Mittwoch, 19. Juni 2019

Wenn's so grün grünt



"Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Entscheidungen", war die eher schlichte und lapidare Begründung dafür, dass Werner Kogler, eben noch gefeiert für seinen Erfolg bei der Europawahl, nun doch nicht nach Brüssel geht, sondern als Spitzenkandidat der Grünen in die Nationalratswahlschlacht zieht. Man ist eben auch bei den Grünen nicht anders als bei anderen Parteien, wenn es darum geht, Grundsätze geschmeidig zurechtzubiegen. "Da kandidiert jemand als Spitzenkandidat bei den Europawahlen und denkt nicht daran, das Mandat anzunehmen", wundern sich nicht nur honorige Professoren, wie der Innsbrucker Verfassungs-und Verwaltungsspezialist Peter Bußjäger. "Solche Fake-Kandidaturen haben mit Demokratie wenig, mit Wählertäuschung aber viel zu tun."

Angesichts der Chancen, die sich mit einem Mal auftun, meint man bei den Grünen, die sonst gerne auf politische Korrektheit pochen, freilich, sich wenig darum kümmern zu müssen. Man spürt kräftigen Aufwind und will die Gunst der Stunde nutzen. Von Vorwürfen wie Wählertäuschung lässt man sich nicht beirren und setzt auf den Grünen-Dino Werner Kogler, auf dass er sie wieder zurück in Parlament bringe -und, wer weiß, was noch alles kommt, vielleicht gar in der einen oder anderen Form an die Macht in diesem Land.

Die Chancen dafür stehen jedenfalls so gut wie schon seit langem nicht. Grün ist mit einem Mal Modefarbe auf dem politischen Parkett. Nicht nur bei uns, auch in Deutschland und anderswo. Mit 27 Prozent liegen bei unserem Nachbarn die Grünen in der jüngsten Sonntagsfrage bereits vor der CDU/CSU, die es auf 24 Prozent bringt. Könnten die Deutschen den Kanzler direkt wählen, würden 51 Prozent für den Grünen Robert Habeck votieren, aber nur 24 Prozent für die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die seit Monaten im Schatten der noch regierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel regelrecht verdorrt.

In Österreich zeichnet sich zwar keine derart dramatische Verschiebung in der Politik ab, die Grünen haben aber mit der Europawahl aus dem Tief herausgefunden, in das sie stürzten, nachdem sie bei den Nationalratswahlen vor zwei Jahren aus dem Parlament flogen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Das hat, wie das Hoch in Deutschland, zu einem guten Teil wohl mit der Schwäche der Sozialdemokraten zu tun. Zu einem guten Teil ist es wohl auch damit in Zusammenhang zu sehen, dass die Jahrhundert-Hitze im Vorjahr und auch die oft belächelte Friday for Future-Bewegung das Klima-Thema in den Vordergrund rückten und sogar die Migration als Thema Nummer eins ablösten.

Die Sorge ums Klima und um die Umwelt weckt das Interesse an politischer Mitbestimmung, sagen Beobachter wie die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Bei den Europawahlen war das -neben dem Brexit und der Bedrohung der europäischen Idee durch rechtspopulistische Parteien -einer der Gründe für die stark angestiegene Wahlbeteiligung.

Mittlerweile sind alle Parteien dabei, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Sogar die FPÖ, deren Obmann Norbert Hofer Tempo 140 auf den Autobahnen immer für einen seiner wichtigsten politischen Erfolge hielt, will den Umweltschutz zum Parteischwerpunkt machen.

Sie sollten sich freilich nicht täuschen lassen. Denn es ist eines, dicke Manifeste mit Schlagworten zu formulieren, und es ist etwas anderes, konkrete, brauchbare und wirksame Vorschläge für die Umsetzung anzubieten, zumal dann, wenn man in politischer Verantwortung stehen sollte. Da steht auf Bundesebene der Beweis aus, dass man das kann und dass man es schafft, mehr zu verwirklichen als Einzelprojekte.

Die heimischen Grünen sehen diese Entwicklung gelassen. "In diesem Bereich sind wir einfach der Schmied und alle anderen der Schmiedl", will man sich nicht beeindrucken lassen und setzt darauf, dass das auch die Wahlberechtigen so sehen.

Und es ist nicht das allein. Die Ökopartei hat nach wie vor mit einer dünnen Personaldecke zu kämpfen. Und es klebt immer noch das Image der Verbotspartei und einer Politik mit dem ständig erhobenen Zeigefinger der ewigen Besserwisser an ihnen.

Wollen sie die Chancen nutzen, die sich ihnen nun bieten, müssen sie davon wegkommen. Der Beweis dafür ist noch ausständig. Genauso wie der Beweis der anderen Parteien ausständig ist, dass für sie grün mehr als die Farbe eines neuen schicken Mäntelchens ist.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Juni 2019

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