Donnerstag, 28. September 2017
Wahlkampf und Wirklichkeit
Wahlkampf ist auch, manche meinen sogar vor allem, Blendwerk. Wortreich wird viel versprochen, was - die Erfahrung lehrt es - nach Wahlen in der Realität nicht hält. Das sollte man gerade in der jetzigen Phase des Wahlkampfes nicht vergessen. Vor allem dann nicht, wenn -und das tun alle Parteien in seltener Eintracht -von der Meinung der Menschen die Rede ist, die man so sehr schätze, davon, dass man nichts als die Interessen der Bürger im Auge habe und von Ähnlichem, mit dem man sich gerne beim Wahlvolk anbiedert.
Denn gerade bei solchen Themen zeigt sich, dass sich im richtigen Leben die Begegnung mit der Politik meist ganz anders darstellt als das Wunschkonzert, wie jenes, das in diesen Tagen alle versprechen zu erfüllen. Denn, wenn man in diesem Land wirklich etwas will, oder wenn man wirklich gehört werden will, mit einem Anliegen, mit einer Meinung, mit einem Wunsch - dann ist alles meist ganz anders. Zumal dann, wenn sie nicht ins Konzept passen. Dann lernt man als Bürger respektive als Bürgerin sehr schnell den Unterschied kennen zwischen Ankündigung und Wirklichkeit. Da erweist sich oft schnell als Makulatur, was versprochen wurde.
Da wird man am Telefon endlos im Kreis geschickt, da ist plötzlich niemand zu erreichen, da wird man mit dürren Statements abgespeist, mit einem Achselzucken und mit einem schmallippigen "das müssen sie verstehen". Gerade Bürgerinformation, Bürgerbeteiligung und angekündigte Mitsprache dienen der Politik und ihren Vertretern oft zu nichts anderem, als vor allem dazu, die eigenen Pläne möglichst rasch, möglichst friktionsfrei, ohne großes Aufsehen und vor allem möglichst ohne Änderungen über die Bühne zu bringen.
Der vierspurige Ausbau der Westbahn und die Anbindung des Linzer Flughafens im Oberösterreichischen ist ein Musterbeispiel dafür. Dort werden Bauern, die den Neubau der ÖBB-Trasse quer durch wertvolles Ackerland verhindern wollen, seit Jahren zwischen Landesregierung, Bundesregierung, Ämtern, Behörden und ÖBB im Kreis geschickt. Von Bürgernähe, vom Einsetzen für sie und ihre Anliegen gar, spüren sie nichts. Und das, obwohl sich die Voraussetzungen für das Projekt in den 15 Jahren, in denen geplant wird, grundlegend geändert haben. Obwohl sich die Flughafen-Passagierzahlen in keiner Weise so entwickelt haben, wie seinerzeit berechnet, obwohl kein Schnellzug am Flughafen stehen bleiben wird, obwohl es deutlich billigere Lösungen gäbe und obwohl inzwischen tausende Bürger gegen die Pläne unterschrieben haben, weil sie um Nahverkehr und Landschaft fürchten.
Und weil wir schon im Land ob der Enns sind - bei anderen Projekten sind die Muster (wohl nicht nur in Oberösterreich sei angemerkt) ähnlich . Die allerorten herbeigesehnte Breitbandoffensive etwa ist so etwas. Dieser Tage klagte erst die Wirtschaft wieder darüber, dass nichts weitergehe. Wer sich für so einen Anschluss ans schnelle Internet interessiert, weiß, warum das so ist. Im Land ob der Enns etwa scheint es mancherorts Bürgermeistern und Breitband-Anbietern, wie einer Tochtergesellschaft des landeseigenen Energieunternehmens, das sich sinnigerweise "Powerspeed" nennt, nachgerade Vergnügen zu bereiten, Interessenten hin-und herzuschicken. Da verspricht der Bürgermeister in einer Landgemeinde auf Nachfrage in einer öffentlichen Versammlung, weil doch gerade wegen des Ausbaues der öffentlichen Wasserversorgung ohnehin die Straßen aufgerissen werden sollen, sich für die Verlegung eines Glasfaserkabels einzusetzen. "Mach ich", sagt er generös. Wohl um Ruhe zu haben und sich lästiges Nachbohren zu ersparen -und tut, erraten, nichts. Zwei Monate lang. Nach einem weiteren Monat heißt es dann, es werde geprüft. Vom Anbieter indes erhält der Interessent die Nachricht, dass just in seiner Ortschaft als eine von ganz wenigen in der Umgebung noch gar nichts geplant ist. Und dazu die Aufforderung, doch schriftlich sein Interesse per angefügtem Formular schriftlich zu bekunden. Dass er das bereits dreimal über das auf der Homepage angebotene Formular getan hat, und auf Grund dessen er auch die wenig befriedigende Antwort bekommen hat, scheint dem Unternehmen völlig egal zu sein, passt aber ins Bild.
Es sind die schönen Worte die zählen, und nicht die Taten. So wie jetzt im Wahlkampf. Nicht zuletzt darum tut man gut daran, das gerade in diesen Wochen nicht zu vergessen. Auch wenn noch so viel versprochen wird. Denn die Versprechen sind nicht das Problem. Das Problem ist die Wirklichkeit.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. September 2017
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