Samstag, 4. November 2017

Warnung vor falschem Beifall



Manche reiben sich in froher Erwartung schon die Hände. Bei anderen hat das Zittern längst begonnen. Ein Bundeskanzler Kurz im Verein mit einem Koalitionspartner FPÖ und möglicherweise mit Unterstützung der Neos könnte das heimische Kammerwesen ordentlich aufmischen. „Der junge Sebastian Kurz kann mit dem Kammerstaat nicht viel anfangen, die FPÖ hat das rot-schwarz dominierte Sozialpartnerwesen ohnehin stets als feindseliges Gebilde empfunden, in dem sie nichts zu reden hat“, war kürzlich in den Medien zu lesen. „Gemeinsam mit den liberalen Neos hätten ÖVP und FPÖ nun eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern abzuschaffen.“

Dem wohnt zweifellos eine gewisse Logik inne. Die Frage ist aber, ob das auch Sinn machen würde. Vor allem für die Landwirtschaft und für die Bauern. Freilich ist Zwang nie gut zu heißen und freilich kann man die Ansicht vertreten, das Angebot müsse stimmen, dann gebe es auch keine Probleme mit einer freiwilligen Mitgliedschaft. Bloß – die Pflichtmitgliedschaft bei der Landwirtschaftskammer ist mehr als das Abliefern von mancherorts als unangenehm hoch empfundenen Mitgliedsbeiträgen. Den Pflichtbeitrag kann man durchaus auch als Beitrag zur Erhaltung Strukturen einer Solidaritätsgemeinschaft sehen. Gerade für die Bauern gilt das in besonderen Maße.

Kaum ein anderer Berufszweig profitiert von den Kammern und der Pflichtmitgliedschaft so stark, wie die Bauern, deren zahlenmäßiges Gewicht dramatisch geschrumpft ist. Selbst die kritischsten Geister müssen eingestehen, dass die Landwirtschaftskammern für die Bauern durch ihre Grundlagenarbeit, aber auch durch ihre Beratungstätigkeit, einen messbaren Mehrwert schafften, den es andernfalls nicht gäbe. Die Arbeit, die in den Kammern geleistet wird und das agrarische Know-how, das dort angesiedelt ist, wird viel zu oft unterschätzt. Man stelle sich nur vor, wenn die Beratung allein von Wien aus käme und allfällige Verhandlungen mit Gesetzgebern von irgend einer fern angesiedelten Stelle geführt würden. Oder, wenn es nur nach den Interessen jener ginge, die einen freiwilligen Beitrag leisten.

Und, auch das sei gesagt, natürlich ist Pflichtmitgliedschaft bequem für die Landwirtschaftskammern.  Aber das gilt auch anders herum: Die Landwirtschaftskammern sind auch für die Bauern bequem. Sie sind mit Beratung zur Stelle, wenn es um rechtliche Fragen geht oder um Bauprojekte, sie führen den Stift beim Ausfüllen der Förderanträge und passen auf, dass man nichts falsch macht und vieles andere mehr.

Freilich ist es nicht so, dass es in den Bauernkammern keine Verbesserungspotenzial gäbe. Viele Länder haben immer noch einen Nachholbedarf, ihre Strukturen und ihr Angebot anzupassen. Es gibt immer noch nicht die seit Jahren avisierte Bundes-Landwirtschaftskammer, die die Position der Bauern stärken und bündeln soll. Und in der Sozialpartnerschaft ist man längst nicht mehr, als ein Anhängsel.

Aber dabei sollte, davor ist zu warnen, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten. Auch wenn man noch so begeistert ist von der neuen Führung des Landes und ihren Ankündigungen - die Änderungen, die diskutiert werden, und denen auch aus der Landwirtschaft gerne applaudiert wird, können auch die Bauern treffen.

Das gilt gerade für einen Satz, den Sebastian Kurz in einem Interview sagt. „Bei der Landwirtschaft wird es auch Potenziale geben, in der Struktur sparsamer zu sein“.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/17, 4. November 2017

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