Selten wurde die heimische Gastronomie und die dort immer noch häufig geübten Usancen so radikal entlarvt, wie von den Schweizer Vorschriften, die verlangen, dass die Herkunft der Zutaten fürs Essen auf den Speisekarten ausgewiesen werden muss.
Nichts dagegen, dass man in den Küchen auch ausländische Produkte verwendet. Aber alles dagegen, dass man das Image Österreichs und namentlich seiner Landwirtschaft und die damit verbundene Qualität der Lebensmittel in die Auslage stellt, aber statt Produkten von österreichischen Bauern oft nur beliebige, weil billige, international zusammengekaufte Lebensmittel in den Pfannen hat.
Gerade in der Gastronomie und im Fremdenverkehr hat man keine Scheu, sich mit allen Attributen zu schmücken, die man für Österreichisch hält. Dazu gehören die Bilder von gepflegten Almen, Berglandschaften, Kühen und Bauernhöfen, die in keinem Prospekt und keiner Präsentation fehlen. Bei der Einrichtung der Häuser kann man nicht rustikal genug tun mit schwerem Holz, Schmiedeeisen und bäuerlichem Gerät als Zierde an den Wänden. Oft bis zum Abwinken. Man gibt sich österreichisch und rustikal bis hin zum - oft ausländischen - Personal, das in Dirndl und Lederhose gesteckt wird.
Das freilich heißt nicht, dass man das auch lebt. Allzuoft ist es nichts als Attitude, Staffage und Marketingschmäh. Denn als Imagevehikel sind die Bauern und ihre bäuerliche Welt nur recht, als Partner ganz offensichtlich zumeist sehr viel weniger. Die heimische Gastronomie dazu zu bringen, zu heimischen Lebensmitteln zu greifen, ist immer noch Bohren in harten Brettern. Generationen von Agrarpolitikern wissen das, alle Initiativen, die es gibt das zu ändern, tun sich schwer.
Der Widerstand ist nach wie vor groß, auch wenn immer mehr Gastronomen die Regionalität entdecken. Nach wie vor kommt ein Gutteil des Fleisches, das in Österreichs Gastronomie ausgespeist wird, aus dem Ausland. Und während in den Supermärkten keine Eier von in Käfigen gehaltenen Hühnern mehr angeboten werden, sind Käfigeier aus Spanien, Tschechien, Polen, Ungarn oder sogar der Ukraine in den Restaurantküchen dieses Landes nach wie vor gang und gäbe.
Die Gastronomie ist aber nur ein Beispiel für die Dreistigkeit, mit der man hierzulande gerne das Image der Bauern und der Landwirtschaft nutzt, um Geschäft zu machen. Mitunter drängt sich der Eindruck auf, als seien allerorten längst alle Bremsen und jede Zurückhaltung gelöst. Anders ist nicht zu erklären, dass etwa der größte Diskonter des Landes in diesen Tagen in den Tageszeitungen groß Anzeigen schaltet, in denen er seine Initiativen für das Fortkommen der heimischen Landwirtschaft lobt und das Bauernsterben beklagt.
"In den letzten Jahren mussten jährlich mehr als 2000 Landwirte ihren Hof aufgeben, ihre Betriebe verkaufen oder verpachten", schreibt man mit einem Anflug von Rührseligkeit und denkt sich nichts dabei, wenn man im nächsten Absatz mit dem Satz "Kein Balkon ist zu klein, keine Mauer zu schmal, um eigenes Gemüse anzubauen" dafür wirbt, dass die Städter selbst zu "(An-)Bauern", wie man es formuliert, werden.
Man staunt.
Nichts dagegen, dass auch in der Stadt die Menschen versuchen, ihr Gemüse zu ziehen, weil ihnen das Freude macht. Aber es grenzt schon an Unverschämtheit, wie man die Bauern, ihr Image und auch ihre Nöte benutzt, um die eigenen Geschäfte zu machen -indem einerseits das Bauernleid beklagt und im gleichen Atemzug die Konsumenten auffordert, sich ihre Nahrungsmittel selbst zu erzeugen und das auch noch als "Leuchtturmprojekt" bezeichnet.
Aber man denkt sich wohl gar nichts dabei, weil dieses Denken auf Kosten der Landwirtschaft üblich geworden ist. So wie im "TirolBerg" in St. Moritz.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Februar 2017
Stimme der Meinung völlig zu. Mir ist der Begriff "Imagesurfer" zu milde, "Raubkopierer" trifft die Sachlage besser. Lösungen? Gesetzliche Mindestspielregeln für Fairplay (Das Beispiel TirolBerg ist nur durch die Schweizer Rechtslage aufgepoppt) und praktikable Paketlösungen für freiwillige Premiumlösungen. Und Lob für alle, die das jetzt schon in der Gastronomie leben.
AntwortenLöschenChristian Jochum, Landwirtschaftskammer Österreich