Österreich ist nicht so schlecht, wie oft davon geredet wird, zumal, weil es in und schick erscheint und weil es irgendwie zur Grundstimmung zu gehören scheint. Denn die Gesellschaft funktioniert weit besser, als man oft meint. Und auch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Denn unter der rauen Schale und all dem Griesgram, der Hochnäsigkeit und der Abschätzigkeit, die viele vor sich hertragen, ist es oft doch anders. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich aller Häme zum Trotz das Gespür erhalten, dass es gilt, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, dass es nicht alles ist, alles auf Euro und Cent zu verrechnen und dass vieles besser funktioniert, wenn man zusammenhält und zusammensteht. Für sie sind das Werte, auf die sie zählen und die sie erhalten wollen und für die sie auch bereit sind, sich persönlich einzusetzen.
Dort sind wohl auch die Gründe dafür zu finden, dass das Ehrenamt immer noch hoch im Kurs steht in diesem Land. Gott sei Dank möchte man sagen. Denn vieles würde ohne das ehrenamtliche Engagement kaum so funktionieren, wie wir das in vielen Bereichen als selbstverständlich gewohnt sind. Wer würde dann bei Unfällen ausrücken um zu helfen, wie sähe es in den Sozialeinrichtungen aus und wie nach Katastrophenfällen, wie mit der Jugendbetreuung oder mit den Senioren? Es gilt wohl, was unlängst bei einem Pressegespräch in Linz so formuliert wurde: "Ohne die zigtausenden ehrenamtlich geleisteten Stunden wäre das Gemeinwesen um vieles ärmer." In kaum einem anderen Land in Europa ist das ehrenamtliche Engagement so groß wie bei uns. Eingebunden meist in ein reges Vereinsleben ist es nicht nur für die Erfüllung wichtiger Aufgaben in der Gesellschaft, sondern auch für das gesellschaftliche Leben eine wichtige Stütze.
Erst jüngst, aus Anlass des "Tages des Ehrenamtes" Anfang Dezember, wurden wieder beeindruckende Zahlen veröffentlicht. 46 Prozent der der Österreicherinnen und Österreicher engagieren sich in irgendeiner Form freiwillig für die Öffentlichkeit. 3,3 Millionen Menschen sind das, die sich bereit erklären auszurücken, wenn es brennt und wenn es gilt zu helfen, die sich um Jugendliche kümmern, die irgendwo in einer Küche stehen, um für Bedürftige zu kochen, die in der Nacht ausrücken, um Obdachlosen zu helfen oder die Menschen, die Verunglückte von den Bergen holen. Für 90 Prozent geht es dabei um nicht anderes als zu helfen, hat das Wiener Meinungsforschungsinstitut Ifes erhoben. Acht von zehn Menschen geht es zudem darum, einfach etwas Nützliches zu tun und sie machen es auch, weil es ihnen einfach Spaß macht. Der Wert dieser Leistungen ist kaum in Geld zu bemessen. Schätzungen gehen von mehr als zehn Mrd. Euro jährlich aus, die die ehrenamtliche Arbeit wert ist. Damit sind die ehrenamtlichen Tätigkeiten auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Und der ist auf eine gesunde finanzielle Basis angewiesen. Wie sehr, das zeigt sich gerade in diesen Wochen vor Weihnachten, wenn viele der Organisationen, die mit ihren unbezahlten Tätigkeit das Land am Laufen halten, um Spenden bitten. Sie brauchen das Geld, um ihre Projekte umsetzen und auch wirklich helfen zu können. Denn die öffentlichen Mittel, soferne es sie überhaupt gibt, reichen praktisch nie.
Bisher können sich die Organisationen auf das "Goldene Herz" der Österreicherinnen und Österreicher verlassen. Das Geld sprudelt zumindest aus dieser Quelle wie eh und je. Es könnte freilich mehr sein. Mit 75 Euro pro Kopf und Jahr liegt man nur im europäischen Mittelfeld. Angeführt wird die Liste von den Briten, die es dem Vernehmen nach auf 274 Euro pro Kopf und Jahr an Spenden bringen. Dahinter kommen die Schweizer mit 197 Euro und die Holländer mit 139 Euro. Das ist freilich nicht der einzige Wermutstropfen. "Die Wertschätzung des Ehrenamtes ist aus Sicht der freiwilligen Helfer noch ausbaufähig", erhob das Linzer Imas-Institut. Mühsam ist es immer noch oft, die berufliche Tätigkeit mit der ehrenamtlichen Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Und schwierig sind oft immer noch die finanziellen und versicherungstechnischen Themen, mit denen sich ehrenamtliche Organisationen und ihre Mitarbeiter herumschlagen müssen.
Das kostet unnötig Kraft und Energien. Und es läuft dem zuwider, was die Bevölkerung erwartet, nämlich, dass die Bedeutung des Ehrenamtes nicht zuletzt wegen der Überalterung unserer Gesellschaft in Zukunft immer wichtiger wird.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Dezember 2018
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