Die EU zu Besuch bei uns. In dieser Woche sind die Regierungschefs und die EU-Chefs in Salzburg beim EU-Rat. Große und bekannte Namen sind da dabei. Angela Merkel, Emanuel Macron, Theresa May, Alexis Tsipras, Victor Orbán, Donald Tusk. Und Jean Claude Juncker natürlich. EU zum Angreifen quasi. Die Gefühle sind durchaus ambivalent. Gerade in diesen Tagen. Es gibt so viele dringliche Probleme, so viele Spannungsfelder, die einer Lösung bedürfen und in denen man nicht und nicht voranzukommen vermag. Die Migration ist da zu nennen, der Brexit, die Spannungen mit den großen Machtblöcken der Welt und die Turbulenzen im internationalen Handel, die Besteuerung der internationalen Konzerne und der Geldtransaktionen, der Arbeitsmarkt und vieles andere mehr. Die Liste der Herausforderungen ist lang, bei denen man sich Bewegung wünschen würde, Durchschlagskraft und Weichenstellungen. Die Erwartungen wären so hoch, die Wünsche so viele. Aber es kommt so wenig zustande. Und wenn, dann allenfalls bei marginalen Themen und oft sind die nichts denn ärgerlich und lächerlich. Die Abschaffung der Zeitumstellung ist so etwas. Und auch das Verbot von Plastiktrinkhalmen, für das man sich als Helden im Kampf gegen den Plastikmüll und als Retter der Umwelt feiern lässt. Ansonsten scheint man vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein und damit, alle irgendwie auf Linie zu bekommen und Animositäten auszutarieren.
Auf der politischen, zumal auf der weltpolitischen Bühne aber hat man wenig zu bieten. Dort dominieren Trump, Putin und China. Die großen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen laufen an Europa vorbei, die Umweltbelastung wird um kein Jota geringer. Man scheint den Zug der Zeit zu versäumen und hat keine Antworten auf die Anforderungen. Man ist nicht einmal in der Lage, Alternativen anzubieten und ist gefangen in den eigenen Problemen.
Die Bilder vom Schwächeanfall Jean Claude Junckers im vergangenen Juli sind vor diesem Hintergrund durchaus als Sinnbild des Zustandes der Europäischen Union zu sehen.
Hilflos muss man zuschauen, wie auf der Idee Europa herumgetrampelt wird. Auf dem, was immer noch das größte Friedensprojekt aller Zeiten ist, das uns einen nie gekannten Wohlstand bescherte, ungekannte Freiheiten auch und das uns die Möglichkeit gibt, durch einen starken Zusammenschluss vieler relativ kleiner Länder den großen Machtblöcken wie den USA, Russland und China Paroli bieten zu können.
Hilflos muss man zuschauen, wie verantwortungslose Politiker vor allem vom ganz rechten Rand, Leute vom Zuschnitt eines Matteo Salvini, eines Viktor Orbán oder auch eines Harald Vilimsky, die Europäische Union von innen, von den Gremien aus, denen sie angehören, aufarbeiten und wie ihnen immer noch viele dabei zuschauen. Hilflos, bequem und ohne Esprit, sondern allenfalls auf ihre eigenen Vorteile bedacht.
Dass Victor Orbán nun an die Kandare genommen wurde vom Europäischen Parlament ist nicht mehr als ein kleiner Lichtblick. Viel mehr trifft, was der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn seinen italienischen Kollegen vorige Woche in Wien wutentbrannt entgegenschleuderte, als sich dieser wieder einmal über die EU lustig machte. "Merde alors", was frei übersetzt "Verdammt nocheinmal" heißt, fuhr ihn Asselborn an, als ihm die Provokation allzu viel wurde und er ihm erklärte, was die EU gerade für sein Land leistet.
Ja "Merde alors", warum lässt man sich von Leuten wie Salvini alles kaputtmachen?
Dabei würden wir gerade jetzt ein starkes und einiges Europa brauchen. Ein Europa das ernstgenommen wird auf dem internationalen Parkett, das Entwicklungen anstößt, Linien vorgibt und Standards. Aber davon ist nichts zu erkennen. Dass sich Juncker bei seinem Besuch in Washington Trump gegenüber passabel geschlagen hat, war in jüngster Zeit ziemlich der einzige herzeigbare Erfolg auf der Weltbühne.
Der Europäischen Union fehlt eine starke Hand, Geschlossenheit und eine Führung mit Weitblick. Angela Merkel und die Deutschen sind das nicht mehr. Und Emmanuel Macron, auf dem so viele Hoffnungen ruhten, ist es nie geworden.
Es scheint längst zu viel Zeit verronnen, als dass die Dinge rasch wieder ins Lot kommen könnten. Auch weil von den vielen Gipfeln der Regierungschefs nicht viel mehr als schöne Bilder und hehre Erklärungen bleiben.
Es steht zu befürchten, dass vom Gipfel in Salzburg nichts anders bleiben wird.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. September 2018
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