Donnerstag, 21. April 2016
Veränderung liegt in der Luft
Es hat langsam und zögerlich angefangen. Der eine wollte zuerst nicht recht. Und der Zweite auch nicht. Der Dritte hingegen musste, weil ein anderer nicht wollte. Der Vierte musste erst überredet werden. Die einzige Frau, die wusste als Erste, dass sie wollte. Und der sechste im Bunde wollte, hatte aber alle Mühe für sein Wollen die nötige Unterstützung zu finden. Inzwischen ist aus dieser Konstellation einer der spannendsten Wahlgänge in der Zweiten Republik geworden. Und möglicherweise der mit den weitreichendsten Folgen, jedenfalls aber einer, der eine Zäsur in der heimischen Politik markieren wird.
Es liegt Veränderung in der Luft in Österreich. Wenn die Demoskopen nicht schwer danebenliegen, werden wir wohl einen Bundespräsidenten, oder vielleicht sogar eine Bundespräsidentin bekommen, der/die nicht den beiden Parteien angehört und von ihnen nominiert wurde, die sich in den vergangenen Jahrzehnten das Land teilten. Denn selbst viele eingefleischte Regierungspartei-Gänger, gleich ob rot oder schwarz, denken dieses Mal nicht daran, den Kandidaten ihrer Partei zu wählen. Und sie haben auch, das ist ganz ungewohnt und neu, keinerlei Hemmungen mehr, das auch kundzutun.
"Zeit ist's" ist, was sich in den Köpfen so vieler Menschen wie noch nie festgesetzt hat. Zeit für einen Wechsel. Man will zeigen, dass man unzufrieden ist. Man will zeigen, wie wenig man von den Akteuren in der heimischen Politik hält, von denen, die sich Tag für Tag mehr hilflos als staatstragend in Fernsehen und Zeitungen produzieren, die oft als doppelzüngig und heuchlerisch erlebt werden. Noch nie wohl war die Gelegenheit so erfolgversprechend.
Die Wahlen am kommenden Sonntag und der Entscheidungswahlgang vier Wochen später sind aber wohl nicht nur Denkzettelwahlen, mit denen die Wähler warnen und ihren Parteien Zeit zur Besserung geben wollen. Viel wahrscheinlicher ist, dass diese Wahlen wirklich das Ende der rotschwarzen Ära einläuten. Denn das Zeit-und auch das Geduldskonto der Regierungsparteien bei den Wählern ist leer. Darum bekommen sie auch keine Zeit sich zu bessern. Zu oft schon sind Hoffnungen enttäuscht worden.
Abgesehen davon ist den Regierungsparteien auch gar nicht mehr zuzutrauen, dass sie aus dem Wahlergebnis die richtigen Konsequenzen ziehen und damit ihren Untergang sozusagen in letzter Sekunde verhindern. Das nicht alleine deswegen, weil manche Landesfürsten die Partei als persönliches Spielzeug sehen oder sich trotz desaströser Wahlverluste und entgegen gegenteiliger Ankündigungen nicht von der Macht zu trennen vermögen. Dass die beiden großen Parteien die richtigen Konsequenzen ziehen, ist ihnen auch deswegen nicht zuzutrauen, weil sie gar nicht wissen, wie diese ausschauen können. Und weil sie gar nicht mehr die Leute dazu haben. Wie denn auch? Über Jahrzehnte hat man sich in der eigenen Größe und in der eigenen Kultur gesuhlt und nicht gemerkt und auch gar nicht zur Kenntnis genommen, dass man den Kontakt zu breiten Schichten der Gesellschaft völlig verloren hat. Jetzt steht man hilflos da und ideenlos erst recht. Alles was man tut, ist nur mehr ein Nachahmen der anderen. Der Freiheitlichen vor allem und auch der Grünen. Sie geben die Themen vor, in der Fremdenpolitik die einen, in der Umweltpolitik und im gesellschaftlichen Umgang die anderen.
Aber warum Krokodilstränen vergießen? Eine Veränderung täte dem Land gut. Aber, das sollte man nicht vergessen, sie ist nicht schon per se gut. Und sie ist, so sie denn wirklich kommt, mit der Bundespräsidentenwahl erst ein Anfang. Glaubt man den Auguren, wird daraus sehr schnell mehr werden, weil für die große Koalition das erwartete Wahlergebnis nichts denn Sprengstoff ist. Erst dann wird es richtig spannend. Und richtig wichtig für das Land. Denn dann gilt wohl, auch wenn nicht der freiheitliche Kandidat in die Hofburg einziehen wird, was dieser Tage ein Kommentator schrieb: "Man wird sich an die Freiheitlichen gewöhnen müssen." Ihm ist nur recht zu geben. Auch wenn es unerträglich sein mag. Vielleicht hat es ja sogar seine guten Seiten, wenn blaue Mundwerksburschen einmal drankommen. Dann können auch sie zeigen, was sie nicht können. Dann können sie nicht mehr aus ihrer Oppositionsrolle heraus Stimmen sammeln. Dann müssen sie Farbe bekennen.
Freilich ist die Gefahr groß, dass dann aus blauäugiger Hoffnung schnell blaue Augen werden.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. April 2016
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