Montag, 2. Dezember 2019

Das Wohl des Borstenviehs ist hart verdient



Die Preise für Schweinefleisch steigen rasant. Für Bauern, die nach Tierwohlprogrammen mästen, macht das die Sache nicht einfacher.

Hans Gmeiner 

Linz. Im Vorjahr waren Österreichs Schweinebauern noch zuversichtlich. Johann Schlederer, Chef der Österreichischen Schweinebörse, erwartete damals noch, dass der Marktanteil von Schweinen, die nach besonderen Tierwohlkriterien – wie der Haltung auf Stroh, mehr Platz im Stall und Auslauf ins Freie und Fütterung mit Eiweiß ohne gentechnisch veränderte Mechanismen (GVO-frei) aus Europa – gemästet werden, zehn bis 15 Prozent erreichen könnte. „Heute glaube ich das nicht mehr“, sagt der Leiter der Schweinebörse, über die ein Großteil der in Österreich erzeugten Schweine vermarktet wird.

Obwohl Tierwohl und Fütterung große Themen sind und die Konsumenten in Umfragen beteuern, dafür Aufschläge von 25 Prozent und mehr zahlen zu wollen, tut sich auf dem Markt wenig. Dabei ist man von derart hohen Aufschlägen zumeist ein gutes Stück entfernt. „Der Aufpreis beträgt gegenüber herkömmlich erzeugtem Fleisch in den Supermärkten zwischen 50 Cent und zwei Euro je Kilogramm“, sagt Schlederer, „das ist frustrierend“.

Derzeit arbeiten nur 76 der rund 26.000 Schweinebauern nach den Vorgaben des AMA-Tierwohlsiegels. Dazu kommen ein paar Dutzend, die ihre Tiere im Rahmen eigener Programme ohne offizielles Siegel produzieren. Insgesamt beträgt der Anteil der Schweine, die in Tierwohlprogrammen gemästet werden, nicht mehr als rund zwei Prozent. „Rechnet man noch die Bioschweine dazu, deren Anteil auch nicht mehr als zwei Prozent beträgt, ist in diesem Segment, auf das alle angeblich so viel halten, zusammengeräumt“, sagt Schlederer.

Unternehmen wie der oberösterreichische Fleischverarbeiter Hütthaler, der für Hofer, Merkur, Maximarkt und M-Preis wöchentlich 650 Schweine von 30 Bauern verarbeitet, sind die Ausnahme. „Wir haben zweistellige Zuwachsraten“, sagt Pionier Florian Hütthaler, der sich mit mehr Platzangebot und Auslauf von ähnlichen Programmen abhebt. Zu schnell will er nicht wachsen, 2020 sollen maximal drei neue Lieferanten dazukommen.

Das Interesse, in solche Programme einzusteigen, ist groß. „Bei uns stehen 130 Bauern auf der Warteliste“, sagt Hütthaler. Bei anderen Anbietern sei es kaum anders, bestätigt Schlederer. Möglicherweise müssen die Bauern noch länger warten. Manche Handelsketten fahren ihr Angebot zurück, weil die Kosten davonlaufen. Der Grund: Statt teures GVO-freies Soja aus Europa zu verfüttern, wird das Eiweißfuttermittel allen Beteuerungen zum Trotz, dass man sich um das Klima sorge, doch oft lieber in Übersee gekauft.

Zusätzlichen Druck macht die Entwicklung der Schweinepreise. Sie gehen seit dem Ausbruch der Schweinepest in China und anderen asiatischen Ländern regelrecht durch die Decke und kratzen an der Zwei-Euro-Marke pro Kilogramm. Zu Jahresbeginn lagen sie noch bei 1,25 Euro. Das macht die Vermarktung von Schweinen aus Tierwohlprogrammen, für die den Bauern Aufschläge von rund 50 Cent je Kilo gezahlt werden, nicht leichter.

Schon bei den Preisen für Standardware müssen sich die Konsumenten auf kräftige Erhöhungen einstellen. „Der Weihnachtsbraten wird heuer im Supermarkt teurer werden“, sagt Schlederer, zu erwarten seien Preiserhöhungen von zehn bis 20 Prozent. Daran werde sich für Konsumenten zumindest 2020 nichts ändern, prognostizierte eine EU-Expertengruppe. Laut Marktkennern könnten es sogar fünf bis sieben Jahre werden.

Denn das, was die Afrikanische Schweinepest in Asien anrichtete, wird noch zu spüren sein. 150 bis 200 Millionen Tiere sind der Seuche bisher zum Opfer gefallen. „Das ist ein Viertel des Weltmarktes und entspricht der gesamten Schweinepopulation Europas“, sagt Schlederer. Der internationale Markt sortiert sich neu. Österreichs Exporteure versuchen, dranzubleiben. Sie liefern derzeit jede Woche 1000 Tonnen Schweinefleisch nach Asien, ein Zehntel der Produktion.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Dezember 2019

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