Mittwoch, 7. Dezember 2016

Sieger und Gewinner



Die Bundespräsidentenwahl hat einen Sieger. Was dennoch bleibt, ist die Frage: Wer hat gewonnen? Allzu blauäugig urteilt wohl ein Kommentator, der gleich nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses vollmundig davon schrieb, Österreich habe den weltweiten Siegeszug der Rechtspopulisten gestoppt. Da unterschätzt der gute Mann nicht nur die internationale Bedeutung Österreichs. Er unterschätzt wohl auch die rechten Kräfte in diesem Land und die FPÖ.

Darum ist man wohl gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen. Alexander Van der Bellen wird nun zwar Bundespräsident, was viele freut und vielen einen Stein vom Herzen fallen ließ. Aber anders geworden ist in diesem Land dadurch nichts. Die Probleme -von der Arbeitslosigkeit, über das Sozialsystem bis hin zu den Budgetsorgen -sind dieselben, wie sie auch am Freitag vor dem Wahlsonntag waren. Auch die gesellschaftlichen Gräben wurden nicht kleiner, an der Diskussion um Eliten und System ändert sich nichts, nichts an der Verrohung der Kommunikation und auch nicht am Phänomen der Wutbürger, die sich zunehmend in Schattengesellschaften heimisch fühlen, weil sie sich von der Politik übersehen und nur geringgeschätzt wähnen.

Festzuhalten ist, dass das, was da seit Sonntag von vielen als Sieg gegen Rechts, für Europa und weiß Gott was noch gefeiert wird, der größte Erfolg ist, den die Freiheitlichen je in Österreich erreicht haben. Denn so, wie sich Van der Bellen freuen darf, zwei Mal gewählt worden zu sein, können die Freiheitlichen darauf verweisen, zwei Mal fast fünfzig Prozent der Stimmen für ihren Kandidaten errungen zu haben.

Noch nie war in diesem Land der Unmut und die Unzufriedenheit so sehr in einem Wahlergebnis fokussiert. 46,7 Prozent der Stimmen für Hofer messen genau das Potenzial der FPÖ und ihres Obmanns HC Strache in diesem Land ab. Und je schwächer die beiden Regierungsparteien, desto größer ist der Anteil, den sie sich davon auch bei Nationalratswahlen oder in den Landtagen holen können.

Aber nicht nur das. Diese 46,7 Prozent stecken das Potenzial ab für politische Ziele und Inhalte, deren Umsetzung für Österreich weitreichende Folgen haben kann. Die Abwendung von der Europäischen Union und Skepsis gegenüber dem Euro gehören dazu, die Abschottung der Grenzen, eine Verschärfung des sozialen Klimas, ein weiteres Niederreißen der Hemmschwellen im Umgang miteinander und vieles andere mehr.

Die 46,7 Prozent zeigen, dass die Menschen für diese Themen ansprechbar sind, dass sie bereit sind, dafür ihr Wahlverhalten zu ändern und auch ihre angestammten Parteien im Stich zu lassen.

Was schlummert da unter der Decke der Gemütlichkeit und der Wein-und Bierseligkeit in diesem Land? Die 46,7 Prozent irritieren und werfen die Frage auf, ob diese Menschen vorher, als die Stimmen auch auf SP und VP verteilt waren, anders dachten und die Einstellungen andere waren. Und sie lassen einen fragen, ob dann wirklich alles besser ist, wenn sie bei den nächsten Wahlen wieder anders wählen, wenn sie nicht wie diesem einem FP-Kandidaten die Stimme geben, sondern sie sich aufteilen auf SP, VP und Freiheitliche -so wie in den vergangenen Jahren. Ist Österreich nur dann ein Land, in dem der Rechtspopulismus blüht und auf das ganz Europa schaut, wenn hier der freiheitliche Kandidat 46,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen kann? Oder auch dann, wenn die Leute, die diesmal Hofer wählten, demnächst bei der SP oder der VP das Kreuzerl machen? Sind die dann wirklich anders?

Gelöst ist mit diesem Sieg Van der Bellens in diesem Land wohl gar nichts. Allenfalls gibt es eine Verschnaufpause. Die Lösung aller Probleme dem Bundespräsidenten aufzubürden, wäre wohl allzu viel der Erwartung. Viele, die den politischen Diskurs und das gesellschaftliche Klima in diesem Land bestimmen, müssen von ihren hohen Rössern herunter und die Menschen, für die einzusetzen sie vorgeben, ernst nehmen.

Weil zu befürchten ist, dass das nicht so schnell der Fall ist, gilt wohl der Spruch "Nach den Wahlen ist vor den Wahlen". Die FPÖ hat bereits am sonntäglichen Wahlabend damit begonnen, die nächsten Wahlen aufzubereiten. Dass sie dabei starke Karten hat, zeigt nicht nur das Ergebnis der sonntäglichen Wahl in Österreich. Das zeigt auch das Ergebnis des Referendums in Italien, das bestätigte, dass der Unmut der Wähler kaum bezähmbar ist. Und dass damit gefährliche Politik gemacht werden kann. Von wem, ist gleich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Dezember 2016

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