Privatisierungsverbot von Wasser, Totalverbot von Glyphosat, Nachtschichtpension ohne Abschläge, Rechtsanspruch auf Papamonat und vieles andere mehr. So, als hätte sie in einem großen Glücksspiel viele Haupttreffer gemacht, bejubelt die SPÖ, was sie im freien Spiel der Kräfte im Parlament in den vergangenen Wochen durchbrachte. Ohne lange Diskussionen, ohne Anhörung von Experten und ohne langwierige Begutachtung. Als "lauten Herzschlag unserer lebendigen Demokratie" feierte das Pamela Rendi-Wagner, die vorderste Sozialdemokratin, was andere "Kasino-Parlamentarismus" nennen. Und der Finanzminister sitzt dabei und beschränkt sich darauf, zusammenzuzählen, was das alles kostet, was da in den vergangenen Wochen die Parlamentsparteien in ihrem Furor alles beschlossen. Die Zahlen stimmten ihn nachdenklich, ließ er einer Zeitung wissen, "aber die politische Beurteilung und letztendlich die politische Entscheidung liege im Hohen Haus", lässt er sich zitieren.
Ist es wirklich das, was man sich vor Monatsfrist erwartet hatte, als der Bundespräsident ein Expertenkabinett unter der Führung der ehemaligen Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein angelobte? Als man hoffte, dass sich die politischen Wogen beruhigen, als so viel vom Staatswohl die Rede war? Oder muss man sich inzwischen nicht eher Sorgen machen, dass dieser Regierung, die antrat mit dem Versprechen, keine Politik machen zu wollen, das Land -verzeihen Sie den Ausdruck - unter dem Hintern verkauft wird? Dass mittlerweile viel eher gilt, was ein Parlamentarier so formulierte: "Recht lang wird es die Republik nicht geben, wenn man in einem Parlament das freie Spiel der Kräfte zulässt." Man tut sich schwer, diese Expertenregierung aus honorigen und hoch angesehenen Beamten und Juristen einzuordnen. Die erste Neugier, das Verständnis dafür oder gar die Begeisterung sind wohl gewichen. Auch wenn sich die Kanzlerin aus dem Stand im Politiker-Vertrauensindex noch vor dem Bundespräsidenten auf Platz eins schob, himmelweit vor den eigentlichen Politikern, die von Sebastian Kurz und Doris Bures angeführt werden, kehrt allerorten Ernüchterung ein.
Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Kanzlerin und die Mitglieder ihrer Regierung den Parteien das Parlament führerlos und wohl auch ohne Konzept überließen und so dem Furor den Weg frei machten. Vielleicht liegt es auch am zurückhaltenden
Stil, der an ein Politikverständnis aus den fünfziger und sechziger Jahren und die damals übliche Art mit der Öffentlichkeit umzugehen gemahnt. Es ist kaum zu erkennen, nach welchen Grundsätzen diese Regierung arbeitet. Manche gehen an die Öffentlichkeit, manche laden zu Hintergrundgesprächen, andere sind gar nicht zu sehen und zu hören. Auch dort, wo man das erwarten und wünschen würde.
Es erschließt sich der breiten Öffentlichkeit nicht, warum der Verteidigungsminister schon nach wenigen Tagen im Amt deutlich vernehmbar für das Heer und eine Verbesserung der finanziellen Situation eintritt, aber von der Landwirtschaftsministerin kein Wort zum Glyphosatverbot und nicht einmal zur Verunglimpfung der Wissenschaftlerin, die die Studie zu diesem Thema ausarbeitet, die von ihrem Ministerium in Auftrag gegeben wurde. Und es ist zwar nachvollziehbar, aber dennoch schwer verständlich, wenn die Kanzlerin "ergebnisoffen", wie sie es nannte, an den Sitzungen des EU-Rates teilnimmt, in dem über die Brüsseler Spitzenposten für die nächsten Jahre entschieden wurde.
Auch im zweiten Monat ist die Regierung immer noch sakrosankt. Dennoch würde man sich wünschen, dass mehr von der Expertise zu erkennen ist, die man von einer Expertenregierung erwartet, als die sie eingerichtet wurde. Diese Expertise lässt man allenfalls durchblitzen und setzt sie allem Augenschein nach viel zu wenig ein.
Nicht erfüllt haben sich auch die Erwartungen, dass diese Regierung zu einer Beruhigung des innenpolitischen Klimas beiträgt oder gar zu einer Rückbesinnung auf Vernunft. Im Gegenteil. Die Politik präsentiert sich entgleister denn je.
Von verlorener Zeit ist inzwischen die Rede. "Politik ohne Regierung ist schrecklich" heißt es schon oder "Es ist zum Fürchten". Und "Wir haben gerade einen Ausnahmezustand, der keine Alternative zu echter Politik ist". Nach der sehnt man sich inzwischen zurück. Es muss ja nicht gleich die des alten Stils sein.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juli 2019
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