Donnerstag, 6. Dezember 2018

Oppositionelle Gewichtsprobleme



"Damit wir uns richtig verstehen -ohne Deutsch keine Wohnung." Daneben wahlweise die Konterfeis von FP-Politikern wie Niederösterreichs verhindertem Landespartei- Geschäftsführer Liederbuch-Landauer oder Oberösterreichs Landesrat und Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner. Auf Facebook stellte jemand darunter ein selbstmontiertes Plakat, das Bauarbeiter zeigt, die feixend zum "Ohne Deutsch keine Wohnung" sagen "Und ohne uns gibt kayn Wohnung".

Witzig, keine Frage. Und zum Schmunzeln. Aber halt doch ziemlich wenig und ziemlich zahnlos als Reaktion auf eine solche Ansage von Politikern, wenn man sie am liebsten aus jedem Amt verdrängen möchte. Aber auf diesem Niveau spielt sich derzeit die Oppositionsarbeit meist ab.

"Es gibt wenige, die das Problem sehen oder Lösungen anbieten", schrieb dieser Tage jemand auf Twitter zu Drasenhofen, aber es gebe viele, die die Diskussion nutzen, um die Schuldfrage zu personifizieren. "Fazit: Es ist wichtiger, einen Schuldigen zu haben, als ein Problem zu lösen." Diese Sätze gelten nicht nur für Drasenhofen. Man arbeitet sich an Politikern und Politikerinnen ab, an ihrem Aussehen, an ihrer Rhetorik und an ihren Eigenheiten. Man ist aber meist zu unklar, zu unsachlich, zu spät dran, hat keine Problemlösungen und Alternativen anzubieten. Und, das vor allem, man schafft es nicht, mit klaren, nachvollziehbaren und verständlichen Argumenten das Gehör der Menschen zu finden.

Der Bundeskanzler kann das. Wenn er Sätze sagt, wie "In Österreich sollen diejenigen, die arbeiten gehen, mehr Geld zur Verfügung haben als Menschen, die in der Mindestsicherung sind" oder "Es ist Gift für die Gesellschaft, wenn es sich nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen, weil man durch die Mindestsicherung mehr zur Verfügung hat", dann würden das die meisten Menschen genauso sagen und auch unterschreiben. Denn er trifft damit genau ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse und ihr Verständnis von dem, wie es sein und wie Politik gemacht werden soll. Nicht anders ist es mit Sätzen wie "Unser Ziel ist es, die Steuer-und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken und sicherzustellen, dass arbeitenden Menschen wieder mehr zum Leben bleibt. Denn wer arbeiten geht, der darf nicht der Dumme sein."

Die Opposition jedweder Couleurs schafft es nicht, auch nur ansatzweise ihre Anliegen mit ähnlichem Gewicht und ähnlicher Schlüssigkeit zu formulieren. Sie schafft es auch nicht, eine ähnliche Akzeptanz zu erreichen. Und schon gar nicht schafft man es, klar und griffig dem zu kontern, was man an der Regierung respektive an den Parteien, die sie bilden, kritisiert. So klar, dass die Menschen das nachvollziehen können und auch unterschreiben würden.

Da nimmt nicht wunder, dass man vom "besten Bundeskanzler" redet, den Österreich je hatte, und dass man befindet, dass er "alles gut und richtig macht, weil es kann nicht sein, dass arbeitende Menschen weniger bekommen als jene, die nichts tun." Und dass die Opposition und ihre Arbeit mit großer Skepsis gesehen wird.

Vieles am Kurz-Strache-Regime mag in der Tat als schlimm empfunden werden, aber die Worte und die Maßnahmen werden von den meisten verstanden und für richtig gehalten. Da ist es zu wenig, wenn den Oppositionsparteien nicht mehr einfällt als Witzchen und süffisante Anmerkungen - und mögen sie noch so gut und treffend sein. Da ist es zu wenig, wenn nicht mehr kommt, als wortreiches Schimpfen und Toben. Da sind Konzepte verlangt und Ausdauer. Und vielleicht sollte man sich auch die eine oder andere Anleihe an der Strategie derer nehmen, unter denen man leidet. Denn nur dann kann man dem etwas entgegensetzen, von dem man meint, dass es dem Land so sehr schadet.

Da braucht es mehr, als nur mit den Fingern auf die anderen zu zeigen und sie für unfähig, eine Zumutung oder gefährlich zu erklären. Aber man tut sich sogar schwer, die Menschen zu erreichen, wenn ein Politiker, wie der unsägliche niederösterreichische Landesrat Waldhäusel, unter all den vielen Unglaublichkeiten, die er in den vergangenen Tagen von sich gab, seine Stacheldrahtaktion damit rechtfertigte, dass ihm zu wenig war, was der Staatsanwalt verlangte.

Dabei war nichts besorgniserregender, was im vergangenen Jahr aus der Politik kam. Heißt das doch nichts anderes, als dass man keine Scheu hat, sogar den Rechtsstaat auszuhebeln.


Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 6. Dezember 2018

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