Für die Bauern kam das Platzen der Regierungskoalition zu einem
denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sie fallen nicht nur um ein 120
Mill.-Euro-Entlastungspaket um, aus dem nichts wird, weil die Steuerreform
nicht kommt und auch nicht die bereits paktierte Senkung der
Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere die Änderung bei den
Mindestbeitragsgrundlagen. Auch die geplante Umsetzung der
Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln und in der
Gemeinschaftsgastronomie oder die geplante Einschränkung der Tierhalterhaftung
für Alm- und Weidetiere liegen jetzt einmal auf Eis. Gar nicht zureden davon,
dass in den kommenden Monaten die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen und
auch die Gespräche über die Ausgestaltung der künftigen EU-Agrarpolitik in die
entscheidenden Phase kommen.
Das ist nicht wenig, worüber man sich ärgern und dessentwegen man sich
Sorgen machen kann. Es könnte aber noch nicht alles gewesen sein. Denn es kann
in den nächsten Monaten in dem von Feindseligkeit und Rachegelüsten geprägten
politischen Klima, das in diesen Wochen in Österreich herrscht, noch schlimmer
kommen. Und es könnte durchaus sein, dass dabei die Bauern zu den größten
Draufzahlern werden. Denn nichts scheint fest in diesen Monaten bis zu den
Neuwahlen, vieles mit einem Mal offen, und vieles so, als könnte man sich nicht
mehr drauf verlassen. Das freie Spiel der Kräfte im Parlament macht viel
möglich und kann viel anrichten. Groß ist die Gefahr, dass sich in der
überdrehten Stimmung in dieser Zeit Partei-Allianzen bilden, die für die Bauern
Fakten schaffen, an denen sie möglicherweise jahrelang zu kauen haben werden.
Das Glyphosat-Verbot, das dank FPÖ, die sich neuerdings als
Umweltpartei geriert, zustande kommt, ist ein Beispiel dafür. Der Antrag der
Liste Jetzt, Spaltenböden in der Schweinehaltung zu verbieten, der auf
maßgebliches Betreiben des VGT zustande kam, ist ein anderes. Und es
könnten noch manche Anträge in ähnlicher Qualität ins Haus stehen.
Im Sinne der Bauern, zumal der konventionell erzeugenden Bauern, werden
sie kaum sein, gelten die doch als VP-Parteigänger und haben bei den anderen
politischen Parteien wohl wenig Rücksichtnahme zu erwarten. Was die Parteien
zum Thema Landwirtschaft im EU-Wahlkampf von sich gaben lässt mitunter
Schlimmes befürchten.
Dass es der Landwirtschaft und auch dem VP-Bauernbund über Jahren
nicht gelingen mochte, zu den Gegenspielern eine tragfähige Gesprächsbasis
aufzubauen, ist in diesem Umfeld nicht wirklich von Vorteil. Für den
Bauernbund, aber auch für die Kammern werden die nächsten Monate zu einer
Bewährungsprobe. Und auch die ehemalige Ministerin Elisabeth Köstinger wird als
einfache österreichische Parlamentariern ihre Nagelprobe bestehen müssen. Sie
wird zeigen müssen, dass es ihr gelingt, über all die Gräben, die sich für die
Bauern da so bedrohlich auftun, Brücken zu schlagen.
Es wird auf jeden Fall spannend. Spannend für die unter den Bauern,
die von all dem, was möglicherweise beschlossen wird, profitieren könnten. Noch
viel spannender freilich wird es für die, die möglicherweise mit Beschlüssen
zurechtkommen müssen, die für sie nichts als eine Belastung sind.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 13. Juni 2019
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