Donnerstag, 2. Februar 2017

Die Landwirtschaft und die Wirklichkeit



Die bäuerlichen Politikerinnen und Politiker und auch die Bauern selbst neigen dazu, sich lieber die Wirklichkeit mit allerhand Erklärungen und Verklärungen zurechtzurücken, als sie zu akzeptieren und entsprechend zu handeln. Das hat Folgen. Statt der Realität ins Gesicht zu schauen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, neigt man allzu oft lieber zu bequemen und oft selbstmitleidvollen Erklärungen und verabsäumt darüber, rechtzeitig die Weichen für Veränderungen zu stellen. Die Schuld sucht man zumeist lieber bei anderen und übersieht dabei, dass man genau deswegen mit dieser Wirklichkeit, die viele als belastend und voller Gefahren empfinden, nicht zurecht kommt.

Aber es ist halt der einfachere Weg. Den Politikern gibt er zum einen die Möglichkeit, wortreich Aktivität und Bemühung um die bäuerliche Sache darzustellen und so ihrer Existenz den Anstrich von Berechtigung zu geben. Andernfalls müsste man ja richtige Ideen haben, die die Lage der Bauern verbessern könnten. Und dann zeigt sich möglicherweise, dass man da ziemlich blank da steht.

Den Bauern gibt es die Gelegenheit Verantwortung für die eigne Lage von sich zu schieben und in herkömmlichen Verhaltensweisen zu verharren.

Beides trägt selten zu Fortschritten in der Sache bei. Viel öfter ist der Fall, dass alles nur noch schlechter wird.

So ist es, um ein Beispiel zu nennen, in den vergangenen Jahren zum Mantra der Agrarpolitik geworden, den "Handel" zum Hauptschuldigen für die schlechten Agrarpreise zu machen. Gebetsmühlenartig werden von Bauern und ihren Vertretern die Vorwürfe heruntergerattert. Oft zurecht. Dass die österreichischen Bauern für ihre Produkte zwar schlechte, aber meist dennoch durchwegs höhere, aber selten niedrigere Preise bekommen, als etwa die deutschen Kollegen und auch die Kollegen in viele anderen Ländern, wird da tunlichst unter den Teppich gekehrt. Und auch, dass nur gut die Hälfte der Produkte, die von den Bauern erzeugt werden, über den Handel auf den Markt kommen. Und gar nicht erst diskutieren mag man darüber, ob man denn überhaupt das Richtige für den Markt produziert.

Dass man trotz des jahrlangem Dauerfeuers bisher genau gar nichts bewirkt hat, stört da nicht weiter. Man macht unverdrossen weiter, offenbar weil's so am einfachsten ist

Dazu passt auch die "Taskforce Agrarmärkte", mit der die EU die Position der Bauern auf den Märkten stärken soll. Das klingt gut und nach Bemühungen für die Bauern. Bloß, wer sagt, dass die Bauern profitieren, wenn der Handel an die Kandare genommen wird, oder ob das nicht doch eher die  Verarbeiter, wie die Molkereien oder Fleischbetriebe sind, die als direkte Partner des Handels das Geld als Erste in der Hand haben? Dass die das Geld selbstlos weitergeben, glaubt wohl auch niemand. Aber Hauptsache, man macht viel Wind.

Und dazu passt auch, dass sich viele Bauern und viele ihrer Vertreter den Schutz ihres Heimmarktes wünschen und das hohe Lied der Regionalität singen. Dass Österreichs Landwirtschaft zu mehr als der Hälfte vom Export lebt, blendet man einfach aus. Ist ja allemal einfacher und Beifall bringender, jedes fremde Milchpackerl umgehend auf Facebook und Twitter anzuprangern. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn irgendwo im Ausland auch lauter solche Leute nichts besseres zu tun haben, als ausländische Agrarprodukte zu brandmarken.

Dann würde Österreich wahrscheinlich schnell schlecht ausschauen. Aber man hätte wieder Böse, auf die man schimpfen könnte. Der Einfachheit halber.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 2. Februar 2017

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