Bildungspolitik mitreden und mitbestimmen. Sie alle sind verantwortlich dafür, dass kein anderer Bereich in Österreich derart verpolitisiert ist, wie es Schule und Bildungswesen sind. Nirgendwo fallen Veränderungen so schwer, nirgendwo sind die gegenseitigen Blockaden so groß. De facto ist Bildungspolitik, insbesondere die Schulpolitik, längst zu nichts anderem als einem mittlerweile jahrzehntelangen Stellungskrieg verkommen. Ohne irgendwelche Fortschritte.
In diesem Umfeld arbeiten zu müssen ist kein Honiglecken, zumal, wenn es kaum Unterstützung und Rückhalt von irgendeiner Seite gibt. Lehrer gelten nicht viel in diesem Land. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, als sehe sich die gesamte Bevölkerung berufen, offene Rechnungen aus der eigenen Schulzeit zu begleichen. Da hat man keine Scheu in Bildungsfragen mitzureden und hält sich auch sonst nicht zurück. Eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich? Das von Lehrern einzufordern ist selbst für den roten Bundeskanzler keine Frage. Was in anderen Berufszweigen unvorstellbar wäre, würden der Lehrerschaft die meisten Österreicherinnen und Österreicher ohne große Diskussion am besten sofort zumuten. Ein Arbeitsplatz in der Größe eine DIN-A3 Blattes in einem überfüllten Konferenzzimmer ohne jedes Hilfsmittel wie Computer etwa? Anderswo unvorstellbar, bei Lehrern der Regelfall. Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Und gar nicht davon zu reden, dass die gesamte Bevölkerung dieses Landes weiß, wie richtiger Unterricht auszuschauen hat.
Lehrer zu sein ist nicht leicht. Aus der Pflicht ist die Lehrerschaft dennoch nicht zu entlassen. Sie, respektive ihre Vertreter, haben es über Jahrzehnte verstanden, sich ihre Schrebergärten zu sichern und regelrecht einzuzementieren. Und das so gründlich nachhaltig, dass es nunmehr allem Anschein nach kein Entrinnen mehr gibt. Man ist gefangen in einem Korsett an Bürokratie und Parallelstrukturen. Man ist zur Geisel der Beamten geworden und Spielball der Länder und der Gewerkschaften. Alle geben sie vor, die Interessen der Lehrerschaft, des Bildungswesens und - auch das -der Schülerinnen und Schüler zu vertreten. Dabei bewirkt ihr Tun nichts anderes, als das genaue Gegenteil dessen. Längst wendet sich das System gegen sich selbst, weitab der Anforderungen der heutigen Lebensrealität, teuer und ineffizient.
Dieser gordische Knoten, zu dem das heimische Schulwesen und das gesamte Bildungssystem geworden ist, gehört zerschlagen. Das anerkennen inzwischen viele. Denn nicht nur das Schulsystem ist eine Riesen-Baustelle. Der Reformbedarf reicht bis hinauf zu den Universitäten mit ihren oft unzumutbaren Arbeitsverhältnissen für die Studenten und die Lehrenden.
Darüber, wie man diesen Knoten durchschlagen könnte, ist man sich freilich nicht einig. Gar nicht. Da seien die Schrebergartenmauern davor und jene, die den Beton dafür angerührt haben, aber auch ideologiebestimmte politische Positionen und wohl auch Neid. Dass sich Österreich das nicht mehr leisten kann, spielt dabei freilich keine Rolle.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. April 2016
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