Manche reiben
sich in froher Erwartung schon die Hände. Bei anderen hat das Zittern längst
begonnen. Ein Bundeskanzler Kurz im Verein mit einem Koalitionspartner FPÖ und
möglicherweise mit Unterstützung der Neos könnte das heimische Kammerwesen
ordentlich aufmischen. „Der junge Sebastian Kurz kann mit dem Kammerstaat
nicht viel anfangen, die FPÖ hat das rot-schwarz dominierte Sozialpartnerwesen
ohnehin stets als feindseliges Gebilde empfunden, in dem sie nichts zu reden
hat“, war kürzlich in den Medien zu lesen. „Gemeinsam mit den liberalen Neos
hätten ÖVP und FPÖ nun eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, um die
Pflichtmitgliedschaft in den Kammern abzuschaffen.“
Dem wohnt
zweifellos eine gewisse Logik inne. Die Frage ist aber, ob das auch Sinn machen
würde. Vor allem für die Landwirtschaft und für die Bauern. Freilich ist Zwang
nie gut zu heißen und freilich kann man die Ansicht vertreten, das Angebot
müsse stimmen, dann gebe es auch keine Probleme mit einer freiwilligen
Mitgliedschaft. Bloß – die Pflichtmitgliedschaft bei der Landwirtschaftskammer ist
mehr als das Abliefern von mancherorts als unangenehm hoch empfundenen
Mitgliedsbeiträgen. Den Pflichtbeitrag kann man durchaus auch als Beitrag zur
Erhaltung Strukturen einer Solidaritätsgemeinschaft sehen. Gerade für die
Bauern gilt das in besonderen Maße.
Kaum ein anderer
Berufszweig profitiert von den Kammern und der Pflichtmitgliedschaft so stark,
wie die Bauern, deren zahlenmäßiges Gewicht dramatisch geschrumpft ist. Selbst
die kritischsten Geister müssen eingestehen, dass die Landwirtschaftskammern
für die Bauern durch ihre Grundlagenarbeit, aber auch durch ihre
Beratungstätigkeit, einen messbaren Mehrwert schafften, den es andernfalls
nicht gäbe. Die Arbeit, die in den Kammern geleistet wird und das agrarische
Know-how, das dort angesiedelt ist, wird viel zu oft unterschätzt. Man stelle
sich nur vor, wenn die Beratung allein von Wien aus käme und allfällige
Verhandlungen mit Gesetzgebern von irgend einer fern angesiedelten Stelle
geführt würden. Oder, wenn es nur nach den Interessen jener ginge, die einen
freiwilligen Beitrag leisten.
Und, auch das sei
gesagt, natürlich ist Pflichtmitgliedschaft bequem für die
Landwirtschaftskammern. Aber das gilt auch anders herum: Die
Landwirtschaftskammern sind auch für die Bauern bequem. Sie sind mit Beratung
zur Stelle, wenn es um rechtliche Fragen geht oder um Bauprojekte, sie führen
den Stift beim Ausfüllen der Förderanträge und passen auf, dass man nichts
falsch macht und vieles andere mehr.
Freilich ist es
nicht so, dass es in den Bauernkammern keine Verbesserungspotenzial gäbe. Viele
Länder haben immer noch einen Nachholbedarf, ihre Strukturen und ihr Angebot
anzupassen. Es gibt immer noch nicht die seit Jahren avisierte
Bundes-Landwirtschaftskammer, die die Position der Bauern stärken und bündeln
soll. Und in der Sozialpartnerschaft ist man längst nicht mehr, als ein
Anhängsel.
Aber dabei
sollte, davor ist zu warnen, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten.
Auch wenn man noch so begeistert ist von der neuen Führung des Landes und ihren
Ankündigungen - die Änderungen, die diskutiert werden, und denen auch aus der
Landwirtschaft gerne applaudiert wird, können auch die Bauern treffen.
Das gilt gerade
für einen Satz, den Sebastian Kurz in einem Interview sagt. „Bei der
Landwirtschaft wird es auch Potenziale geben, in der Struktur sparsamer zu
sein“.
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/17, 4. November 2017
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