Donnerstag, 19. Dezember 2019

Entblößendes Schauspiel



Die Jagdgesellschaft tobte. Dabei hat Bundeskanzlerin Bierlein nur das getan, was sie tun musste. Sie hat das Glyphosatverbot nicht kundgemacht, weil es der EU im Voraus und rechtzeitig zur „Notifizierung“, der Möglichkeit zur Stellungnahme, hätte übermittelt werden müssen. So geriet der vermeintliche Triumpf, dass in Österreich ab 1. Jänner 2020 als erstem EU-Land ein flächendeckendes Verbot des verfemten Pflanzenschutzmittels in Kraft tritt, zum Waterloo. Greenpeace sah einen „Verrat an der Demokratie“, witterte „formaljuristischen Winkelzüge“ und der Pressesprecher der Organisation twitterte erbost „Was für ein Skandal“. Global 2000 bitzelte in einer Presseaussendung „Gesundheit von Mensch und Umwelt wichtiger als Formalia“. Und Helmut Burtscher-Schaden, seit Jahren maßgeblicher Betreiber des geplanten Verbots, ortete eine Kette „dubioser Ereignisse und Entscheidungen“. In der Twitteria, bevorzugtes Medium jener, die meinen, es besser zu wissen und im Handeln und politischen Verständnis besser zu sein, war die Rede von einer „Schande für das Land“, davon, dass Bierleins Entscheidung zeige dass „die Anzahl der A…löcher mehr Macht hat, als die größere Anzahl der vernünftigen Menschen, die unsere Umwelt retten wollen“, dass die „Lebensqualität-vernichtende Lobby der Agrarindustrie“ gewonnen habe und das Land „weiterhin dauervergiftet werden“ dürfe. Gar nicht zu reden davon, dass eine internationale, auf Kampagnen spezialisierte Organisation mit Sitz in den USA von der Kette gelassen wurde, um gegen Kanzlerin Bierlein und ihr Vorgehen via Petitionen zu kampagnisieren.

Das ist entblößend. Und starker Tobak, der Sorgen machen muss. Wenn von „Verrat an Demokratie geredet wird“, von „Winkelzügen“ und von „dubiosen Entscheidungen“ weil die Gesetze eingehalten werden, muss Feuer am Dach sein. Zumal dann, wenn Organisationen wie Greenpeace und Global 2000 und ihre Vertreter und Sprecher so reden. Die Herabwürdigung gesetzlicher Regelungen, die Bereitschaft Gesetze zu beugen und Personen, die sie durchsetzen, anzuschwärzen, weil sie den eigenen Interessen entgegenstehen, kennt man so bisher nur von rechtspopulistischen Parteien. Von Leuten eines Zuschnitts von HC Strache, von Herbert Kickl oder von den osteuropäischen Autokraten.

Nun folgten NGO wie Greenpeace oder Global 2000, aber auch viele Politiker, die im Nationalrat im Sommer das Verbot beschlossen, genau den Verhaltensmustern jener, an den man sich sonst so gerne reibt. Wenn das Recht der Politik nicht folgt, dann werden die ausfällig, denen das nicht in den Kram passt und zweifeln die Gesetze an. Da klingt links auf einmal keinen Deut anders als rechts. Wie noch nie zeigte sich nun, welcher Geist dort am Werk sein kann und welchem Verständnis von Demokratie man dort folgt. Dabei könnte man auch in diesen Kreisen um die Stärke des österreichischen Rechtsstaates durchaus froh sein, kippte doch dieser Tage der Verfassungsgerichtshof auch das noch vom damaligen Innenminister Kickl geplante Überwachungspaket inklusive Bundestrojaner.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass man sich nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa, immer größere Sorgen macht und, wie der Medientheoretiker Norbert Bolz und andere auch, von einer „Öko-Diktatur“ redet und sie als Bedrohung empfindet, gilt doch manchen die Demokratie als „größter Feind des Planten“. Sachlicher Diskurs werde kaum mehr geführt monieren sie. „Es geht bei vielen Themen nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung, sondern es wird nur mehr in gut und böse eingeteilt“, sagt etwa Bolz.

Da wird freilich nur formuliert, woran die Gesellschaft schon seit langem leidet. Man hat verlernt, miteinander zu reden. „Unsere Gesellschaft tut sich schwer damit, eine andere, als die eigene Position zu ertragen“ war dieser Tage im Leitartikel einer österreichischen Tageszeitung zu lesen. Miteinander zu reden und nicht aneinander vorbeizureden sei zur Seltenheit geworden. Zur Meinungsfreiheit zähle, wird gemahnt, nicht nur das Recht auf die eigene, sondern auch die Fähigkeit zur Akzeptanz einer anderen Meinung. „Damit hapert es“, stellt der Leitartikler fest.

Dabei wäre oft nur Geduld nötig. So wie beim Glyphosat – meinen doch manche Beobachter, dass die Chancen auf ein Verbot sogar gestiegen seien, weil nun die neue Kommission am Werk ist. Und die denke in Sachen Umwelt bekanntermaßen anders als die alte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. 12. 2019

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