Donnerstag, 5. Dezember 2019

"Dann machen wir eine Flasche auf"



Allerorten scheinen die Weltuntergangspropheten wieder Wind unter die Flügel zu bekommen. Seit Monaten tauchen, immer dichter und immer öfter und mit immer schrilleren Tönen, Meldungen auf, die vom "größten Crash aller Zeiten" reden, der bevorstehe. Die Notenbanken druckten Geld "als gäbe es kein Morgen", heißt es in diesen oft in der Art von Kampfschriften formulierten Texten, und die Konjunktur drohe zusammenzubrechen. Da werden aberwitzig klingende Schulden zusammengerechnet, auf denen die Welt sitze, und von "Zombie-Unternehmen" ist die Rede, die nur durch billiges EZB-Geld am Leben gehalten werden. Die EU gilt diesen Leuten nur als "Schuldenunion". Und bald werde "das größte Notenbankexperiment aller Zeiten", die "Mutter aller Blasen", die "Blase der Staatsanleihen" platzen. 2023 werde das herrschende Geldsystem untergegangen und die Welt im Chaos versunken sein. "2008 war eine leichte Brise, jetzt kommt der Tsunami."

Das Fürchten könnte einem kommen. Vieles von dem, was da geschrieben wird, kann durchaus Angst und Schrecken verbreiten, viele Menschen zutiefst verunsichern, und es hat das Zeug, tatsächlich die Abwärtsspirale in Gang zu setzen, von der man schreibt. Zumal in der internationalen Konjunktur tatsächlich dunkle Wolken aufgezogen sind und die Prognosen über die Entwicklung der Wirtschaft durchaus sehr gedämpft sind.

Man kennt das und man hat es schon mehrmals erlebt. In der Geschichte, auch in der jüngsten, gab es immer wieder solche Phasen. Nicht nur solche mit schlechten Wachstumsaussichten, sondern auch solche, in denen versucht wurde, Krisen herbeizuschreiben.

Freilich mag das irritieren und auch Angst verbreiten, zumal sich auch die weltweite politische Konstellation alles andere als vertrauenerweckend darstellt. Was freilich viel mehr irritiert, ist, dass kaum jemand auftritt, um all die Schwarzmalereien zu relativieren und zurechtzurücken. Kaum jemand setzt sich mit dem auseinander, was da verbreitet wird, und hält mit Argumenten dagegen, die geeignet sind, Zweifel zu beseitigen oder zumindest nicht eskalieren zu lassen. Viel häufiger wird versucht, die Rädchen noch ein Stück weiterzudrehen und damit noch mehr Unsicherheit zu verbreiten.

Die Politik scheint dazu nicht fähig zu sein, aber auch nicht die Wissenschaft oder die Publizistik. Nachrichten, die relativieren könnten, was all die Drama-Kings und Drama-Queens der Wirtschaft schreiben, sucht man vergebens. Nirgendwo etwas, woran sich ein Information- Suchender festhalten könnte. Nirgendwo etwas, was all das entkräften könnte, was da so oft und so drastisch beschrieben wird. Und nirgendwo etwas, was dazu beitragen könnte, diese Stimmung zu bremsen.

Es scheint, als sei die Stimmung überall auf negativ gepolt zu sein. Gut ist, was schlecht ist - das ist für die Gesellschaft über Jahrzehnte zum Mantra geworden, an dem man sich orientiert, an dem man sich festhält und in das man sich hineinsteigert. Nicht nur, wenn es um wirtschaftliche Themen geht. Wie gebannt scheint man auf das fixiert, was schiefgehen kann und sich nicht so entwickelt, wie es sich entwickeln könnte und sollte. Man hat verlernt auf das Gute zu schauen, auf die Chancen, und auch an die Möglichkeiten von Verbesserungen und die eigene Kraft zu glauben. Viel zu oft ist man heute auf das Schlechte fixiert und gibt sich dem mitunter, auch wenn man noch so leidet darunter, mit Wonne hin.

Untergangspropheten haben es in einem solchen Umfeld sehr viel leichter als jene, die versuchen kühlen Kopf zu bewahren und sich der Erarbeitung von Lösungen widmen. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie wenn es um den Umgang mit Umweltthemen geht, bei denen die Dinge durchaus ähnlich laufen. Es ist zu wünschen, dass sie sich überwinden, mehr Flagge zu zeigen, um die Negativspirale, in die sich die öffentliche Meinung und viele Menschen bei vielen Themen hineinmanövrieren lassen, zu durchbrechen. Um Ängste zu nehmen, aber auch darum, den richtigen Maßnahmen zum Durchbruch zu verhelfen.

Und es sollte auch darum gehen, jenen, die mit ihren Untergangsprophezeiungen ihr Geld machen, das Geschäft zu vermiesen. Auf die Frage "Was ist, wenn der Crash 2023 gar nicht kommt?" antworteten kürzlich zwei deutsche Untergangspropheten ganz nonchalant: "Dann machen wir eine Flasche Whisky auf und freuen uns."

Wohl weniger darüber, dass ihre Prophezeiungen nicht eingetreten sind, sondern wohl eher, weil sie damit viel Geld gemacht haben.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Dezember 2019

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