Donnerstag, 30. November 2017
Eine Gesellschaft verweigert Respekt
"Asylanten mehr gefürchtet als Keime" titelte dieser Tage die Gratiszeitung "heute", die der Frau Dichand gehört. In anderen Blättern waren Schlagzeilen zu finden wie "Zu wenig Abschiebungen","Asylanten sind neunmal krimineller als Inländer","Zu oft ins Bordell gegangen - warum bekam der Vergewaltigungs-Afghane unser Steuergeld?" oder "Skandal: Abgelehnte Asylwerber bekommen Taschengeld und Mietzuschuss". Oder man befindet schlicht und mit dem entsprechenden Unterton, dass es "kaum Kriegsflüchtlinge" gebe.
Aus Meldungen wie diesen wird seit Jahren in Österreich eine ausländerfeindliche Stimmung genährt, die man als gelernter Österreicher zwar immer für möglich gehalten hat, die aber inzwischen öfter in nackte Verachtung kippt. "Gefühllosigkeit den anderen gegenüber scheint sozial akzeptabel geworden zu sein -je herzloser, desto besser" schrieb kürzlich die Kommentatorin einer bürgerlichen Tageszeitung. Sie ortet eine Grundstimmung, "die immer mehr auf Gleichgültigkeit bis Bösartigkeit Ausländern/Flüchtlingen gegenüber abzielt -medial und politisch stark befördert."
Flüchtlinge werden inzwischen hierzulande oft ausschließlich als Gefahr und Bedrohung und als Sozialschmarotzer, Vergewaltiger, Gauner und Verbrecher wahrgenommen, die nichts wollen, als unser Geld und vor denen man sich fürchten muss. Und Respekt ist im Zusammenhang damit eine Kategorie, die es ohnehin nicht zu geben scheint.
Es mag ja viel schiefgelaufen sein in den vergangenen Jahren, es mag auch viele Flüchtlinge geben, die nicht von Not getrieben sind, sondern nur im Sinn haben, in unserer Sozialsystem einzuwandern, und der Umgang damit ist wohl in der Tat die größte politische Herausforderung unserer Zeit -aber rechtfertigt das, alle über einen Kamm zu scheren und alle nur mehr für Gauner und Schmarotzer zu halten und verächtlich und mit eindeutigem Unterton von ihnen zu reden?
Warum wird vergessen, dass die allermeisten gekommen sind, weil ihre Heimat zerbombt wurde, weil sie oft verfolgt wurden und weil sie keine Zukunft mehr sahen? Warum wird vergessen, was diese Menschen erlebt und gesehen haben und was sie oft Ungeheures durchgemacht haben?
Warum, so fragt man sich, redet davon niemand? Warum gibt es nur die Berichte von dem, was schief läuft, warum gibt es aber nicht die anderen Geschichten über die Flüchtlinge, die Geschichten, die zeigen und erklären, was sie mitgemacht haben, was sie antreibt und womit sie fertig werden wollen und müssen? Es kümmert sich niemand um die Geschichten der Flüchtlinge und niemand darum, sie und ihr Schicksal in ein anderes Licht zu setzen, als das, das Zeitungen wie "heute","Krone" und andere erzeugen? Nicht die Politik, nicht die Kirche und schon gar nicht die Medien.
Dabei gäbe es diese Geschichten. Da gibt es den Studenten aus Syrien, der vor zwei Jahren als Bootsflüchtling nach Österreich kam. Ein aufgeweckter junger Bursch mit lockigem Wuschelkopf und lebendigen Augen, der sich der Kunst verschrieben hat. Es hat schnell Deutsch gelernt, er hat es geschafft an der Kunstuni unterzukommen, er hat inzwischen seine eigene Wohnung, er kämpft seit Jahren. Er dreht jeden Euro dreimal um, spart über Tage zusammen, um sich ein paar Happen zum Essen leisten zu können und arbeitet an seinem Traum vom Leben als Künstler.
Es gibt wohl dutzende, hunderte, tausende wie ihn. Aber von ihnen hört man kaum etwas. Sondern immer nur von "Vergewaltigungs-Afghanen", "Drogen-Asylanten" und "Problem-Asylanten".
Es scheint so, als weigere sich die Gesellschaft, zu einem normalen und sachlichen Verhältnis zu den Flüchtlingen zu finden. Die Politik scheint sie dabei zu unterstützen. Schon wer alleine Augenmaß einmahnt im Umgang mit diesen Menschen und bei den Maßnahmen, die man setzen will, hat keine guten Karten. Es ist auch das Interesse daran, das fehlt.
Der Sache selbst erweist man wohl keinen guten Dienst. Viele eher scheint es, als schiebe man all die Probleme, die sich zunehmend auftürmen, lediglich vor sich her. Die Probleme selbst aber bleiben viel zu oft ungelöst.
Die Emotionen, wie sie allerorten geschürt werden, sind dabei alles andere als nützlich. Und die Untätigkeit, die damit einhergeht, auch. Auch die der Politik, die sich allein darauf zu beschränken scheint, die Grenzen dicht zu machen und den finanziellen Aufwand zu minimieren, die aber vor den tatsächlichen Aufgaben der Integration die Augen verschließt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. November 2017
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