Samstag, 20. Juli 2019

Bauern sitzen zwischen allen Stühlen



Nach dem Platzen der Regierung ist für Österreichs Landwirte die Politik unberechenbar geworden. Viele Entscheidungen werden aufgeschoben. Dass man nicht weiß, wie es in Wien und in Brüssel weitergehen wird, sorgt für Unsicherheit.

Hans Gmeiner 


Wien. Für Ferdinand Lembacher, seit gut einem Jahr Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, war es nicht wirklich überraschend, dass vor der Wahl im Herbst im Nationalrat das Pflanzenschutzmittel Glyphosat in Österreich als einzigem EU-Land verboten wurde. „Es ist ein rein emotionales Thema, da kannst du erklären, was du willst“, sagt Lembacher. „Man hat mit sachlicher Diskussion in der breiten Öffentlichkeit wenig Möglichkeiten, sich durchzusetzen.“

Agrarier wie er tun sich schwer, damit umzugehen. „Die Bauern leiden darunter, dass in der Öffentlichkeit die Meinung über die Landwirtschaft sehr stark von Leuten dominiert wird, die nicht in der Landwirtschaft leben, sondern ihre eigenen Interessen verfolgen.“ Dass Österreich in diesen Monaten von einer Expertenregierung verwaltet wird und im Nationalrat das freie Spiel der Kräfte die Politik völlig unberechenbar macht, ist für die Bauernvertreter eine besondere Herausforderung. „Wir sehen das sehr kritisch, weil man Maßnahmen durchsetzt, die im Wahlkampf gut ankommen mögen, aber bei denen der Schaden schlussendlich bei den Bauern hängen bleibt.“

Das Platzen der Regierung traf die Bauern auf dem falschen Fuß. „Wir hatten mit der Regierung einige Dinge in Vorbereitung gehabt, nun stehen wir wieder bei Adam und Eva.“ Mühsam versucht man nun im Parlament Mehrheiten zu finden, um sie dennoch zu Ende zu bringen. Die Steuerreform, die den Bauern mehr als 100 Mill. Euro gebracht hätte, zählt dazu. Aber auch zahlreiche kleinere Vorhaben, wie die Begleitgesetze zur Bodenreform oder die Neuordnung der Besteuerung von Hofübergaben. Vorerst ist es nur gelungen, für die Haftung der Almbauern eine Lösung zu finden.

Lembacher macht Sorgen, dass nicht nur in Wien, sondern auch in Brüssel die Dinge im Fluss und unberechenbar sind und sich Österreich in Brüssel in dieser Phase auf die Zuschauerrolle beschränken muss. „Wir wissen nicht, wie es in Wien weitergehen wird, wir wissen auch nicht, wie sich das EU-Parlament unter den neuen Verhältnissen nach der Wahl positionieren wird und wie die neue Kommission aussehen wird.“ Auch wenn er damit rechnet, dass der Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre in der EU nicht mehr heuer, sondern möglicherweise erst in der zweiten Jahreshälfte 2020 unter deutschem Vorsitz zustande kommt, hadert er damit, dass „wir derzeit nicht mit dem vollen politischen Gewicht dabei sind“.

Dabei geht es gerade für die Bauern um viel. Weil bei der Landwirtschaft EU-Mittel eingespart werden sollen, soll es vor allem bei den Agrar-Umweltprogrammen zu Kürzungen kommen. „Unser Stress ist, dass es dann zu wirklich tief greifenden Maßnahmen kommen muss“, sagt Lembacher. Weil man die Bergbauernförderung und die Ausgleichszahlungen für Bauern in benachteiligten Gebieten wohl kaum angreifen werde, müsse man in anderen Bereichen umso stärker kürzen, befürchtet der Sprecher der Bauernschaft. „Was kann dann beim Umweltprogramm ÖPUL noch übrig bleiben, das für so viele Bauern wichtig ist?“ Wenn man dort 20 oder gar 30 Prozent kürzen müsste, ginge das an die Substanz. Abgesehen davon würde das den Bauern auch in der öffentlichen Akzeptanz weiter schaden, sagt Lembacher, weil dann vermutlich viel weniger an Maßnahmen wie der Einhaltung von Fruchtfolgeauflagen, an der Winterbegrünung oder auch an Programmen in der Tierhaltung teilnehmen würden.

Das könnte noch nicht alles sein, worauf sich die Bauern einstellen müssen. Weil die inhaltlichen und finanziellen Vorgaben für die neue Agrarpolitik mit wahrscheinlich zweijähriger Verspätung kommen werden, muss man erst einen Weg finden, wie man diesen Zeitraum überbrückt. „In dieser Zeit einen Vorgriff auf das neue Budget zu machen und die bisherigen Prämien weiter zu zahlen hieße nichts anderes, als dass dann noch weniger Geld zur Verfügung stünde“, warnt Lembacher. Mit dem Ausweg, der sich abzeichnet, werden die Bauern wohl kaum Freude haben. Überlegt wird, in der Übergangszeit die Prämien für die bestehenden Regelungen zu kürzen. Lembacher: „Aber dafür müssen wir erst einmal den neuen Finanzrahmen kennen.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Juli 2019

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