Samstag, 1. Juni 2019

Die Biobauern überfordern den Markt



Der Biomarkt gerät aus dem Gleichgewicht. Die Bauern steigern die Produktion mehr, als der Markt es verträgt, die Getreidelager sind voll.

Hans Gmeiner


Salzburg, Linz. Die Vertreter der Biobauern und auch die Agrarpolitik sind stolz auf Zuwachszahlen bei Bioackerflächen und verweisen gern auf den hohen Bioanteil in der Milchproduktion. Den Vermarktern und auch vielen Bauern steigen indes die Grausbirnen auf. Der Biomarkt wächst zwar immer noch mit beeindruckenden Zahlen, aber das Angebot der Bauern wächst in den wichtigsten Produktionssparten noch viel schneller. Weil in den vergangenen Jahren so viele Bauern auf biologische Produktion umstellten, geraten die Preise vor allem bei Getreide stark unter Druck. Auch bei Milch sind die goldenen Zeiten vorbei. Weil Molkereien kaum mehr neue Biolieferanten aufnehmen, gelingt es dort aber, das Preisniveau zumindest einigermaßen zu halten.

Als eine der Ursachen für das derzeit auf dem Biomarkt herrschende Ungleichgewicht sehen Beobachter die Politik, die auf die Markterfordernisse wenig flexibel reagiere und die das Ungleichheit sogar noch anheize. Man verweist etwa auf das Burgenland, wo das Land allen Bauern von oben herab Bio verordne.

Kritisiert wird aber auch, dass die heimische Agrarpolitik den Bauern nur begrenzte Zeiträume zur Umstellung auf Bio anbiete. Das verschärfe die ungleiche Entwicklung von Angebot und Nachfrage. So war das heurige Jahr in Österreich in dieser EU-Budgetperiode die letzte Möglichkeit zum Umstieg auf Bio. Bis zum Inkrafttreten der nächsten Budgetperiode und damit der EU-Agrarreform, die erst in zwei oder – wie manche befürchten – gar in drei Jahren zu erwarten ist, gibt es einen Umstiegsstopp mit einem eingeschränkten Fördervolumen. Verschärfend kommt hinzu, dass inzwischen auch in wichtigen Exportländern, wie etwa in Deutschland, viele Bauern auf Bio umsteigen und dort Handelsketten beginnen, eigene Förderprogramme mit dem Schwerpunkt der regionalen Herkunft zu entwickeln.

Bei Biogetreide ist der Druck besonders groß, weil besonders viele Bauern die letzte Umstiegsmöglichkeit nutzten. „Der Zuwachs der Bioackerfläche lag heuer mit 23.000 Hektar auf insgesamt 263.000 Hektar so hoch wie in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen“, sagt Karl Fischer von der Saatbau Linz, die auch als Vermarkter von Biogetreide zu den Großen im Land zählt.

Auch wenn diese Ausweitung wegen der Umstellungszeit erst in zwei Jahren voll marktwirksam wird, ist der Druck schon heuer extrem groß. „Wir haben derzeit einen Sättigungseffekt“, heißt es etwa aus der Raiffeisen Ware Austria. Für Ende Juni rechnet man in Branchenkreisen mit einem Lagerstand von rund 145.000 Tonnen, um gut 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das entspricht fast der Hälfte der Ernte, die heuer erwartet wird.

„Damit bekommen wir nicht nur ein Preis-, sondern auch ein Lagerproblem“, ist in der Branche zu hören. Angesichts dieser Entwicklung will niemand mit Preisprognosen vorpreschen, überall aber lässt man erkennen, dass der Druck auf die Preise für die Biobauern massiv sein wird.

Bei Milch tut man sich etwas leichter, den Markt unter Kontrolle zu halten. Der Biomilchanteil an der Gesamtproduktion liegt in Österreich bei mittlerweile 19 Prozent. Allein im Vorjahr gab es ein Produktionsplus von zehn Prozent. „Wir wollen ein Wachstum mit Maß und Ziel“, sagt Johann Költringer, der Sprecher der Molkereien. 


Beim Biobauernverband Bio Austria will man die Entwicklung nicht überbewerten. „Solche Phasen, wie wir sie jetzt erleben, gab es in der Vergangenheit bereits mehrmals in Phasen von Einstiegsstopps“, sagt Marketing-Chef Hermann Mittermayr. „Panik ist nicht angebracht.“ „Aber: Der Biomarkt ist kein Verteilmarkt mehr, sondern ist zu einem Verkaufsmarkt geworden“, sagt Mittermayr.

Um die Zukunft des Biolandbaus macht sich Mittermayr keine Sorgen. In Deutschland, aber auch in anderen Ländern gebe es im Vergleich etwa zu Österreich noch einen enormen Nachholbedarf sowohl auf Seiten der bäuerlichen Produktion als auch auf Handels- und Konsumentenseite. Daher gebe es dort immer noch Versorgungslücken. Die Bioanteile sind dort auf allen Ebenen weit von österreichischen Werten entfernt. „Solange das so ist, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen“, sagt Mittermayr. „Der Markt wird wieder sein Gleichgewicht finden.“


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 1. Juni 2019

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1