Eine Umfrage fand heraus, dass in den USA Waren im Wert von geschätzten knapp 40 Milliarden Euro online bestellt werden, wenn der Alkoholspiegel im Blut nur hoch genug ist. "Amazon ist die Plattform der Wahl, die von 85 Prozent der betrunkenen Kunden genutzt wird", heißt es. Am häufigsten gekauft werden unter Alkoholeinfluss Kleidung, Schuhe, Filme und Spiele. Man darf annehmen, dass es sich dabei wohl nicht nur um geplante Käufe, sondern viel öfter um Spontankäufe handelt, die möglicherweise am darauffolgenden Tag für zusätzlichen Kopfschmerz sorgen.
Umfragen wie diese, die wohl auch bei uns ähnlich ausfallen würden, lassen die ewigen Klagen über zu geringe Löhne und zu wenig Geld, die auch bei uns in allen Gesellschaftsschichten sehr beliebt und Standardthema an jedem Stammtisch und vieler Politikerreden sind, in einem anderen Licht erscheinen.
Das Geld sitzt gerade bei vielen, die besonders gerne Klage führen, oft ziemlich locker. Denn es geht nicht nur um Themen wie das oben zitierte, und nicht nur um das Kaufverhalten unter Alkoholeinfluss. Der Einkauf, respektive der Umgang mit Lebensmitteln ist dabei ganz vorne zu nennen. Allein in Österreichs Haushalten landen jährlich rund 360.000 Tonnen Lebensmittel und Speisereste im Müll. Falsche Einkaufsplanung, kurzfristige Lebensplanung, falsche Lagerung oder Haltbarmachung und missverstandene Haltbarkeitsangaben gelten als die wichtigsten Gründe dafür. Darüber, was man dafür bezahlt hat, gibt es keine Daten. Man darf aber annehmen, dass es wohl um sehr hohe Millionenbeträge, wenn nicht um noch mehr geht, die da Jahr für Jahr von den heimischen Haushalten im wahrsten Sinn des Wortes verschwendet werden, obwohl sie so gerne über zu hohe Lebensmittelpreise klagen und jedem Billigstangebot hinterherjagen. Zyniker könnten freilich meinen, dass sie Letzteres gerade deswegen tun, um sich die Verschwendung leisten zu können. Schließlich muss das Geld ja irgendwo wieder geholt werden.
Ins Bild passt da auch, dass laut einer Greenpeace-Studie in Österreichs Kleiderkästen rund 550 Millionen Kleidungsstücke hängen und liegen, von denen gut 72 Millionen Stück, mehr als jedes zehnte also, so gut wie nicht getragen werden.
Und da ist noch gar nicht die Rede von den Folgen, die Kaufwut und sorglose Verschwendung nicht nur für die Brieftasche, sondern auch für die Umwelt haben, von der jeder vorgibt sie schützen zu wollen, weil man sich ja angeblich große Sorgen macht. Alleine die Lebensmittelverschwendung verursacht weltweit 3,3 Gigatonnen an CO2-Emissionen. Mehr verursachen nur die Volkswirtschaften der USA und Chinas. Gar nicht zu reden von all dem Plastik, das zu "Fast fashion" verarbeitet wird und nicht nur die Kleiderkästen zumüllt.
Aber man jammert gerne und klagt. Und man geht auch demonstrieren. Und fühlt sich benutzt und ausgebeutet. Ungerechterweise natürlich. Über den Tisch gezogen von Politik und Konzernen und allen Bösen dieser Welt. Nur selbst, selbst kann man nie etwas dafür. Denn die Sache mit der Verantwortung, mit der Eigenverantwortung, die schiebt man allemal lieber vor sich her und gibt sie am liebsten gleich von vorneherein ab.
Verantwortung zu übernehmen für sich, sein Tun und sein Leben ist aus der Mode gekommen in unserer Zeit und in unserer Gesellschaft. Es ist oft normal geworden in unserer Vollkasko-Gesellschaft, alles auf die Politik zu schieben, auf Konzerne auch und auf andere dunkle Mächte, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man das gerne hätte.
Es sind ja nur selten die, die wirklich jeden Euro umdrehen müssen, die klagen, sondern sehr viel öfter die, die eigentlich keinen Grund dazu hätten, würden sie nur ein bisschen öfter ihr eigenes Verhalten ähnlich kritisch mustern, wie sie das bei der Politik tun und bei allen anderen, von denen sie vermuten, dass sie ihnen das Geld bösartigerweise aus der Tasche ziehen und die Umwelt ruinieren.
Freilich gilt das nicht immer und nicht für alle. Freilich ist vieles aus dem Lot in unserer Welt. Und freilich gehört vieles neu justiert. Aber das darf kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen und nur mehr zu fordern. Denn der Spielraum, das zu ändern -das sollte man nicht aus den Augen verlieren -, ist groß. Nicht nur der in der Politik, wie viele meinen, sondern auch der in den eigenen vier Wänden. Der vor allem.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Juli 2019
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