Donnerstag, 2. Februar 2017
Letzter Akt
"Für Österreich" heißt es. Und das Wort "Neustart" soll man damit nicht in Verbindung bringen, wünschten sich die Protagonisten bei der Präsentation des überarbeiteten Regierungsprogrammes, mit dem man diese "Regierungskrise aus dem Nichts", wie ein Kommentator sie nannte, wieder in den Griff bekam. Sie haben es geschafft. Wieder. Sie haben sich zusammengerauft. Nach fünf Tagen. Beifall wird jetzt gewünscht, und dass man glaubt, was sie versprechen.
Und die Öffentlichkeit scheint zu folgen. Was Kanzler Christian Kern und sein Vize Reinhold Mitterlehner nach tagelangen Verhandlungen zu Beginn dieser Woche präsentierten, wird durchaus positiv aufgenommen. Es wird zwar nicht mit Lob überschüttet, aber man zeigt sich der großen Koalition gewogen. Mit einer Inbrunst, die so gar nicht zur sonstigen Geringschätzung der Koalitionsarbeit passt, werden die Pläne interpretiert und analysiert. Dass ein Zeitplan für die Umsetzung gleichsam als Raster den Erfolg garantieren soll, wird anerkannt.
Es mutet freilich alles sehr österreichisch an. Man scheint vor allem froh, dass die Krise wieder vom Tisch ist, dass vorerst wieder einmal Ruhe ist und dass man sagen kann, dass alles wieder gut ist. Dafür nimmt man schon einiges in Kauf, und dafür schaut man über vieles hinweg.
Denn wirklich Neues enthält das neue Programm nicht. Und weil in vielen Punkten die Details noch offen sind, kann man die angepeilten Termine auch als ausgestreute Tretminen für die nächsten Regierungskrisen verstehen.
Der Kanzler und sein Vize standen einig, stolz und frohen Mutes vor der Presse, um zu verkünden, dass man an einem Strang zieht und in die gleiche Richtung, das gab es schon. Bei allem guten Willen, den man der Koalition entgegenbringen will, bleibt über allem die Frage hängen, warum man just jetzt glauben soll, dass es klappen wird, dass man sich nicht schon in ein paar Wochen wieder an die Gurgel gehen wird? Denn das alles hatten wir schon. Und zur Genüge.
"Unser gemeinsames Regierungsprogramm steht. Es gab intensive, notwendige Diskussionen, nun liegt unser inhaltliches Programm vor. Es ist kein SPÖ-oder ÖVP-Programm, sondern die Summe von Maßnahmen aus den gemeinsamen Schnittmengen", sagt Kern jetzt. Vor Weihnachten klang das ähnlich, wenn auch nicht ganz so salbungsvoll. Wenige Wochen ist das erst her. "Wir haben in den vergangenen sieben Monaten manches erreicht", sagt er damals in einem profil-Interview. "Die ersten Monate waren von Misstrauen geprägt. Wir haben uns belauert wie in einem schlechten Western: Zwei stehen sich gegenüber, mit dem Finger am Abzug, und beim ersten nervösen Grinsen passiert ein Unglück. Jetzt können wir endlich die Colts einpacken."
Wir wissen, dass es anders kam und wir müssen befürchten, dass es auch in Zukunft, trotz aller Gelöbnisse, wieder anders kommen wird. Schon was nach der Präsentation zu hören war, war oft nicht geeignet, den Glauben an das neue Gute zu nähren. Und da sei noch gar nicht auf den Innenminister und seine Starrköpfigkeit rund um die Unterzeichnung des Abkommens verwiesen. Im Nu rangelten auch die Parteisekretariate darum, wer denn nun mehr seiner Standpunkte im Programm untergebracht habe. Der Innenminister nahm in Anspruch, dass das Paket "eine ganz große Handschrift der ÖVP" trage. Wolfgang Katzian, Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, befand, das Paket sei "teilweise halt noch nicht ausformuliert" und sah "Bedarf zu hinterfragen". Und die Landeshauptleute wollten auch nicht gerade in Jubel verfallen. Für Salzburgs Wilfried Hauslauer etwa ist "die Detailtiefe des Programms nicht sehr ausgeprägt" und er meinte, es würden noch viele Detailgespräche zu führen sein.
Das macht hellhörig, verheißt nicht wirklich Gutes und gibt den Pessimisten - oder nennt man sie angesichts der Erfahrung mit dieser Regierungskonstellation lieber Realisten? - in diesem Land Spielraum für ihre Befürchtungen. Auch wenn jetzt wieder allerorten Erleichterung angesagt ist, ist für sie schon jetzt klar, dass die rotschwarze Koalition ein Totalschaden ist. Die Risse und Beulen sind wohl kaum mehr auszubiegen, kein Kitt kann dick genug aufgetragen werden, dass das Ding noch lange zusammenhält und kein Lack ist dick genug, um es wieder zum Glänzen zu bringen.
Bei all der Zuversicht, die man jetzt zu verbreiten sucht - die Ereignisse der vergangenen Tage, diese Regierungskrise aus dem Nichts, lässt viele in diesem Land eher ratlos zurück, denn zuversichtlich. Was war das, was da geboten wurde? Und warum? War es Taktik, Inszenierung oder war es Leadership? Oder doch Start in den Wahlkampf?
Oder war es von all dem nichts? Insgesamt wieder nichts?
Meine Meinung -Raiffeisenzeitung, 2. Februar 2017
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